Geboren mit der Barca-DNA

Von Andreas Lehner
Beim 6:2-Sieg gegen Real Madrid erzielt Piquet das 100. Saisontor für Barcelonas Torfabrik
© Getty

Gerard Pique ist ein Spiegelbild von Barcas Philosophie unter Pep Guardiola. Das Spiel lernte er im Steinbruch, verfeinert wurde es bei ManUtd. Jetzt vergleichen sie ihn mit Beckenbauer. Im Champions-League-Finale gegen seinen Ex-Klub (20.15 Uhr im LIVE-TICKER und im Internet TV) kommt dem 22-Jährigen eine Hauptrolle zu.

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Es war nicht gerade konsequent, was sich da im Estadio Santiago Bernabeu abspielte. Aber es war ein Moment von historischer Bedeutung. Der FC Barcelona feierte gerade den höchsten Sieg über den Erzrivalen Real Madrid und erzielte das 100. Saisontor. Aber nicht einer der drei genialen Angreifer Lionel Messi, Thierry Henry oder Samuel Eto'o hatte diesen Treffer markiert, sondern ein Abwehrspieler.

Mit der ihm eigenen Vehemenz, aber auch Eleganz, war Gerard Pique mit nach vorne geeilt, um im ersten Versuch an Iker Casillas zu scheitern, den Abpraller nicht auf den bessern postierten Messi abzulegen, sondern ihn aus der Drehung selbst über die Linie zu schieben.

Der Stolz Kataloniens

Der anschließende Jubel war ebenfalls ein ganz besonderer. Das granatblau-rote Trikot zog er nach unten, als wollte er der ganzen Welt die Farben Barcas und ihre Herrlichkeit zeigen.

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Es war auch ein Zeichen des katalanischen Stolzes. Stolz, der sich in allem widerspiegelt, was mit dem Verein zu tun hat. Pique ist ein Spieler, der die Geschichte Barcas und seine Bedeutung für Katalonien kennt. Er wurde in Barcelona geboren und lernte das Fußballspielen in "La Masia", der legendären Jugendakademie, die auch "la cantera" (der Steinbruch) genannt wird.

Perfekt für Guardiolas Philosophie

Auch Trainer Pep Guardiola entspringt dieser außergewöhnlichen Schule, in der das besondere Spiel Barcas gelehrt wird, das auf Ballkontrolle und Passspiel beruht. Guardiola hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Idee wieder auf die erste Mannschaft zu übertragen.

Mit Torwart Victor Valdes, Kapitän Carles Puyol, Xavi, Andres Iniesta, Lionel Messi und eben Pique stehen regelmäßig sechs Spieler in der ersten Elf, die alle den Weg durch den Steinbruch gegangen sind. Den Unterbau bilden Spieler wie Sergi Busquets oder Pedro aus der B-Mannschaft.

Umweg Manchester United

Anders als seine Kollegen nahm Pique aber einen Umweg, um sich bei Barca zu etablieren. Der Innenverteidiger wechselte 2004 zu Manchester United, bevor er bei Barca einen Profivertrag unterschreiben konnte. Ein ähnliches Konstrukt wie bei Cesc Fabregas, der ein Jahr zuvor zum FC Arsenal ging.

Nach zwei Jahren, die er hauptsächlich in der Jugend- und der B-Mannschaft verbrachte, wurde er an Real Saragossa ausgeliehen, um Spielpraxis zu sammeln und den Schritt auf ein höheres Niveau zu machen, wie er heute zugibt.

Ein Jahr später kehrte wieder nach England zurück, kam an Rio Ferdinand und Nemanja Vidic aber nicht vorbei. Neun Einsätze in der Premier League und drei in der Champions League waren ihm zu wenig.

Großes Lob von Sir Alex

Sir Alex Ferguson ließ ihn im Sommer nur schweren Herzens gehen, konnte seine Sehnsucht nach der Heimat und den Wunsch auf einen Stammplatz aber verstehen.

