Intrigante Spitzentruppe

Von Alexis Menuge / Florian Bogner
lyon mannschaft juninho
© Getty

München - Ein Blick auf die Tabelle der französischen Ligue Une verrät: Eigentlich alles so wie immer. Platz eins: Olympique Lyon. So wie in den letzten sechs Jahren auch. Doch der Schein trügt.

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Vor dem Champions-League-Spiel gegen den deutschen Meister VfB Stuttgart (Di., 20.45 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere) kann man Olympique aus sportlicher Sicht nicht viel vorwerfen - das 0:3 gegen die Glasgow Rangers am zweiten Spieltag der Königsklasse mal ausgenommen.

In der heimischen Liga ist Lyon seit acht Spielen ungeschlagen und das, obwohl man verletzte Leistungsträger wie Torwart Gregory Coupet und Abwehrchef Cris ersetzen muss. Doch wo einst Friede, Freude, Eierkuchen herrschte, präsentiert sich die Mannschaft mittlerweile als zerstrittener Haufen mit einem hilflosen Trainer.

Zentrale Figur auf dem Feld als auch beim Gekeife abseits des Platzes ist Mittelfeldstar Juninho. Nach der bitteren Heimpleite gegen Glasgow schwänzte der Brasilianer am nächsten Tag die Video-Analyse und drehte lieber lustlos ein paar Runden auf dem Trainingsplatz.

Farce um Juninho

Trainer Alain Perrin echauffierte sich und kündigte eine drastische Strafe an, nur um sie dann doch nicht auszusprechen. Ein paar Tage später war alles vergessen. Juninho möge eben keine Video-Sitzungen, meinte Perrin und fügte hinzu: "Die anderen waren zwar da, aber ob sie wirklich zugehört haben? Ein paar haben sicherlich auch geschlafen und das ist nicht schlimmer als gar nicht dabei zu sein." Ein deutlicheres Statement, dass man seine Mannschaft nicht erreicht, kann man nicht abgeben.

Fakt ist: Juninho kann sich unter Perrin eigentlich alles erlauben. Das sehen auch seine Mitspieler - und sind gar nicht begeistert. Sidney Govou ließ seinem Frust unlängst freien Lauf. Juninho sei viel zu egoistisch und würde nur an sich selbst denken, monierte der französische Nationalspieler. "Das Problem ist, dass er von den Verantwortlichen anders behandelt wird als seine Mitspieler. Das ist nicht fair. Es gibt Juninho und die anderen", klagte Govou.

"Keiner hört ihm mehr zu"

Die Mannschaft sei keine Einheit mehr - und Juninho trage Schuld daran. Respekt vor dem Kapitän habe keiner mehr, meint der Stürmer: "Wenn wir im Spiel zurück liegen, versucht er uns zu motivieren, aber keiner hört ihm mehr zu."

In der vergangenen Woche meldet sich auch der am Kreuzband verletzte Coupet zu Wort und legte schonungslos offen, wie schlecht die Stimmung im Team ist. Coupet berichtete von einem Vorkommnis in der letzten Saison, als nach einer 0:1-Niederlage beim AS Troyes in der Kabine beinahe zu einer handfesten Schlägerei zwischen einigen Mitspielern gekommen wäre. "Ich war geschockt", so der Torwart.

Großer Riss durch die Mannschaft

Über fünf Jahre lang gab es in Lyon kaum Probleme und erst recht keine Skandale. Der sechste Meistertitel im letzten Jahr wurde hingegen kaum gefeiert, seit Sommer geht ein großer Riss durch die Mannschaft. "Die Stimmung ist mies, ein echtes Drama", meint Coupet.

Dass Fußball manchmal auch hässlich sein kann, beweisen Gerüchte um Ex-Stürmer Sylvain Wiltord, der vor der Saison in aller Stille zu Stade Rennes abgeschoben wurde. Der soll nämlich den Frauen zweier seiner Mitspieler nicht nur schöne Augen gemacht haben.

50 Millionen und nicht viel Neues

Neben Wiltord mussten auch Tiago, Eric Abidal und Florent Malouda im Sommer gehen. Präsident Jean-Michel Aulas bekam allein für diese drei Spieler 50 Millionen überwiesen, die nur zaghaft reinvestiert wurden.

Stürmer Abdulkader Keita, der für 18 Millionen Euro aus Lille kam, hat in 13 Pflichtspielen noch nicht einmal getroffen, und WM-Held Fabio Grosso (kam für 7,5 Millionen von Inter Mailand) will nach vier Monaten am liebsten schon wieder zurück nach Italien.

"Müssen wieder bei Null anfangen"

"Die Mannschaft ist definitiv schwächer als in den letzten Jahren. Es gibt keine klaren Strukturen mehr. Wir müssen wieder bei Null anfangen", stellte Coupet ernüchtert fest.

Die ersten zwei Spiele in der Champions League waren Vorboten, was passiert, wenn es sportlich mal nicht läuft. Eine Mannschaft, deren Spieler nicht an einem Strang ziehen, kann langfristig keinen Erfolg haben. Vielleicht liegt dort genau die Chance für den VfB Stuttgart am Dienstag.

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