Bayern und das Finale dahoam - alles kein Zufall

Von Thomas Gaber
Arm in Arm zum Champions-League-Triumph? Mario Gomez und Manuel Neuer jubeln in Madrid
© Getty

Kontinuierlich hat sich der FC Bayern in den letzten drei Jahren in die europäische Spitze vorgedrängelt. Die Basis für eine sehr erfolgreiche Zukunft ist gelegt, unabhängig vom Ausgang der Saison. Doch eine Frage muss erst noch geklärt werden. Hat die Mannschaft nachhaltig Siegermentalität?

Anzeige
Cookie-Einstellungen
Anfang April verlängerte Mario Gomez seinen Vertrag beim FC Bayern bis 2016. Was dem überwiegenden Teil der Profifußballer ein Leben lang verwehrt bleibt, war für den Stürmer nicht mehr als ein symbolischer Akt. "Für mich stand lange fest, dass ich hier bleiben werde. Jetzt ist halt die Unterschrift unter dem Papier", kommentierte Gomez recht emotionslos die erfolgreichen Verhandlungen mit seinem Arbeitgeber.

Dabei hätte Gomez auch bei einem anderen Verein unterschreiben können. Das kolportierte Interesse von Real Madrid, inklusive Vertragsangebot, löste mitnichten verstärkte Aufmerksamkeit, geschweige denn eine erhöhte Pulsfrequenz beim 26-Jährigen aus. "Was soll ich woanders, wenn ich schon beim besten Verein bin?", fragte Gomez, um die Antwort gleich selbst zu geben: "Nichts."

Gomez auf Müllers Spuren

Seit 2009 spielt Gomez beim FC Bayern. Drei Jahre, in denen bei weitem nicht immer alles nach Plan lief. Zwischendurch fiel er in der Stürmerhierarchie auf Platz vier zurück und bat den Vorstand um die Freigabe für einen Wechsel zum FC Liverpool. Die Bosse waren dagegen, was sich als äußerst weise Entscheidung entpuppen sollte. Gomez schießt seit nunmehr 18 Monaten Tore am Fließband, seit dem unwiderstehlichen Gerd Müller hatte kein Stürmer des FC Bayern eine derart beeindruckende Quote.

Gomez' Entwicklung zu einem auch international hoch angesehenen Torjäger geht einher mit der Entwicklung einer Mannschaft, die binnen drei Spielzeiten zum zweiten Mal das Finale der Champions League erreicht hat. Damit bewegen sich die Bayern auf einem Terrain, das jahrelang zwei Teams beherrschten, die partout keinen Nebenbuhler duldeten: FC Barcelona und Manchester United.

Die Spitzenposition des FC Barcelona nach dem Halbfinal-Aus gegen den FC Chelsea infrage zu stellen, käme Blasphemie gleich. Die Katalanen haben sich ihre Ausnahmestellung in Europa durch einen über viele Jahre hinweg genialen, nicht kopierbaren, weil so einzigartig schönen Fußball verdient. Und ManUnited wird seine desaströse CL-Saison verkraften.

Löw von Homogenität beeindruckt

Real Madrid hat sich nach vielen traumatischen Erlebnissen im europäischen Fußball wieder rangepirscht. In dieser Saison haben die Königlichen selbst Barcelona den Rang abgelaufen. Mit dem FC Bayern drängelt zudem eine Mannschaft in die Spitze, die sich durch ihre Erfolge in der Champions League abhanden gekommenen Respekt zurückgeholt hat.

"Wir sind an einer herausragenden Mannschaft gescheitert. Die Bayern hatten vielleicht mehr Glück als wir, aber sie haben sich das Finale verdient", sagte Real-Kapitän Iker Casillas in einem Anflug von Bewunderung für die Münchner.

Joachim Löw, der auf Einladung des Bayern-Vorstands am Bankett teilnahm, meinte, es sei "kein Zufall", dass die Bayern nach 2010 wieder im Finale stehen.

