Premier League droht historischer Kollaps

Von Marcus Blumberg
Andre Villas-Boas hatte mit Ashley Cole vor dem Spiel in Neapel "eine Konversation" über die Taktik
© Getty

Mit teminternen Streitereien und einer desolaten Leistung setzte der FC Chelsea mit dem 1:3 in Neapel einen Trend fort: Englands Ausnahmestellung wackelt. Samir Nasri, der mit Manchester City gegen den FC Porto ums Weiterkommen in der Europa League kämpft (17.45 Uhr im LIVE-TICKER), will den Grund erkannt haben.

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Schon vor dem 1:3 im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals bei SSC Neapel wurde in englischen Medien emsig über Trainer Andre Villas-Boas spekuliert. Was passiert bei einer Niederlage? Dieser Fall ist nun eingetreten und die Luft wird dünner für den Portugiesen.

Mit seiner Aufstellung am Dienstagabend gab er den Kritikern neues Futter: Etablierte Stammkräfte wie Frank Lampard oder Ashley Cole saßen nur auf der Bank. Wie jetzt bekannt wurde, waren es eben diese beiden, die den Trainer vor dem Anpfiff offen kritisierten.

"Konversation" vor dem Spiel

Die "Sun" will erfahren haben, dass Cole die Taktik des Trainers anprangerte: "Ich kam hier her, um Medaillen und Trophäen zu gewinnen, aber das werde ich nie schaffen mit Ihrer Taktik", soll er gesagt haben. Außerdem fühlt er sich taktisch zu sehr eingeengt, "wie ein Roboter", da ihm Villas-Boas genaue Vorgaben mache, wie er zu spielen habe und ihm keinerlei Freiräume lasse.

Die Reaktion ist bekannt: AVB setzte die Unruhestifter inklusive Michael Essien auf die Bank. Der Coach soll Cole vorgeworfen haben, dass der aus einer sachlichen eine "persönliche" Diskussion gemacht habe.

Der Trainer selbst wollte sich zum Vorfall vor dem Spiel nur bedingt äußern, gab aber zu: "Ich hatte eine Konversation mit Ashley und Frank." Die Attacke der Spieler spielte er runter: "Weil sie die Spieler sind, die sie eben sind und mit der Erfahrung, die sie haben, hatten sie das Gefühl, dass sie dem Team helfen könnten. Das ist absolut verständlich."

AVB zeigt Verständnis

"Natürlich waren sie enttäuscht, aber sie müssen meine Entscheidungen akzeptieren und nach vorn schauen", macht Villas-Boas aber klar. Was seine persönliche Position anbelangt, sagte er nur, dass er davon ausgehe, auch beim Rückspiel auf der Bank zu sitzen. In diesem Spiel müssen "ein paar Dinge besser werden". Seinen Optimismus hat er jedoch nicht verloren, denn "es ist nicht unmöglich, ein 3:1 umzudrehen".

Für den Trainer spricht in jedem Fall, dass nicht alle Spieler gegen ihn sind. Torhüter Petr Cech etwa steht zum Trainer: "Wir wissen, dass er weiter hart für uns arbeiten wird. Er bereitet jedes Spiel mit 100 Prozent Einsatz vor und wir als Spieler erkennen das an." Cech kritisierte indirekt seine Kollegen: "Wenn aber Spieler auf dem Feld Fehler machen, kann Villas-Boas auch nichts machen."

Ferguson: Zu viel Rotation?

Nach vorn schauen ist wohl auch die Marschroute für die restlichen englischen Teams, die im Sommer in die Champions-League gestartet waren. Arsenal hat sich beim AC Milan durch eine 0:4-Niederlage im Hinspiel so gut wie sicher verabschiedet. Die zwei Klubs aus Manchester sind schon in der Gruppenphase gescheitert.

Bei United gab sich Trainer Sir Alex Ferguson selbstkritisch und gab zu, dass er vielleicht besser nicht so viel rotiert hätte: "Früher war es in der Gruppenphase kein Problem für uns, das Team durchzuwechseln, weil wir Zuhause eine Macht waren. Aber diesmal haben wir es gegen Basel weggeschmissen und spielten unglücklich gegen Benfica. Deswegen mussten wir bezahlen. Wenn alle Spieler wieder an Bord sind, werde ich ab jetzt immer die beste Elf in jedem Wettbewerb aufstellen."

Nasri: Man muss auch mal "hässlich gewinnen"

City wiederum scheiterte bereits in der Gruppenphase an Neapel. Ein Schicksal, das auch Chelsea bevorsteht. Allerdings will man bei ManCity zumindest schon mal erkannt haben, wo das Problem liegt. Der ehemalige Arsenal-Spieler Samir Nasri kam zur Erkenntnis: "Manchmal ist es gut, hässlich zu gewinnen." Eine Idee, die sicherlich nicht auf Gegenliebe bei seinem früheren Trainer Arsene Wenger stößt.

Zu Arsenal gab er auch eine Einschätzung gegenüber "The Independent" ab. "Man muss nicht immer guten Fußball spielen, um zu gewinnen. Arsenal spielt immer guten Fußball, aber in den letzten sieben Jahren haben sie nichts gewonnen", so Nasri weiter. Allerdings vertraut er auf Wenger, die Gunners wieder in die Spur zu bringen: "Der Trainer hat eine gute Philosophie. Ich weiß, dass sie eine Lösung finden werden."

Historischer Kollaps droht

Wie auch immer: Der englischen Premier League droht nun ein historischer Kollaps. Erstmals seit der Saison 1995/96 könnte es ein Viertelfinale der Champions League ohne Beteiligung der vermeintlichen Topliga Europas geben. In der Europa League sind mit City, United und Stoke City noch drei Mansnchaften vertreten, aber zumindest dem Team von Robert Huth droht nach der 0:1-Hinspiel-Niederlage gegen Valencia ebenfalls das Aus.

City könnte mit einem Weiterkommen gegen den FC Porto (17.45 Uhr im LIVE-TICKER), das Hinspiel ging 2:1 für die Engländer aus, ein wenig von der Ehre retten.

Überholt Spanien England?

Die schwache Saison der englischen Klubs schadet nicht nur dem Ansehen der Premier League. Sie hat auch Einfluss auf die Fünfjahreswertung der UEFA, die maßgeblich ist für die Vergabe der Europacup-Plätze.

Derzeit führt dort England mit ordentlichem Vorsprung von fast sieben Punkten auf Spanien. Allerdings wird der Primera Division in der kommenden Saison ein um vier Punkte schlechteres Ergebnis aus der Saison 2007/08 abgezogen. Zudem haben sie für diese Saison mit Real Madrid, dem FC Barcelona (beide CL) sowie dem FC Valencia, Athletic Bilbao und Atletico Madrid (alle EL) einige Eisen im Feuer.

Der Vorsprung könnte also weiter schmelzen und Spanien ziemlich bald die Führung im Ranking übernehmen.

Sportliche Konsequenzen hätte das für die englische Liga allerdings kaum, denn die ersten drei Plätze garantieren maximal vier CL-Startplätze und bis auf den Vierten Italien ist der Abstand immer noch äußerst komfortabel.

Die englische Premier League im Überblick

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