Celtic und Hinkel: Riesen in Liliput

Von Raphael Honigstein
Sein Name ist nicht Programm in Schottland: Marc-Antoine Fortune, Celtics Nr. 10
© Getty

Kein Geld, keine Stars, keine Konkurrenzfähigkeit: Der schottische Fußball befindet sich in einer schweren Krise, die selbst vor Celtic und den Rangers nicht Halt macht. Direkt betroffen davon ist auch der deutsche Nationalspieler Andreas Hinkel.

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Die Sommerpause bietet auch Fußballvereinen die Gelegenheit, sich im Abstand zum Alltag wieder selbst zu finden. Andreas Hinkel machte zusammen mit dem FC Celtic Mitte Juli so eine erholsame Erfahrung, als man für ein Freundschaftsspiel ans andere Ende der Welt flog.

"Wir spielten in Brisbane, in Australien, vor 30.000 Zuschauern, und 20.000 davon waren Celtic-Fans", berichtet der  27-Jährige, noch immer erstaunt.

"In solchen Momenten merkst du erst, wie groß dieser Klub wirklich ist."

Nationalteam aller Iren

Weit über die schottischen Landesgrenzen hinaus können die von armen katholischen Immigranten gegründeten Hoops, wie sie wegen den grünen Ringel-Trikots genannt werden, mit den Sympathien von Menschen mit irischer Herkunft rechnen.

Celtic ist so etwas wie die inoffizielle Nationalmannschaft der Exil-Iren in New York, London oder Melbourne, und auch auf dem indischen Subkontinent erfreut sich der Klub mit dem Kleeblatt im Wappen erstaunlicher Beliebtheit.

Wachstum fast unmöglich

"Der Verein passt eigentlich nicht in die schottische Liga", sagt Hinkel, der seit Januar 2009 als Stammspieler an der Clyde spielt.

Natürlich bringt das ewige Duell mit den Lokalrivalen Rangers das Land noch immer in Wallung, aber die Widersacher selbst sind nicht mehr froh über ihr "Old Firm"-Duopol auf dem winzigen Markt: die überschaubare Gesamtqualität der Scottish Premier League  macht Wachstum fast unmöglich.

Nichts als Pleiten im internationalen Vergleich

Nach dem Kollaps des Pay-TV-Senders "Setanta" im Juni erzielen die zwölf Vereine im Oberhaus nur noch 14,8 Millionen Euro im Jahr mit den Fernsehrechten. Der Standortnachteil macht sich zunehmend bemerkbar.

Falkirk, Aberdeen und Motherwell scheiterten diese Saison bereits in der ersten Qualifikationsrunde gegen den FC Vaduz, Sigma Olmütz und Steaua Bukarest; die Hearts of Midlothian kamen im Hinspiel der zweiten Runde 0:4 bei Dynamo Zagreb unter die Räder.

Die Nationalmannschaft verlor vor einer Woche in Norwegen ebenfalls 0:4 und ist in der WM-Qualifikation abgeschlagen. 2010 werden sich keine Dudelsackklänge unter die Vuvuzelas mischen.

Start in der 5. englischen Liga

Rangers-Trainer Walter Smith glaubt, dass nur die Teilnahme der beiden großen Glasgower Klubs in der englischen Premier League den schottischen Fußball retten kann: "Unser Niveau ist zu gut für die Liga. Wenn es so weiter geht, werden wir bald überhaupt keine Spitzenmannschaft mehr haben." Im Süden der Insel stoßen die Avancen der Old Firm aber auf wenig Gegenliebe.

Da die Premier League den Schotten hartnäckig die Türen verschließt, hat die "Times" vorgeschlagen, Celtic und Rangers in der fünften englischen Liga anzumelden. Nach vier Aufstiegen in Folge würde der Premier League  - auch mit Hinblick auf europäisches Recht -  nichts anderes übrig bleiben, als die beiden Teams zuzulassen, spekuliert das Blatt.

Endspiel in London

Dieser Weg durch die Instanzen aber würde den Klubs zu lange dauern, und Andreas Hinkel sowieso. Der Mann aus Backnang will unbedingt im nächsten Sommer zur Weltmeisterschaft und weiß, dass regelmäßige Bewährungsproben in der Champions League seine Chancen in der DFB-Elf bestimmt nicht geschmälert hätten.

Jogi Löw und Oliver Bierhoff wurden in Glasgow bisher noch nicht gesichtet; umso wichtiger ist es für den Nationalspieler, nach den 0:2- und 1:3-Pleiten gegen Arsenal immerhin in der Europa League gesehen zu werden.

Europa League als Notlösung

Hinkel hat bereits einen Blick auf den Modus des neu formierten Wettbewerbs gewagt, in die Celtic nun automatisch rutscht, und sich damit getröstet, dass auch dort "sehr gute Gegner" gefunden werden können. Wenn möglich natürlich deutsche.

Mit den Einsätzen ist auch das Selbstbewusstsein des rechten Verteidigers zurückgekehrt. Er habe auf der Asienreise des DFB ein sehr gutes Gefühl gehabt, berichtet er.

Spiele wie das gegen Arsenal werden zeigen, wieweit er nach den schwierigen Jahren beim FC Sevilla ist und wo es hingeht; die SPL allein taugt mit ihren vier Spitzenspielen im Jahr leider nicht als Ortungssystem.

"Nichts ist groß oder klein ohne die Möglichkeit des Vergleichs", lässt Jonathan Swift seine Hauptfigur in "Gullivers Reisen" sagen. In Liliput weiß der Riese ja nicht, ober er auch wirklich einer ist.

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