"Mich beeindruckt die Homogenität und die Entschlossenheit der Mannschaft. Ein solches Spiel bei Real Madrid abzuliefern, besonders nach dem frühen 0:2-Rückstand, ist alles andere als selbstverständlich", so der Bundestrainer.

"Mia san mia" als Credo

Besser als am Mittwochabend im Bernabeu hat der FC Bayern in Spielen auf höchstem europäischem Niveau in den letzten Jahren nicht gespielt. Zielstrebiges, variables Offensivspiel gepaart mit einer größtenteils funktionierenden Defensive, dem Key-Faktor Manuel Neuer und dem spürbarem Willen, das Finale im eigenen Stadion zu erreichen.

"Die Mannschaft hat dieses Ziel, diesen Traum konsequent verfolgt und nie den Glauben daran verloren, es auch zu schaffen. Das ist imponierend, da muss man den Hut vor ziehen", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger.

Kapitän Philipp Lahm sah sich an das Viertelfinal-Rückspiel 2010 bei Manchester United erinnert, als die Bayern trotz eines 0:3-Rückstands noch ins Halbfinale einzogen. "Das hat uns sicher geholfen. Wir haben schon einmal bewiesen, dass wir Spiele auch auswärts bei den besten Mannschaften drehen können."

Nach dem Elfmeterdrama im DFB-Pokalhalbfinale bei Borussia Mönchengladbach hatte Präsident Uli Hoeneß das verborgene Sieger-Gen der Bayern wiederentdeckt, gleichzeitig die Spieler aber aufgefordert, das "Mia san mia" täglich zu leben. Noch stehen zwei Finalspiele aus, erst dann kann eine Bewertung stattfinden, ob die aktuelle Bayern-Mannschaft nachhaltig Siegermentalität besitzt.

Keine weitere Pleite gegen den BVB

Der Weg des FC Bayern verläuft sehr vielversprechend, gewonnen haben die Münchner aber noch nichts in dieser Saison. In der Bundesliga wurden sie zwei Mal in Folge von Borussia Dortmund abgewatscht und abgehängt. Eine fünfte Pleite gegen den BVB am 12. Mai im Pokalfinale wäre unverzeihlich.

"Die Mannschaft hat sich eine hervorragende Basis geschaffen, eine der erfolgreichsten Saisons der Vereinsgesichte hinzulegen. Sie muss aber erst noch die Ernte einfahren. Deswegen wird der Fokus nach diesem tollen Erlebnis von Madrid sofort wieder auf die nächsten Spiele gerichtet. Wir haben noch zwei ganz große Ziele", sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge.

Gegen Dortmund und im CL-Finale gegen den FC Chelsea muss die Mannschaft Hoeneß' Aussage in Madrid, der FC Bayern gehöre "eindeutig zu den Großen der Welt" rechtfertigen.

Dante verstärkt Abwehr

Unabhängig vom Ausgang der Saison hat der FC Bayern aber auch eine Basis für die Zukunft geschaffen. Mit Manuel Neuer steht einer der besten Torhüter der Welt im Kasten, Holger Badstuber und Jerome Boateng bilden ein starkes Innenverteidiger-Duo und mit der Verpflichtung von Dante wird das Abwehrzentrum sinnvoll ergänzt.

David Alaba ist mit 19 Jahren schon auf dem besten Weg, Publikumsliebling zu werden. Der Österreicher rechtfertigt das Vertrauen von Heynckes bravourös und er bringt alles mit für eine große Karriere.

Toni Kroos hat unter seinem Förderer Heynckes den Sprung zum Führungsspieler geschafft und die mitunter launischen Stars Franck Ribery und Arjen Robben wollen noch lange beim FC Bayern bleiben. Und ganz vorne spielt ja noch der erfolgreichste Goalgetter seit dem Bomber.

Mario Gomez im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema