Wie stark sind die Bayern wirklich?

Von SPOX
Der FC Bayern München verlor in dieser Saison zwei Bundesliga- und zwei CL-Spiele
© Getty

Der FC Bayern scheint in der Liga momentan unschlagbar und schießt Tore am Fließband. Am Mittwoch kommt es zur ersten Champions-League-Partie des Jahres gegen den AC Florenz (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und in Sat.1). Aber sind die Münchner wirklich so stark oder trügt der Schein? Fehlte es den Gegnern schlicht an Qualität? SPOX hat drei ehemalige Champions-League-Sieger sowie drei User nach ihrer Meinung befragt und gibt selbst eine Einschätzung ab.

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Thorsten Fink (2001 CL-Sieger mit dem FC Bayern): Die Bayern haben einen echten Lauf. Sie gewinnen wie selbstverständlich ihre Spiele. Es heißt jedes Jahr, dass dies der beste FC Bayern aller Zeiten ist. Davon halte ich nichts.

Die beste Mannschaft ist nicht diejenige, die am meisten kostet oder die die besten Einzelspieler hat, sondern diejenige, die sich untereinander am besten versteht, einen guten Charakter hat und sich mit dem Verein identifiziert. Eine solche Mannschaft hatten wir 2001. Aber nur zu diesem Zeitpunkt. Ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass die Bayern jemals noch einmal dreimal hintereinander den Europapokal holen.

Mit einem fitten Ribery ist noch mehr Potenzial vorhanden. Für van Gaal ist es optimal, dass auch Ribery gemerkt hat, dass die Bayern ohne ihn gewinnen können. Dann haut er sich nämlich auch richtig ins Zeug, wenn er spielt.

Van Gaal sagte ja bereits, dass er in den englischen Wochen rotieren wird. Das birgt zwar immer ein Risiko, aber es kann nicht jeder alle Spiele machen. Der zweite Anzug sollte passen, denn dafür haben sie den Kader angelegt. Früher haben wir ja unter Hitzfeld in diesen Wochen auch besonders rotiert.

Carsten Jancker (2001 CL-Sieger mit dem FC Bayern): Ich denke, dass der FC Bayern im Moment einen sehr guten Kader hat, der mit dem Spiel gegen Juventus zu einer Mannschaft geworden ist, in der man auch an den Trainer glaubt. Vorher wurde van Gaal in Frage gestellt, aber es hat halt seine Zeit gebraucht, bis aus dem Team eine Mannschaft geworden ist. Und natürlich kommt mit dem Erfolg auch das Selbstvertrauen.

Van Gaal hat die Qualität, sonst hätte er vorher nicht schon so viele Titel gesammelt. Er liefert die Aufstellung, die Mannschaft muss es umsetzen. Ich denke, dass sie mit van Gaal einen sehr guten Trainer geholt haben.

Spieler wie Badstuber und Müller haben ja jetzt auch viele Spiele am Stück gemacht und haben schon ihre Erfahrung. Natürlich noch nicht so viel wie ein Ribery oder ein van Bommel, aber mit jedem Spiel wird die mehr. Es ist manchmal auch gut, wenn man Unerfahrene im Team hat. Damals hat Owen Hargreaves auch 2001 im Finale gespielt und diese Unbekümmertheit hat ihm dazu verholfen, ein sehr gutes Spiel zu machen.

Alexander Zickler (2001 CL-Sieger mit dem FC Bayern): Die Bayern hatten zu Beginn der Saison Probleme. Aber das war zu erwarten, weil ein neuer Trainer und viele neue Spieler kamen. Da braucht es Zeit, bis die einzelnen Rädchen ineinander greifen.

Die Qualität war von Anfang an da und jetzt scheint van Gaal aus seinen Einzelspielern auch ein richtiges Team gebildet zu haben. Das System van Gaal greift immer mehr. Und wenn die Bayern mal ins Rollen kommen, sind sie schwer zu stoppen.

Wir hatten 2001 eine hervorragende Mannschaft und haben als Team sehr gut funktioniert. Die Qualität der Einzelspieler ist jetzt etwas höher als bei uns damals. Wir hatten Spieler wie Effenberg und Kahn, die absolute Spitze waren und die das Team mitgezogen haben. Es ist enorm wichtig, dass nicht elf Einzelgänger auf dem Platz stehen. Den Eindruck habe ich bei der aktuellen Mannschaft auch.

Aber sie sind erst am Anfang ihres Weges, die wichtigen Spiele kommen erst noch. Und wenn man die Bayern kennt, weiß man, dass sie sich nie mit einem zweiten Platz zufrieden geben. Wenn kontinuierlich weitergearbeitet wird, kann ich mir vorstellen, dass die Bayern in jedem Wettbewerb eine große Rolle spielen werden - auch in der Champions League.

