Die Rückkehr des Schalke-Fußballs

Von Haruka Gruber
Felix Magath trainiert den FC Schalke 04 in der zweiten Saison
© Getty

Felix Magath träumte vom Offensiv-Spektakel - doch mit dem Philosophiewechsel ging die Schalker Krise einher. Vor dem Champions-League-Auftakt bei Olympique Lyon (Di., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) zieht er die Notbremse.

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Bei jedem anderen Bundesliga-Trainer wäre es als Überreaktion gedeutet worden. Als Zeichen von Panik und Schwäche angesichts des Fehlstarts.

Das Abrücken von der flachen 4-4-2 zum 4-2-3-1, die teils kurios anmutenden Aufstellungen, das öffentliche Anprangern und die folgende Entmachtung des neu verpflichteten Abwehrchefs: Der Verdacht des blinden Aktionismus liegt nahe - würde der Trainer nicht Felix Magath heißen.

Seit dem Abstiegsjahr 1987 hat der FC Schalke 04 zu Saisonbeginn nicht mehr dreimal verloren. Welch Dramatik dahinter steckt, verdeutlicht eine Statistik: Nach drei Niederlagen in den ersten drei Partien gelang es in der Bundesliga-Geschichte erst drei Mannschaften, die Saison besser als Platz zehn zu beenden.

Ein Verpassen der Champions League im kommenden Jahr würde jedoch die Grundfesten des Vereins erschüttern, da die finanzielle Konsolidierung eng mit den kalkulierten Einnahmen aus dem Wettbewerb verknüpft ist. Dementsprechend entscheidend ist vor dem Auftakt der Königsklasse bei Olympique Lyon (Di., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) die Suche nach den Gründen für die Krise: Welche Fehler begeht Magath?

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Unberechenbarkeit und harte Hand als Erfolgsrezept

Zumindest kann ihm eines nicht vorgeworfen werden: Dass er die Ruhe verliert. Vielmehr gehört es zu Magaths seit Jahren kultivierten Wesenszügen, seine Taktik von Spiel zu Spiel zu verändern, Spieler auf ungewohnten Positionen aufzubieten oder Führungskräfte öffentlich zu demontieren, um sie so zu Höchstleistungen zu treiben.

Nur zur Erinnerung: Letzte Saison verlief nur so erfolgreich, weil sich die Gegner nur schwer auf Schalke einstellen konnten. Mal setzte Magath auf ein 4-3-3 mit zwei oder einem Sechser, mal auf ein 4-4-2 mit Raute oder Doppelsechs, mal auf ein 4-2-3-1. Plötzlich agierte der defensive Mittelfeldspieler Peer Kluge als verkappte hängende Spitze oder Rechtsverteidiger Rafinha hinten links.

Und die letztjährige Leistungssteigerung von Kevin Kuranyi und Jefferson Farfan ist nur mit der teils rüden, aber offenbar wirksamen Kritik Magaths an ihnen zu erklären. Daher ist auch seine harte Gangart gegenüber Christoph Metzelder plausibel.

Die Neuerfindung des Schalke-Fußballs

Es ist demnach wenig erstaunlich, dass Magath auch in dieser Saison an seinem bewährten und von Pragmatismus geprägten Coachingstil festhält.

In einem zentralen Punkt jedoch versuchte sich Magath an etwas Neuem - und scheint dabei die Fähigkeiten seiner Spieler überschätzt zu haben: Die Neuerfindung des Schalke-Fußballs.

Seit Jahren definierte sich die Mannschaft über die Verteidigung und die Zerstörung des gegnerischen Spiels. Eine Herangehensweise, die weitgehend erfolgreich war, jedoch nicht Magaths Ansprüchen genügt.

Felix Magath: "Das ist grundsätzlich nicht meine Welt!"

"Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich spielerisch mit unseren Auftritten oftmals nicht zufrieden war. Wir wollen nicht nur erfolgreichen, sondern zukünftig auch attraktiveren Fußball spielen", kündigte Magath einen Philosophiewechsel für diese Saison an.

Im Februar erklärte er bereits: "Ich grüble ständig, wie wir mehr spielerischen Glanz reinbringen. Wir stehen zu tief, spielen zu passiv und zu wenig nach vorne. So wie es Schalke schon seit Jahren macht. Das ist grundsätzlich nicht meine Welt!"

Magath weiter: "Doch wir können die Mannschaft nicht von heute und auf morgen völlig umkrempeln. Dafür brauchen wir viel Zeit und andere Spielertypen."

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Mannschaft erst sehr spät komplett

Mit Raul, Klaas-Jan Huntelaar oder Jose Manuel Jurado verfügt er nun über die gewünschten Spielertypen - doch was Magath im Sommer fehlte, war die Zeit.

Wegen der Querelen mit Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies um das zur Verfügung stehende Transferbudget konnte Schalke wesentlich später als die Konkurrenz einkaufen, was Magath Mühe bereitete, erst die gewünschten Spieler zu verpflichten und sie daraufhin in die Vorbereitung zu integrieren. Die Schüsselspieler Huntelaar und Jurado kamen sogar erst nach dem Saisonstart.

Dass Schalke trotz der sehr spät zusammengestellten Mannschaft phasenweise attraktiveren Fußball spielt als in der Vorsaison, ist ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft. "Ich habe in Hoffenheim eine deutliche spielerische Steigerung gesehen. Es gibt Fortschritte", sagt Magath.

Priorität: Defensive stabilisieren

Doch auch er sieht offenbar ein, dass der ambitionierte Wandel hin zu einem ansehnlichen Fußball auf Kosten der Verteidigung ging. Es gibt keine Routinen mehr, das Umschalten funktioniert nur mangelhaft und die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen werden nicht gehalten. Es fehlt die Balance.

Die Spieler wirken ob der neuen Marschroute und den zahlreichen Zugängen schlichtweg überfordert, deswegen schließt Magath für das Lyon-Spiel auch aus, dass der neue Spielmacher Jurado in der Startelf steht.

Denn: "Wir können keinen Hurra-Fußball spielen. Wir müssen vorrangig unsere Defensive stabilisieren und uns ein Erfolgserlebnis erkämpfen."

Voraussichtlichen Aufstellungen:

Lyon: Lloris - Reveillere, Diakhate, Lovren, Kolodziejczak - Toulalan, Makoun - Briand, Gourcuff, Bastos - Lisandro

Schalke: Neuer - Sarpei, Höwedes, Plestan, Schmitz - Jones - Moritz, Rakitic - Farfan, Huntelaar, Raul

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