Die Sorge um die Serie

Von Stefan Rommel
Wechselspielchen: Trainer Klinsmann (2.v.l.) gibt einigen Bankspielern eine Chance gegen Sporting
© Getty

Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann kündigt vor dem Champions-League-Rückspiel gegen Sporting Lissabon eine veritable Rotation in der Startelf an (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und im Internet TV). Einige seiner Spieler haben eine kurze Verschnaufpause nötig. Auf der anderen Seite muss Klinsmann aber besorgt um seine zarte Serie und den Schwung aus dem Hannover-Spiel sein.

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Es ist ja so vieles anders an der Säbener Straße in dieser Saison, so dass das ein oder andere in den Unbilden der letzten Tage und Wochen schlicht unterging.

Im Trubel um Taktik und Aufstellung, um verletzte Spieler und deren öffentliches Kokettieren mit großen Klubs aus Europa, wurde eine Tatsache stiefmütterlich behandelt, die bei den Bayern ansonsten immer gleich alle Alarmglocken schrillen lässt.

Eine Serie muss her

Der Rekordmeister steht in der Bundesliga nicht auf Rang eins. Das ist keine neue Erkenntnis, schließlich gehört es seit nunmehr 23 Spieltagen fast schon zur Routine. Also müssen die Bayern etwas für ihre Verhältnisse völlig verrücktes tun: Sie müssen aufholen.

Was für gewöhnlich dem Abstieg geweihte Mannschaften oder Teams auf dem Sprung in den internationalen Wettbewerb von sich selbst fordern, steht nun beim Rekordmeister auf der Tagesordnung. Eine Serie muss her.

Normalerweise besteht so eine gesamte Bundesliga-Saison der Münchener ja aus einer einzigen, nie endenden Serie. Mit kleinen Einbrüchen vielleicht, aber ansonsten sehr solide und überdies auch noch extrem erfolgreich.

Klinsmann mahnt pflichtbewusst

Diesmal muss es eine andere sein. Nicht kurz und schmerzlos, sondern lang und gehaltvoll. Denn die Forderung nach einer Serie impliziert ja immer auch, dass in der Zeit davor geschludert wurde. In der Bundesliga gibt es noch einiges auszubügeln, bei vier Punkten Rückstand auf Platz eins. Aber in der Champions League?

Da ist nach dem 5:0 vom Hinspiel in Lissabon gegen Sporting doch längst alles gelaufen. Zwar kommt Trainer Jürgen Klinsmann seiner Sorgfaltspflicht nach und warnt allen Ernstes: "Auf dem Papier sieht es so aus, als ob es nur Formsache wäre. Aber so ist es nicht. Es ist kein Selbstläufer."

Aber trotzdem sind das Viertelfinale und die damit verbundenen Mehreinnahmen von ca. sieben Millionen Euro längst fest verbucht. Bleibt nur noch die Frage, wie die Bayern mit der 90-minütigen Pflichtaufgabe am Dienstag umzugehen gedenken.

"Ein Spektakel bieten"...

Die Pflanze der Hoffnung nach dem überzeugenden 5:1 gehen Hannover ist noch recht schwach, weshalb ein Rückfall gegen die Portugiesen einer nächsten herben Enttäuschung gleich käme. Im Sinne der sportlichen Qualifikation für die nächste Runde geht es (fast) um nichts mehr. Für Trainer Klinsmann dagegen um sehr viel.

Die Allianz Arena wird mit 66.000 Zuschauern natürlich ausverkauft sein. Die Fans werden dann vergeblich auf die verletzten Franck Ribery, Luca Toni, Tim Borowski und Hamit Altintop hoffen - aber trotzdem auf eine Fortsetzung der Leistung gegen Hannover.

"Das Stadion wird voll, da geht es nicht um Jux und Dollerei, da müssen wir gut spielen und das nächste Ausrufezeichen setzen", erklärte Torhüter Michael Rensing, der eine Pause bekommt und von Jörg Butt vertreten wird. "Wir haben ein volles Haus, da müssen wir den Leuten schon ein Spektakel bieten", pflichtete Innenverteidiger Daniel van Buyten bei.

...und gleichzeitig Kräfte sparen

Darin liegt die Crux für Klinsmann. Eigentlich ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, seinen Stars - eh sie nicht verletzt sind - auch mal eine Pause zu gönnen. Den Lucios, Lahms oder Demichelis'.

Im günstigsten Fall haben die Bayern noch 16 Pflichtspiele in dieser Saison. Da tut besonders am Ende jede nicht absolvierte Partie gut.

Neben Butt brauchen Spieler wie Breno oder Ernesto Sosa dringend Spielpraxis, auch Andreas Ottl hat unter Klinsmann noch nicht viele Einsätze vorzuweisen.

Benoten Sie die Bayern-Stars gegen Lissabon!

Klinsmann sieht das offenbar ähnlich und wird einigen seiner Bankdrücker eine Bewährungschance geben. Dabei ist der Zeitpunkt für Experimente und die Rotation im großen Stil ein gefährlicher.

"Natürlich haben wir wegen der Fans die Verpflichtung, Gas zu geben. Aber wir haben auch eine Verpflichtung uns selbst gegenüber. Wir wollen die Serie halten, die wir uns in Europa aufgebaut haben", sagte Klinsmann.

Oliver-Neuville-Effekt

Die Gefahr, dass der Schwung schneller wieder vorbei sein kann, als er angefangen hat, ist zu groß. Ein nächster Sieg ist wichtig. Und für Siege brauchen die Bayern in dieser Saison mehr denn je ihre besten Spieler. "Wir müssen den nötigen Ernst haben und dürfen nicht leichtsinnig werden. Das können wir uns nicht erlauben", sagte Klinsmann im vereinseigenen Internet-TV.

Gegen Hannover saßen nur fünf Feldspieler auf der Bayern-Bank. Darunter Landon Donovan, der sich am Montag wieder gen Los Angeles verabschiedet hat. Also nominiert Klinsmann wohl die Amateurspieler Thomas Müller und Deniz Yilmaz nach.

Veränderungen auf Grund der Verletzungen sind unausweichlich, jetzt muss Klinsmann ein glückliches Händchen bei der Wahl seiner ersten Elf beweisen. Ein bisschen Oliver-Neuville-Effekt täte gut, wie damals bei der WM gegen die Polen.

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