Rafael Benitez und der schleichende Wandel

Von Christian Bernhard
Rafael Benitez übernahm nach sechs Jahren Liverpool im Sommer den Trainer-Stuhl bei Inter Mailand.
© Getty

In der letzten Saison holte Inter Mailand das Triple - unter Trainer Jose Mourinho. Nun heißt der Coach der Nerazzurri Rafael Benitez. Der Spanier gibt sich bescheiden und lobt seine Vorgänger. Hinter verschlossenen Türen bastelt er allerdings an einem neuen System.

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Es gibt wahrlich einfachere Aufgaben im Profisport als jene, die Rafael Benitez aus Madrid in diesem Sommer übernommen hat. Champions League, Meisterschaft und Pokal hatte Inter Mailand unter Jose Mourinho vergangene Saison eingefahren - nun soll der Spanier das Team zu weiteren Triumphen führen.

Benitez weiß das und gab deshalb zu Beginn seines Inter-Abenteuers gleich eine neue Maxime aus: Nicht nur erfolgreich, sondern auch schön spielen: "Es gibt verschiedene Arten, Fußball zu spielen. Meine Mentalität beruht darauf, erfolgreich zu sein, in dem man einen schönen Fußball spielt."

Das gelang dem Spanier zu Beginn recht gut, denn der Liga-Start war verheißungsvoll. Nach einem müden 0:0 in Bologna gewannen die Nerazzurri drei Spiele in Serie und grüßten bereits nach vier Spieltagen wieder von der Tabellenspitze.

"Die Mannschaft und ich sind jetzt auf einer Wellenlänge. Seit ein paar Wochen verstehen die Spieler, was ich von ihnen im Training verlange und wozu es gut ist. Die Zusammenarbeit ist besser geworden und jetzt sieht man die Fortschritte", sagte ein sichtlich zufriedener Benitez nach dem 4:0-Sieg über Bari.

Doch auch für den Triple-Sieger gilt: Fußball ist ein Tagesgeschäft - und das bekamen die Mailänder nur wenige Tage später nach der 0:1-Pleite in Rom zu spüren. 90 Minuten und das Tor von Mirko Vucenic in der Nachspielzeit hatten gereicht, um das Blatt zu wenden.

Eto'o agiert deutlich offensiver

Inter fehle die Dominanz der vergangenen Saison, der unbedingte Wille, die Aufopferungsbereitschaft der Spieler, so der Tenor der Journaille.

Eine Szene stand dafür stellvertretend: Kurz vor dem Halbzeitpfiff wandte sich Christian Chivu an die Inter-Bank und rief: "Wenn er mir nicht in der Defensive hilft, verlasse ich den Platz".

Mit er war Samuel Eto'o gemeint, Chivus Partner auf der linken Seite. Der Kameruner hatte bereits im Sommer durchklingen lassen, dass er wieder im Sturm spielen und sich nicht mehr so viel in der Defensive aufreiben möchte, wie noch unter Mourinho.

Benitez hielt am 4-2-3-1-System fest, stattete Eto'o aber mit mehr Freiheiten in der Offensive und weniger Verpflichtungen in der Defensive aus. Die Folge: Eto'o trifft viel häufiger als im Vorjahr (bereits achtmal in den ersten acht Saisonpartien), lässt hinter sich aber auch größere Lücken.

Benitez: "Eto'o ist nicht ein Problem, sondern eine Lösung"

Benitez nahm das Ganze gelassen hin: "Eto'o ist nicht ein Problem, sondern eine Lösung. Diese Szene haben wir intern bereits aufgearbeitet, solche Dinge passieren auf dem Platz."

Der Spanier weiß, dass er ein Team in seinen Händen hat, das sich über Jahre konstant weiter entwickelt hat und stellt sich - anders als sein Vorgänger - alles andere als in den Mittelpunkt: "Diese Mannschaft profitiert immer noch von der tollen Arbeit von Hector Cuper, Roberto Mancini und Jose Mourinho. Diese Arbeit hat das Team von Tag zu Tag besser gemacht. Das ist nicht die Mannschaft von Benitez, sondern die des Vereins, der Spieler und der Fans."

Benitez ließ aber bereits mehrfach durchblicken, dass er diesem Team seinen Stempel aufdrücken möchte. Laut der "Gazzetta dello Sport" arbeitet der 50-Jährige hinter verschlossenen Türen bereits länger an einem Wechsel hin zum 4-3-1-2-System mit Wesley Sneijder als klassischem Spielmacher hinter den zwei Spitzen Eto'o und Diego Milito.

Systemwechsel wird Schritt für Schritt vollzogen

"Es ist nicht einfach, eine Mannschaft zu verbessern, die alles gewonnen hat, aber wir arbeiten daran. Alles umzuschmeißen, wäre wenig intelligent", hatte Benitez bereits an seinem ersten Arbeitstag in Mailand verkündet. Schritt für Schritt soll der Systemwechsel aber dann doch vollzogen werden.

Bis es so weit ist, bleibt Benitez seinem Gemüt entsprechend seelenruhig und freundlich. Als einige deutsche Journalisten auf der Pressekonferenz am Dienstag das Wort Krise in Zusammenhang mit Inter in den Mund nahmen, antwortete Benitez lächelnd: "Krise? Wenn ich auf die Tabelle schaue, sehe ich keine Krise."

Benitez' Aufgabe ist sicher nicht einfach, aber es gibt mit Sicherheit schlimmere Arbeitsplätze für einen Fußball-Trainer.

Rafael Benitez im Steckbrief