Kießling: "Mein Traum? Ein Titel mit Leverkusen"

Von Interview: Jochen Tittmar
Leverkusens Stefan Kießling (M.) kam im Hinspiel gegen Barcelona erst in der 77. Minute ins Spiel
© Getty

Stefan Kießling gastiert am Mittwochabend mit Bayer Leverkusen beim FC Barcelona zum Rückspiel im Achtelfinale der Champions League (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky). Im Interview spricht der 28-jährige Stürmer über den Auftritt im Camp Nou, die Unruhe in Leverkusen und seine Pläne für den Rest der Karriere.

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SPOX: Herr Kießling, Sie waren dieses Jahr mit Ihrer Familie an Karneval unterwegs, obwohl Sie nach eigener Aussage damit eigentlich nichts anfangen können. Haben Sie sich in den Menschenmassen überhaupt unerkannt bewegen können?

Stefan Kießling: Mit einem Kostüm geht das schon. Ich habe mich schon auch ein wenig versteckt. Ich mag das einfach nicht so richtig und habe mich diesmal wirklich überwunden. Ich habe für meinen Sohn Süßigkeiten gesammelt.

SPOX: Kurz zuvor wurden sportlich keine Geschenke verteilt. War das Hinspiel gegen Barcelona das erwartete Highlight?

Kießling: Natürlich. Die Stadt, der Verein - alle waren auf das Spiel fokussiert. Wir wollten eine gute Leistung abliefern. Auch wenn es nach dem Hinspiel jetzt schwer wird, kommt in Barcelona ja noch mal ein Highlight dazu. Wir wollen uns so teuer wie möglich verkaufen.

SPOX: Viele Möglichkeiten, im Camp Nou zu spielen, werden wohl nicht mehr kommen.

Kießling: Es wird natürlich schwer, im Rückspiel das Wunder zu schaffen, aber es muss nicht die letzte Chance gewesen sein. Vielleicht besteht irgendwann wieder die Möglichkeit. Wir wollen ja wieder in die Champions League einziehen.

SPOX: Barca-Coach Pep Guardiola wird wohl den einen oder anderen Star schonen. Schmälert das die Vorfreude?

Kießling: Nein. Es ist im Prinzip egal, wer bei denen aufläuft. Die haben eine richtig gute Mannschaft beisammen, so dass man sich da eher auf das gesamte Erlebnis freut. Wer letztlich spielt, können wir sowieso nicht beeinflussen.

SPOX: Die Katalanen gelten als beste Vereinsmannschaft der Welt. Wie macht sich das für Sie als Spieler während der Partie bemerkbar? Was können die, was andere nicht können?

Kießling: Jeder einzelne Spieler ist ungemein ballsicher, das ist schon extrem. Hinzu kommt die Spielintelligenz und Cleverness. Ihre Laufwege, wie sie die Räume frei spielen - das ist schon außergewöhnlich gut. Es bleibt wohl ihr Geheimnis, wie sie das alles trainieren.

SPOX: Sie persönlich standen in allen Gruppenspielen außer der bedeutungslosen Partie gegen Genk in der Bayer-Startelf. Gegen Barcelona im Hinspiel aber nicht. Warum?

Kießling: Für mich war es schon ein Schock, als ich am Morgen des Spiels erfahren habe, auf der Bank zu sitzen. Mir wurde erklärt, dass ich in dieser Saison noch nicht die Leistung abgerufen habe, die von mir erwartet wird. Da muss ich auch Selbstkritik üben.

SPOX: In der Liga geht Bayer die Konstanz ab, in der Champions League lief es dagegen prächtig. Woher kommt diese Diskrepanz?

Kießling: Wenn ein neuer Trainer kommt, braucht man immer eine gewisse Zeit, bis sich alles einpendelt. Wir hatten immer wieder Phasen, wo wir mit Verletzten zu kämpfen hatten und gezwungen waren, das System umzustellen.

SPOX: Als Jupp Heynckes 2009 nach Leverkusen kam, hatte das Team aber keinerlei Anlaufschwierigkeiten.

Kießling: Aktuell kommt natürlich hinzu, dass wir als Mannschaft oft nicht gut gespielt haben - ganz einfach. Es gibt immer mal Spielzeiten, in denen es nicht so super läuft und man nicht das abruft, was man eigentlich kann. Das ist halt auch menschlich.

SPOX: Potential hat die Mannschaft aber für deutlich mehr. Siehe der Sieg gegen den FC Bayern am Wochenende.

Kießling: Klar, wir haben wirklich große Qualität im Kader. Das konnte man nicht nur gegen die Bayern, sondern auch bei einigen anderen Siegen sehen. Wir müssen jetzt einfach schauen, dass wir die nächsten Spiele weiterhin so vernünftig angehen wie die Partie am Wochenende.

