FCB: Respekt - aber noch mehr Selbstvertrauen

Von Florian Bogner
Toni Kroos (l.) erzielte im Hinspiel den Treffer zur 1:0-Führung für die Münchner Bayern
© Getty

Der FC Bayern München geht mit breiter Brust ins Champions-League-Spiel gegen den SSC Neapel (20.45 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky). Der Umgang mit Napolis 3-4-2-1-System wird dabei in München noch interessanter als im Hinspiel.

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Nein, allzu große Sorgen braucht sich Jupp Heynckes angesichts der Wahnsinnserie von 33:0 Toren in den letzten acht Pflichtheimspielen vor dem Spiel gegen den SSC Neapel freilich nicht zu machen - zumal Napoli als Champions-League-Greenhorn anreist und in sechs Auftritten in Deutschland noch nicht mal zu Maradonas Glanzzeiten gewinnen konnte.

Der Bayern-Trainer weiß vielmehr, dass sich der FCB dieser Tage eigentlich nur selbst schlagen kann. Mit fahrlässiger Chancenverwertung, mangelnder Laufbereitschaft oder lässiger Zweikampfführung, zum Beispiel. Vom atypischen 3-4-2-1 der Italiener will sich der Coach nicht beirren lassen, auch wenn es einige interessante Aufgaben für den deutschen Rekordmeister birgt.

"Wir richten uns nicht nach anderen Mannschaften", verneinte Heynckes am Dienstag die Frage nach besonderen Maßnahmen gegen die Neapolitaner: "Der FC Bayern ist so dominant, andere Mannschaften richten sich nach uns." Ein bisschen Säbelrasseln schwang da natürlich mit.

Ein ständiger Balanceakt

Was Heynckes natürlich sehr wohl weiß: Ein Spiel 4-2-3-1 (Bayern) gegen 3-4-2-1 (Neapel) ist ein ständiger Balanceakt, der in einem Münchner Heimspiel aufgrund der offensiveren Spielweise des FCB im Vergleich zum Hinspiel noch heikler werden könnte. Stichwort: Konteranfälligkeit.

Toni Kroos ging am Dienstag mehr ins Detail, indem er gestand, dass ihm die Aufstellung des SSC mit Dreierabwehr und einem Mann mehr im Mittelfeld schon ein wenig Unbehagen bereite.

"Ihre Außenspieler sind weder äußere Stürmer, noch Außenverteidiger, sondern irgendetwas dazwischen", weiß der 21-Jährige aus dem Hinspiel (1:1) über Christian Maggio und Camilo Zuniga zu berichten.

Das mache es laut Kroos schwierig, sich "darauf einzustellen, wer wen zu decken hat". Im Hinspiel führte so eine Unstimmigkeit im Deckungsverbund in der Tat zum Gegentor durch Holger Badstubers Eigentor. Philipp Lahm war aufgrund einer Unterzahlsituation im Zentrum auf Marek Hamsik nach innen eingerückt und hatte so die Außenbahn dem Torvorbereiter Maggio preisgegeben.

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Lahm: "Wir sind gewarnt"

"Sie sind sehr laufstark und aggressiv, ihr ungewöhnliches System und ihre bissige Spielweise machen sie auch für uns gefährlich", schloss Heynckes aus der Beobachtung der letzten Napoli-Spiele.

Das primäre Ziel in einem 3-4-2-1 ist es zweifelsohne, bei Ballgewinn schnell Überzahl im Mittelfeld zu schaffen, wenn möglich sogar tief in des Gegners Hälfte. Durch das konsequente Aufrücken der Außenspieler wird ein 3-4-3 erschaffen, in dem bis zu fünf Spieler vor dem Ball auf Anspiele lauern.

"Ihre größte Stärke ist die enorm hohe Laufbereitschaft. Diese Mannschaft investiert viel für den Erfolg, hat in der Offensive exzellente Spieler. Deshalb sind wir gewarnt", sagt Philipp Lahm.

