Auf dem Weg zum Olymp

Von Carsten Germann
Ronaldo, Manchester, Premier League
© Getty

München - Es hatte etwas von einem Hip-Hop-Auftritt. Da saß Cristiano Ronaldo in seinem weißen Flatterhemd an einem kleinen Tisch von zwei jungen Damen flankiert und grinste sich eins.

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Zu einer getönten, überdimensionalen Sonnenbrille trug er werbewirksam eine rote Baseball-Kappe mit seinen Initialen und der Trikotnummer 7. So konnte bei der Pressekonferenz vor einigen Wochen jeder sofort sehen, was ging. Seht her, die magische Sieben ist da.

Und der 23 Jahre alte Superstar von Manchester United trat gewohnt unbescheiden auf: "Ich will die Champions League gewinnen, denn den Titel hab ich noch nicht. Und in diesem Jahr haben wir die Spieler dazu."

Am Mittwochabend greift Ronaldo im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea (20.45 Uhr im SPOX-TICKER und im Internet TV) nun nach Europas Krone, dem Olymp im Fußball. Und wenn er erneut brilliert, führt die nächste Weltfußballerwahl nur über ihn.

Ausnahmespieler mit Hang zur Arroganz

Ronaldo weiß, was er kann. Bescheidenheit gehört eher nicht zu den Stärken des Portugiesen, der auf den staubigen Hinterhöfen von Funchal auf Madeira das Fußballspielen lernte. "Seine Tricks sind maßlos", schimpfte sein entnervter Gegenspieler David Pizarro nach dem Viertelfinal-Hinspiel beim AS Rom.

"Natürlich hat Ronaldo Qualität, aber Fakt ist auch, dass er ein Großkotz ist", lästerte der Chilene. Ein hartes Urteil, doch ein Hauch von Arroganz schwingt bei Ronaldo immer mit. Beinahe aufreizend lässig vergab er im Halbfinale beim FC Barcelona (0:0) einen Handelfmeter.

Kunstfehler, die sich der Wunderknabe nach Meinung von Johann Vogel aber erlauben kann. "Ronaldo profitiert von seinem Selbstvertrauen", sagt der Mittelfeldspieler von den Blackburn Rovers im Gespräch mit SPOX.com. "Seine physische Präsenz ist beeindruckend. Er verbindet wie kein anderer Spieler der Welt Technik mit hohem Tempo und ist außerdem noch kopfballstark."

Auf den Spuren von Best und Law 

Vogel, der sich regelmäßig mit Ronaldo in Manchester auf einen Kaffee trifft, trotzte United Mitte April mit den Rovers im heimischen Ewood Park ein 1:1-Remis ab. Auch, weil Blackburn scheinbar ein Rezept gefunden hatte, um Ronaldo matt zu setzen: "Man muss in der Defensive versuchen, an ihm dran zu bleiben und die ganze Zeit hellwach sein, sonst läuft man jedes Mal ins Leere."

Viele sind dieses Jahr ins Leere gelaufen. Ronaldo ist der absolute Leistungsträger der Red Devils und hat in dieser Saison den Durchbruch zum Weltstar geschafft. Mit bislang 41 Pflichtspieltoren, davon sieben in der Champions League, war der Portugiese nahe dran, den 44 Jahre alten Klubrekord von Denis Law (46 Tore) zu knacken.

Auch sonst wandelt der Flügelflitzer, den Manchester im Sommer 2003 für 18 Millionen Euro von Sporting Lissabon holte, in Manchester auf den Spuren der Klub-Legenden. Trainer Sir Alex Ferguson verglich ihn jüngst schon mit einem seiner berühmten Vorgänger im Trikot mit der Nummer sieben, George Best: "Wenn George Flügelstürmer gespielt hat, war er immer in Bewegung. Ronaldo spielt genauso, sogar seine Tore erinnern an die von Best."