"Ich habe diesen Jungen immer gemocht. Er besitzt fantastische Qualitäten, aber noch viel wichtiger, er hat die nötige Entschlossenheit. Er ist ein Siegertyp und ein absoluter Profi", meint Ferguson.

Zum Abschluss gewann er mit den Red Devils noch die Champions League, saß dabei aber 120 Minuten auf der Bank. Er macht auch keinen Hehl daraus, dass ihm ein Titelgewinn mit Barca mehr bedeuten würde. "Ich war mein ganzes Leben lang Fan von Barca. Es bedeutet mir ungemein viel, die Ehre meines Klubs in diesem Spiel zu verteidigen."

Ausstiegsklausel über 50 Millionen Euro

Barca zahlte fünf Millionen Euro, ebenso viel wie sie 2004 kassiert hatten, und schrieb gleich mal eine Ausstiegsklausel über 50 Millionen Euro in den Vertrag.

Auch bei Barca musste sich Pique zunächst hinten anstellen. An Puyol und Marquez kam er nicht vorbei.

Von Anpassungsproblemen möchte er deshalb aber nicht sprechen. Ihm sei es viel leichter gefallen als Alexander Hleb oder Seydou Keita, sich auf die Gegebenheiten bei Barca einzustellen. "Ich fühle mich in einem gewissen Sinne auch nicht als Neuzugang. Ich bin mit dieser Philosophie aufgewachsen, ich trage den Stil Barcas praktisch in meiner DNA", meint Pique.

Guardiola ist "Der perfekte moderne Trainer"

Der Schritt nach England war in der Rückbetrachtung genau der richtige. "Wenn Cesc und ich damals bei Barca geblieben wären, müssten wir heute noch um einen Stammplatz in der B-Elf kämpfen", sagte Pique.

Außerdem konnte er sich in England über die Barca-Schule hinaus als Spieler und Persönlichkeit enorm weiterentwickeln. "Bei United lernst du enorm viel, weil du nur von Spielern auf höchstem Niveau umgeben bist", sagt Pique, der auch Ferguson in den höchsten Tönen lobt. "Er hat eine besondere Aura, er ist eine große Persönlichkeit und er sagt dir exakt, was er von dir verlangt. Es war eine Ehre, für ihn gespielt zu haben."

Guardiola sei anders. "Er ist mehr der praktische Typ und er ist immer ganz nah an der Mannschaft und den Spielern dran. Er ist der perfekte moderne Trainer", schwärmt Pique.

Pique erfüllt höchste Ansprüche

Er selbst gehört zur Spezies der modernen Verteidiger. Hervorragendes Kopfballspiel gepaart mit präzisem Tackling, körperliche Robustheit gepaart mit spielerischer Eleganz, sichere Ballkontrolle gepaart mit der Fähigkeit zum schnellen Umschalten.

Für Pique sind diese Fähigkeiten für einen Innenverteidiger bei Barca unersetzlich, weil "hier die Ansprüche am höchsten sind. Bei vielen Mannschaften reicht es, gut in der Balleroberung und im Kopfballspiel zu sein. Bei uns muss der Innenverteidiger mehr angreifen als sonst irgendwo."

Spitzname: Piquenbauer

Welchen Stellenwert er mittlerweile im Team hat, zeigte sich im Halbfinal-Hinspiel gegen Chelsea, als Puyol nur auf der Bank saß. Nach dem Ausfall von Marquez (Meniskusverletzung) kommt auf ihn noch mehr Verantwortung in der Spieleröffnung zu.

Gegen ManUnited muss er nicht nur die Kreise von Cristiano Ronaldo, Carlos Tevez und Wayne Rooney stören, sondern auch für eine vernünftige Spieleröffnung sorgen und sich selbst in den Angriff miteinschalten.

Diese Fähigkeiten brachten ihm schon bei Uniteds Linksverteidiger Patrice Evra den Spitznamen Beckenbauer an. Die spanische Presse machte daraus flugs Piquenbauer. Tore, wie das gegen Real Madrid, zementieren diesen Ruf.

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