User Siled: Der FC Bayern ist in sehr guter Form. Van Gaals System wird immer besser umgesetzt und zwischen Mannschaft und Trainer scheint es mittlerweile auch zu passen. Ich denke es ist sogar noch Luft nach oben, da Ribery noch lange nicht bei 100 Prozent ist und die Flügelzange mit Robben zu den besten in Europa zählt.

National sollte es dieses Jahr reichen, da man den besten Kader hat und trotz der Schwächephase zu Beginn der Saison punktgleich mit dem Tabellenführer Leverkusen ist.

Florenz sollte zu packen sein, danach wird man dann sehen, ob die Mannschaft schon so weit ist, um mit den ganz Großen mitzuhalten. Voraussetzung ist hier, dass man von Verletzungen verschont bleibt. Ein längerer Ausfall eines Defensivspielers ist nicht zu kompensieren, da Tymoschtschuk, Altintop, Lell, Görlitz oder Pranjic bisher nicht überzeugen konnten. Wenn alle fit sind, müssen sich die Bayern in Europa vor keiner Mannschaft verstecken.

User Voegi: Der FC Bayern hat sich unter van Gaal sichtbar weiter entwickelt. Stellvertretend dafür steht das von Lauffreude und Flexibilität geprägte Offensivspiel. Allein durch Robben erhält das Flügelspiel eine Qualität, die den FC Bayern auch international wettbewerbsfähig macht.

Umgekehrt muss man sich aber fragen, ob derzeit ein Ausfall Robbens überhaupt zu verkraften wäre. Eine Frage, die angesichts der Verletzungsanfälligkeit des Holländers jederzeit akut werden kann.

Das größte Problem ist und bleibt aber die Defensive. Martin Demichelis ist meilenweit von der Form entfernt, die ihn in der Saison 2007/08 zum besten Innenverteidiger der Liga machte. Dass er dennoch seinen Stammplatz sicher hat, zeigt, wie dünn der Kader in der Abwehr besetzt ist. Gerade in der Champions League könnte sich dieses Defizit negativ bemerkbar machen. National aber wird der FC Bayern das Maß aller Dinge sein und die Meisterschaft einfahren.

User Riesery: Bayern setzt die "Zwei-Säulen-Strategie" sehr gut um. Talente wie Badstuber und Müller werden in die erste Mannschaft integriert, auf der anderen Seite werden Stars wie Gomez oder Robben verpflichtet. Van Gaal hat nach  Startschwierigkeiten ein homogenes Team zusammengestellt, in dem jeder Spieler seinen Auftrag erfüllt.

Individuelle Klasse und taktische Disziplin führen dazu, dass der FC Bayern sich national nur selbst stoppen kann. Die Meisterschat ist angesichts der Transferausgaben Pflicht. Der Maßstab für die Münchner ist wie so oft die Champions League. Der FC Bayern zählt inzwischen zu Europas Elite. Robben und Ribery, die wahrscheinlich beste Flügelzange Europas, ist jederzeit in der Lage, zusammen mit Spielern wie Schweinsteiger, Gomez, Müller oder Olic jeder Abwehr der Welt Probleme zu bereiten.

Ein Fragezeichen steht hinter der Abwehr, die namentlich eher zweitklassig ist, aber aufgrund Ordnung und Disziplin den Mangel an individueller Klasse bis dato überdecken kann.

SPOX-Meinung: Louis van Gaal hat sich am Sonntag zum ersten Mal mit dem Gegner in der Champions League, dem AC Florenz, beschäftigt. Seine Spieler waren mit den Gedanken wohl schon länger bei den Italienern, so unkonzentriert agierten die Bayern in den letzten Spielen in Liga und Pokal.

Gegen die Fiorentina werden gedankenlose Fehlpässe und mangelhafte Zweikampfführung aber nicht so glimpflich ausgehen wie zuletzt, zumal Gegentore in einem K.o.-Spiel schwerer wiegen als in der Liga. Allerdings ist die Offensivmacht der Münchner so dominant, dass sie auch in Europa nur schwer zu stoppen sind. Der AC Florenz wird das zu spüren bekommen, so wie vorher schon Turin.

Mit Franck Ribery sind die Bayern offensiv natürlich noch mal eine Klasse stärker, lassen dafür die Ordnung in der Rückwärtsbewegung vermissen, die sie noch vor Wochen auszeichnete. Hat sich die Mannschaft aber an Ribery und Robben auf den Flügeln gewöhnt und die beiden Freigeister arbeiten gebührend in der Defensive mit, gibt es in Deutschland keinen Gegner und der FCB kann auch in der Champions League ganz weit kommen.

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