Die Angreifer Marek Hamsik, Edinson Cavani und Ezequiel Lavezzi sind dabei echte Konterwaffen, wie in dieser Saison schon Manchester City (1:1) und Inter Mailand (0:3) erfahren durften.

Nerlinger: "Auswärts noch stärker"

"Ich halte Neapel auswärts für noch stärker, weil sie vorne Spielertypen mit sehr viel individueller Klasse haben. Neapel wird das Spiel nicht offen gestalten, sondern kompakt agieren. Es wird ein schweres Spiel", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger bereits am Samstag.

Den Münchner Außen - höchstwahrscheinlich wieder Jerome Boateng und Philipp Lahm - sowie dem zentralen Dreierverbund aus den Sechsern und "Zehner" Kroos kommt so in der Rückwärtsbewegung eine entscheidende Rolle zu. Eine Überzahl der Italiener soll, wenn möglich, vermieden werden.

"Im Hinspiel haben wir das recht ordentlich gemacht und wenig zugelassen. Trotzdem ist das auch eine kleine Gefahr, weil das System für uns ungewohnt ist", schloss Kroos die Beweisführung ab.

Nur vier Schüsse aufs Tor in drei Spielen

Auf der anderen Seite hat Napoli in dieser Saison aber auch noch keinen Gegner konsequent überrannt. In der Champions League ist man mit nur vier aufs Tor abgegebenen Schüssen sogar das ungefährlichste Team, im Hinspiel musste Manuel Neuer nicht einen Ball parieren.

In der Rückwärtsbewegung hat die Dreierkette zudem Nachteile bei schnellen Spielverlagerungen, weil immer einer der Außen mit einrücken muss, um defensiv herkömmlich mit vier Mann verteidigen zu können.

Toni Kroos ist zudem mit seinem leicht linkslastigen Spiel prädestiniert dazu, das eventuell entstehende Loch hinter dem offensivstarken Maggio gemeinsam mit Franck Ribery konsequent auszunutzen.

Im Hinspiel kamen die Münchner mit gutem Passspiel zudem oft in den Rücken der Sechser, spielten dann aber die Situationen zentral vor dem Tor nicht konsequent aus. Wenn Kroos und Müller dann noch konsequenter in die Lücken der Dreierkette stoßen, der in Paolo Cannavaro (Gelbsperre) auch noch der wichtigste Mann fehlt, ist Napoli leicht auszuhebeln.

Napoli: Miese Passquote im Hinspiel

In Hinspiel habe man bereits gesehen, "dass man gegen einen Gegner in einem solchen System zu Torchancen kommen kann und ich denke, wir sind jetzt noch besser darauf eingestellt als vor zwei Wochen", sagte Lahm.

Wichtig wird vor allem, die schnellen Zuspiele des SSC in die Offensive zu unterbinden, was im Hinspiel hervorragend gelang. Damals hatten bei Napoli nur die drei Verteidiger und Torwart Morgan De Sanctis eine erfolgreiche Passquote von über 80 Prozent. Bei Bayern waren es hingegen sieben Spieler, die diesen Wert erreichten.

Vertrauen auf die eigene Stärke ist deshalb so was wie die erste Bürgerpflicht der Münchner. "Die Mannschaft spielt exzellent, hat eine sehr gute Raumaufteilung, ist sehr ball- und passsicher", freute sich Karl-Heinz Rummenigge nach dem jüngsten 4:0-Erfolg über den 1. FC Nürnberg.

"Künstler" Heynckes großspurig

Uli Hoeneß meinte sogar, man müsse Jupp Heynckes dafür dankbar sein, dass er "Fußball zur Kunst erhoben hat". Er freue sich jedes Mal, ins Stadion zu gehen, sagte der Präsident. Ein Umstand, den auch Heynckes so empfindet.

Von Demut hatte Heynckes' Aussage am Dienstag nämlich nicht viel, eher was von überbordendem Selbstvertrauen.

"Der FC Bayern spielt zurzeit einen ungewöhnlich guten Fußball", stellte der Übungsleiter fest. Und: "Meine Mannschaft kann Rhythmus und Tempo variieren - das können nur die ganz Großen."

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