SPOX: Besonders auffällig ist in dieser Saison, dass rund um Bayer Leverkusen eine große Unruhe zu herrschen scheint.

Kießling: Als Spieler muss man mit dieser Unruhe einfach umgehen können, das gehört zu diesem Geschäft in gewissem Maße auch dazu. Ich glaube aber nicht, dass wir dadurch beeinflusst wurden.

SPOX: Als Spieler bleibt einem wohl sowieso nichts anderes übrig, als seiner Arbeit nachzugehen und darauf zu hoffen, dass schnell wieder bessere Zeiten anstehen.

Kießling: Im Prinzip ist es so, ja. Es hilft natürlich auch, in solchen Phasen den Medien keine allzu große Bedeutung beizumessen. Irgendwann platzt der Knoten schon wieder. Ich hoffe, dass der Sieg über die Bayern der Startschuss für einen erfolgreichen Saisonabschluss war.

SPOX: Sie sind gestandener Bundesligaprofi und nun mit 28 im sogenannten besten Fußballeralter. An welchem Punkt Ihrer Karriere sehen Sie sich?

Kießling: Naja, man sagt zwar immer, dass man mit 27 oder 28 im besten Fußballeralter sei, aber man geht ja immer so langsam in Rente. Ich fühle mich nicht so, dass ich in drei Jahren aufhören möchte. Auch wenn ich merke, dass ich schon einige Jahre auf dem Buckel habe. Für mich wäre es natürlich noch mal ein Traum, einen Titel mit Leverkusen zu holen. Ich bin ja jetzt auch schon länger hier (lacht).

SPOX: Sie kamen schon immer sehr bodenständig rüber und sind zudem bekennender Leverkusener. Viele Ihrer Teamkollegen wohnen jedoch in Köln. Warum fühlen Sie sich in der Stadt so wohl?

Kießling: Ich habe es nicht gern, weit weg vom Stadion zu wohnen. Darauf habe ich bei meinem Wechsel damals auch geachtet. Ich habe hier meine Frau kennengelernt, wir haben zusammen ein Kind bekommen und fühlen hier uns wirklich rundum wohl. Mehr steckt da nicht dahinter.

SPOX: Hört sich stark nach einem Karriereende in Leverkusen an.

Kießling: So weit sind meine Gedanken noch nicht. Fakt ist, dass ich mich hier absolut wohl fühle. Sowohl im Verein als auch in der Stadt. Aber man weiß ja nie, wie es im Fußball weitergeht, das Geschäft ist einfach ziemlich schnelllebig. Daher halte ich mich mit einer solchen Aussage auch lieber zurück.

SPOX: Was würde Sie denn reizen? Tottenham Hotspur hatte ja mal Interesse signalisiert.

Kießling: Ich habe mich damals kaum damit auseinandergesetzt. Mein Berater hat mir das gesagt. Es war natürlich eine Anerkennung für meine Leistungen, aber mehr war da nicht. Ich fühle mich einfach in Deutschland am wohlsten und hege derzeit keinerlei Wechselgedanken.

SPOX: Ihr alter Kumpel Patrick Helmes hat Leverkusen den Rücken gekehrt. In Wolfsburg scheint er aber nicht glücklich zu werden. Wie haben Sie die Situation um ihn zuletzt verfolgt?

Kießling: Ich habe ein paar Mal mit ihm gesprochen. Wenn man so herumgereicht wird und immer wieder zwischen den Amateuren und Profis pendelt, muss man erstmal damit umgehen können. Ich denke, er kriegt das ganz ordentlich hin. Zuletzt durfte er ja wieder kicken, das hat mich für ihn schon gefreut.

SPOX: Mit Helmes bildeten Sie ein überragendes Sturmduo. In dieser Saison liefen Sie meist als alleinige Spitze auf. Was ist Ihnen denn lieber?

Kießling: Wenn man einziger Stürmer ist, muss man sich die Räume selbst freimachen und die Wege gehen. In dieser Beziehung hat man es mit einem zweiten Stürmer natürlich leichter. Erst recht, wenn man sich gut kennt und die Abstimmung klappt. Daher bevorzuge ich es schon, mit einem Nebenmann aufzulaufen.

SPOX: Weiß das Robin Dutt?

Kießling: Ja, klar (lacht). Wir haben ja auch manchmal mit Eren Derdiyok und mir gespielt. Oder mit Renato Augusto, der zwar nominell kein Stürmer ist, aber dann sozusagen um mich herum spielt.

SPOX: Sie haben jetzt in 24 Saisonspielen sieben Tore geschossen. Schielen Sie eigentlich noch in Richtung EM-Teilnahme?

Kießling: Darüber mache ich mir aktuell überhaupt keine Gedanken. Damit würde ich mich nur verrückt machen und das bringt dann gar nichts. Es gibt keinen neuen Stand.

Stefan Kießling im Steckbrief

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