Jede Woche einen Ferrari

Bei Manchester United weiß man, was die Dienste des Flügelstürmers wert sind. Im April vergangenen Jahres verlängerte ManUnited vorzeitig mit Ronaldo bis 2012. Mit einem Wochengehalt von umgerechnet rund 210.000 Euro ist Ronaldo der Top-Verdiener der Klubgeschichte

Für den ehemaligen englischen Nationalspieler Peter Beardsley keine Überraschung: "Dieser Deal unterstreicht Ronaldos Qualität und die Klasse der Premier League", so der Ex-Manchester-Spieler. "Ronaldo wäre nicht geblieben, wenn er in Manchester nicht die Aussicht hätte, einen europäischen Titel zu gewinnen."

Chelseas ehemaliger Coach Jose Mourinho (45) sieht es ähnlich: "Ronaldo ist derzeit der beste Spieler der Welt, aber er kann nur mit einem Titel wie der Champions League zu einem ganz Großen werden."

Real baggert weiter hartnäckig an den Portugiesen hin. Entscheiden wird er sich nach dem CL-Finale, auch wenn er immer wieder betont, dass er sich wohl fühlt. "Ich bin jetzt das fünfte Jahr hier und kenne hier jeden vom Betreuer bis zum Ersatzspieler - ich bin hier zuhause." 

Vom Schwalbenkönig zum Meisterschaftheld

Eigentlich war für Ronaldo auf der Insel eigentlich schon alles im Eimer. Als Weichei und Schwalbenkönig verschrien, musste der als Beckham-Nachfolger geholte Youngster im Oktober 2005 den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung in einem Londoner Nobelhotel entkräften.

Als er bei der WM in Deutschland dann im Viertelfinale gegen England ausgerechnet für seinen ManUnited-Teamkollegen Wayne Rooney einen Platzverweis forderte, hatte er vollends Volkszorn für sich. Ronaldo, von der wütenden englischen Presse als Dämon beschimpft, brauchte Polizeischutz.

Nach einer von Manchester-Coach Sir Alex Ferguson anberaumten Aussprache mit Rooney glätteten sich die Wogen rasch und Ronaldo steuerte 2006/2007 insgesamt 17 Tore zu Manchesters Titelgewinn in der Premier League bei.

"Ronaldo war viel zu verspielt"

"Ronaldo war in seiner Anfangszeit bei Manchester United zu verspielt, er hat gemacht, was er wollte", erläutert der ehemalige Premier-League-Profi Steffen Freund. Der deutsche Ex-Nationalspieler traf im März 2004 im Old Trafford mit Leicester auf Manchester und war dabei direkter Gegenspieler von Ronaldo.

"Für mich war das eine mehr als interessante Erfahrung", erklärt Freund. "Seine Dynamik und seine Power sind einfach unglaublich, er ist absolut clever und auf den ersten drei, vier Metern hat er einen perfekten Antritt."

Die Spielereien, die Ronaldo gern mit seinen Kontrahenten veranstaltet, sind für ihn Teil des Systems Ronaldo. "Hier ein Schlenker, da ein Übersteiger, das ist sein Spiel und er nimmt es gerne in Kauf, den Gegner damit auf die Palme zu bringen. Das Schlimmste ist, wenn du Dich als Gegenspieler auf diese Bewegungen einlässt."

Die Arroganz, die Ronaldo mitunter an den Tag legt, sieht Freund, der auf der Insel mehr als 150 Pflichtspiele bestritt, als größte Gefahr für den Wunderknaben: "Ronaldo muss aufpassen, dass er dieses Spiel nicht überzieht, seine technische Überlegenheit darf nicht in Überheblichkeit münden."

Beängstigender Flügelflitzer

Ronaldos Teamkollegen bei den Red Devils haben derweil verschiedene Erklärungen für diese Wandlung und für seine besondere Stärke in dieser Saison.

"Cristiano verbringt sehr viel Zeit auf dem Trainingsplatz, macht Sonderschichten und übt Freistöße", sagte John O'Shea der "Sun".

"Ronaldo hat sich nach den guten Leistungen in der letzten Saison nicht ausgeruht, sondern sich noch weiter gesteigert", erklärte Ryan Giggs in einem TV-Interview.

"Seine Trefferausbeute ist phänomenal und für einen Flügelspieler geradezu beängstigend." Da kann man es ihm auch nicht verübeln, dass er ab und zu mal mit zwei Frauen im Arm da sitzt.

Jetzt bei SPOX.TV: Ronaldo über Kindheit, Familie und einen möglichen Wechsel

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