Camp Nou: Ein einziger Schrei

Von Andreas Lehner
Das Camp Nou ist das größte Fußball-Stadion Spaniens
© Imago

Barca-Verteidiger Gerard Pique erwartet gegen Inter Mailand (20.30 Uhr im LIVE-TICKERund auf Sky) das beste Camp Nou aller Zeiten. Das Finale beim Erzrivalen in Madrid ist das Ziel. Inter-Trainer Jose Mourinho sieht in dieser Besessenheit eine Chance. Barca-Trainer Pep Guardiola ermahnt seine Spieler, sie selbst zu sein.

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Gut, dass der FC Barcelona am Samstag spielen durfte. Nicht weil die Katalanen einen wichtigen Sieg im Meisterschaftsrennen über den Tabellenletzten CD Xerez feiern konnten, sondern weil sie die Möglichkeit hatten, eine Botschaft zu senden. An die Fans, an Inter Mailand, ja an die ganze Welt.

Praktisch mit Schlusspfiff hatten sich die Barca-Spieler schon schwarze T-Shirts übergestreift, auf denen sinngemäß stand: "Wir werden unsere Haut opfern". Und: "Mittwoch um acht, kommt alle zum Camp Nou! Mit Euren blau-roten Trikots".

Die Stadt ist voll mit den Plakaten der Kampagne, die unter dem Motto "Remuntada" (Aufholjagd) steht. Seit Tagen laufen die Menschen nurmehr in ihren Barca-Trikots durch die Straßen.

Das beste Camp Nou aller Zeiten

Am Mittwoch sollen sie schon 45 Minuten vor Spielbeginn das Stadion füllen und die Inter-Spieler beim Warmmachen das Fürchten lehren. Leute mit Motorrad oder Roller sind aufgefordert, den Bus um 18 Uhr per Korso zum Stadion zu begleiten. Das Stadion wird eine bombastische Choreographie in blau, rot und gelb erleben.

Verteidiger Gerard Pique, in Barcelona geboren und vom ersten Tag an Barca-Mitglied, kann sich nicht daran erinnern, dass die Fans schon jemals so heiß auf ein Spiel gewesen wären. "Wir werden das beste Camp Nou aller Zeiten erleben. Die Inter-Spieler werden sich ganz alleine fühlen. Sie müssen 90 Minuten lang den Fußball hassen."

Mourinho: Barca ist besessen von Madrid

Die Stadt ist elektrisiert, die Hoffnungen auf den zweiten Finaleinzug in Folge sind groß - trotz des 1:3 im Hinspiel im San Siro. Mehr als der Reiz, die erste Mannschaft in der Geschichte der Champions League zu sein, die ihren Titel verteidigt, lockt aber noch der Ort des Endspiels: Madrid, Estadio Santiago Bernabeu.

Zuletzt konnte Barca 1997 einen Pokal im Stadion des verhassten Erzrivalen in die Höhe stemmen - die Copa del Rey. Der heutige Inter-Trainer Jose Mourinho war als Übersetzer des damaligen Barca-Trainers Bobby Robson dabei und leitet aus dieser Erfahrung einen kleinen Vorteil für sein Team ab.

"Uns tatsächlich für das Finale zu qualifizieren, ist ein Traum, ob es nun in Madrid oder London stattfindet. Aber für Barca ist es eine Obsession ihres Antimadridismo", sagte Mourinho am Dienstag. Er hofft, dass diese Besessenheit Barcas Spiel aus der Ruhe bringt und die Begeisterung Nervosität weicht, falls das Team nicht früh in Führung geht. 90.000 Fanatische können das Team nach vorne peitschen, 90.000 Zaudernde können es lähmen.

Mourinhos Hoffnung ist Guardiolas Angst

In der Vorrunde gastierte Inter schon einmal im Camp Nou. Auch dieses Spiel musste Barca unbedingt gewinnen. Nach 26 Minuten stand es 2:0. Mit diesem Ergebnis wäre die Mission erfüllt. Aber die Voraussetzungen sind ungewohnt für Xavi, Messi und Co..

Noch nie verlor das Team unter Trainer Pep Guardiola mit zwei Toren Unterschied und noch nie musste es in einem K.o-Spiel in der Champions League einem Rückstand hinterherlaufen. Nur im spanischen Pokal ging Barca bisher mit der Hypothek einer Niederlage in ein Rückspiel. Gegen den FC Sevilla stand in dieser Saison am Ende das Aus.

Mourinhos Hoffnung ist Guardiolas Angst. Die Angst, dass sein Team sich von der Atmosphäre treiben lässt und die Grundidee des Barca-Spiels von geduldigem Pass- und Positionsspiel aus den Köpfen verliert.

"Wir können nur weiterkommen, wenn wir wir selbst sind. Das ist das einzige Ziel", sagte Guardiola. Auf die Frage, welches Auftreten er dann von seiner Mannschaft sehen will, meinte Guardiola: "Sehr gut Fußball spielen, viel arbeiten, den Ball in unseren Reihen halten, ihn auf einfache Weise laufen lassen und so viel wie möglich attackieren. Das, was wir halt immer machen."

Keine Tore gegen ManUtd und Chelsea

Guardiola ist bemüht, Ruhe auszustrahlen und diese auch auf seine Mannschaft zu übertragen. Nur so kann sie den stabilen Abwehrriegel von Inter knacken, der sie im Hinspiel immer wieder abblockte und wie ein Katapult gefährliche Gegenangriffe produzierte.

In den letzten beiden Jahren gelang es Barca in den Halbfinalspielen gegen Manchester United und Chelsea nicht, im Camp Nou ein Tor zu erzielen. Beide Spiele endeten 0:0. Aber dieses Mal ist es ein Rückspiel. Eine Partie, die auch die Geschichte des Hinspiels trägt.

Dort fühlten sich die Katalanen verschaukelt, von einem Schiedsrichter aus Portugal. Einem Landsmann Mourinhos, dem die katalanische Presse sogleich ein Freundschafts- und Geschäftsverhältnis mit dem Inter-Coach andichtete.

Hassobjekte: Mourinho und Figo

Portugal, der Heimat von Inters Botschafter Luis Figo, der es einst wagte, die Kapitänsbinde in Barcelona abzulegen und nach Madrid zu wechseln. Ihm flogen bei seinen späteren Besuchen allerhand Gegenstände, von Handys bis hin zu einem Schweinskopf, um die Ohren.

Auch Mourinho ist trotz seiner Barca-Vergangenheit nicht sonderlich beliebt bei den Fans, weil er als Trainer Chelseas kaum eine Gelegenheit ausließ, um gegen Barca zu sticheln.

Hassobjekte gibt es für die Barca-Fans also genügend. Dazu die Aussicht, ihre Fahnen im Bernabeu zu schwenken und ihre Hymne zu singen. Tot el camp es un clam, heißen die ersten Zeilen. Das ganze Stadion ein einziger Schrei. Inter will, dass er in 90.000 Kehlen stecken bleibt.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

FC Barcelona: Victor Valdes - Dani Alves, Pique, Gabriel Milito, Abidal - Sergio Busquets, Xavi, Yaya Toure - Messi, Ibrahimovic, Pedro

Inter Mailand: Julio Cesar - Maicon, Samuel, Lucio, Zanetti - Cambiasso, Thiago Motta - Eto'o, Sneijder, Pandew - Diego Milito.

Schiedsrichter: Frank De Bleeckere (Belgien)

Hinspiel: Mourinhos Kämpfer überrumpeln Barca