Die Zukunft des Fußballs

Von Stefan Rommel
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© Imago

München - "Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte", hat Karl Marx einmal gesagt. Marx steht nun nicht unbedingt in konkretem Verdacht, viel über das frühe Fußballspiel gewusst zu haben.

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Das kommunistische Manifest von damals taugt auch nicht für den Turbo-Kapitalismus des Profi-Fußballs von heute. Und schon gar nicht für den der Gelddruckmaschine Champions League.

Aber wenn heute Abend der FC Arsenal Titelverteidiger AC Milan empfängt, schwingen Marx' Worte doch im Hinterkopf mit. Arsenal gegen Milan wird für den Fußballsport an sich vielleicht mehr sein als ein Spiel zweier Mannschaften um den Einzug in ein vergleichsweise banales Viertelfinale (20.45 Uhr im SPOX-TICKER und im Internet TV).

Im Emirates Stadium kommt es zum Duell zweier Systeme, zwei Galaxien prallen aufeinander. Und der Sieger - aus Hin- und Rückspiel natürlich - steht nicht nur als der große Favorit auf den Titel da, sondern prägt mit seiner Spielweise womöglich auch den Fußball der nächsten Jahre.

Jung, dynamisch, atemberaubend

Auf der einen Seite Arsenal. Jung, dynamisch, atemberaubend. Defensive mit zehn, Offensive mit sechs oder sieben Spielern. Jeder darf alles; alles kann, nichts muss.

Kein anderes Team auf dem Planeten spielt derart überfallartigen Angriffsfußball, keine andere Offensive ist so sehr an der Essenz des Spiels interessiert wie die von Arsenal. Es geht um Tore, Tore, Tore.

Das Spiel der Gunners gleicht einem steten Fluss voll impulsiver Energie, hart aber filigran, schnell aber präzise. Arsenal kontrolliert den Fußball - aber auf eine liebliche, bisweilen verzückende Art und Weise.

Wie das Barca um die phantastischen Ronaldinho und Deco vor zwei, drei Jahren. Nur besser.

Selbst Maldini staunt

"Arsenal macht den Ball schnell wie keine andere Mannschaft in Europa. Ihr Kurzpassspiel ist perfekt. Natürlich spielen auch andere Teams so. Aber Arsenal bringt dabei am meisten Persönlichkeit mit ein", sagt Paolo Maldini.

Er muss es wissen. Maldini hat in 23 Jahren als Profi alles gesehen, heute absolviert er sein 1001. Spiel im Dress der Rossoneri. Arsenals Startelf bringt es zusammen nicht annähernd auf so viele Spiele für die Gunners.

Die Derwische aus dem Londoner Norden eroberten die Premier League. Jetzt soll auch Europa dran glauben. Dabei gilt Arsene Wengers Bande als "young guns", die junge Rasselbande. Kapitän William Gallas ist der einzige Feldspieler über 30.

Mastermind Cesc Fabregas, neben ManU's Cristiano Ronaldo der Spieler der Saison in der Premier League, wird im Mai erst 21.

Wengers großer Traum

Coach Arsene Wenger ist seit zwölf Jahren bei Arsenal. Der Franzose, zu Beginn seiner Tätigkeit von den Traditionalisten auf der Insel mit Argwohn betrachtet, hat einen neuen Stil geprägt.

Wenger war der Türöffner für zahllose ausländische Teammanager nach ihm, seine Art bei Arsenal wird nach einigen Jahren des Stillstands heute wieder ehrfurchtsvoll gehuldigt.

Kein anderer versteht es so gut, einen Haufen talentierten Grünschnäbel zu einem Spitzenteam zu formen und das spielen zu lassen, was Arsenal seit über einem Jahrzehnt ausmacht: Den "Wenger ball".

Milan heißt Kontinuität

Und doch sieht der Franzose seine Mission in London noch nicht erfüllt. Ihm fehlt schlicht der Champions-League-Pokal.>

Den hat Carlo Ancelotti in sieben Jahren bei Milan schon zweimal geholt.

Während sich Arsenal in kleinen Abschnitten immer neu erfinden muss, kann Ancelotti seit Jahren auf die selben Spieler und das selbe Spielsystem bauen.

Milan ist das Schwergewicht, Milan heißt Kontinuität. Die Mailänder sind nach Real Madrid das erfolgreichste Team der europäischen Vereinsgeschichte.

Fokussiert, eiskalt und tödlich

Von der Siegermannschaft aus dem Jahr 2003, als Milan eine neunjährige Durststrecke beendete, hat bis auf Andrej Schewtschenko und Rui Costa niemand den Verein verlassen.

Selbst der bald 42-jährige Billy Costacurta nicht. Er ist seit einigen Monaten im Trainerstab von Ancelotti tätig. Der überfällige Wechsel steht immer noch aus, die vielen Erfolge der jüngeren Vergangenheit übertünchen so einiges.

Die Mannschaft ist die selbe, der Stil ist der selbe. Milan ist die Ausgeburt an Effektivität. Kein anderes Team versteht es, so fokussiert auf ein Ziel, ein Spiel, eine einzelne Aktion zu sein wie Milan. Eiskalt und tödlich.

Das Spiel wird getragen von den magischen Clarence Seedorf, Andrea Pirlo, Gennaro Gattuso und Kaka, dazu Pippo Inzaghi im Sturm. Das Establishment des europäischen Vereinsfußballs. Gegen die Hlebs, die Rosickys, die Fabregas und Adebayors, die Revolutionäre.

Milan mit Torhüterproblem

Es ist ein Treppenwitz, dass bei dieser Ansammlung von Top-Stars heute Abend zwei Ersatzspieler eine entscheidende Rolle einnehmen.

Bei den Gunners darf erneut Jens Lehmann für den verletzten Manuel Almunia (Erkältung) ran.

Milan muss auf Dida (Rückenverletzung) verzichten. Und da auch Zeljko Kalac (Fingerverletzung) nicht fit ist, könnte Valerio Fiori zu seinem ersten CL-Einsatz überhaupt kommen.

In der Serie A kam der 39-Jährige für Milan erst einmal zum Zug. Vor fünf Jahren gegen den Zwerg Piacenza. Milan hatte wenig zu lachen, Piacenza siegte 4:2.

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