Die Odyssee des Wolfs

Von Haruka Gruber
Ledesma, Cristian
© Getty

München - Mit Spitznamen ist es unter Sportstars so eine Sache. Die einen lechzen nach einem Alias. Ein Kosename ist nun mal eine Art Qualitätssiegel für Bekanntheit und Respekt. Eine ultimative Huldigung.

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Für die anderen sind Spitznamen jedoch ein Fluch. Eine Schublade, in die sie gegen ihren Willen gesteckt werden. Eine Bürde, die sie erdrückt. Ein falsches Etikett, das zeitlebens an ihren Biografien hängt.

Sebastian "Fantasti" Deisler ist so ein Fall - und auch bei Cristian Ledesma schien es so, als ob das ihm aufgedrückte Label der größte Feind seiner Karriere werden könnte.

Der Leistungsträger von Werder Bremens Champions-League-Gegner Olympiakos Piräus (20.45 Uhr im SPOX-Live-Ticker und bei Premiere) hieß schon vor fünf Jahren "El Lobo". Der Wolf. Damals holte der Hamburger SV den 23-jährigen Argentinier für imposante vier Millionen Euro von River Plate Buenos Aires.

Ledesma kein Wolf

Als bissiger Mittelfeldabräumer gerühmt, sollte sich Ledesma zum neuen hanseatischen Aggressivleader aufschwingen, bevor es den Begriff Aggressivleader überhaupt gab. Die Betonung liegt aber auf "sollte".

Denn der Sommer 2002 war eine Zäsur in Ledesmas Laufbahn. Von Trainer Kurt Jara wenig gemocht, zudem von Blessuren gehandicapt, kam er in seiner ersten Saison nicht über den Status des Ergänzungsspielers hinaus - und wurde nach der Saison ausgemustert. Von wegen Leitwolf.

Christian-Vieri-Dimension

"Damals wurden falsche Erwartungen geweckt. Er ist kein lautstarker Anführer, vielmehr ist er sehr zurückhaltend, ruhig und sensibel", sagt Rodolfo Esteban Cardoso, guter Freund und damaliger Mannschaftskamerad in Hamburg zu SPOX.com.

"Es fiel ihm schwer, aus sich herauszugehen, zumal er von den Medien scharf kritisiert wurde und private Probleme hatte, weil sein kleiner Sohn am Herzen operiert werden musste. Cristian war sehr durcheinander."

Was folgte, war eine Odyssee in Christian-Vieri-Dimensionen. Da dem HSV nicht ansatzweise die investierten vier Millionen Euro von anderen Klubs angeboten wurden, lieh ihn Hamburg kurzerhand aus. Zunächst nach Mexiko zu Monterrey, dann Richtung Argentinien zu Colon de Santa Fe, River Plate sowie Racing Club Avellaneda. So lange, bis Hamburg die letzte Hoffnung auf eine ansprechende Ablöse aufgab und im Januar 2006 den Vertrag mit Ledesma auflöste.

Das Glück wiedergefunden

Januar 2006: Der Monat, der die Wende zum Guten bringen sollte. Zunächst schloss er sich seinem Heimatverein Argentinios Juniors an, "wo er sein Glück wiederfand", wie Cardoso erzählt. Anfang des Jahres warb ihn der argentinische Spitzenklub San Lorenzo ab, der mit ihm als Leistungsträger prompt Clausura-Meister wurde.

Ledesma stieg zum Nationalspieler auf und erreichte mit der Albiceleste den zweiten Platz bei der Copa America 2007. Meriten, die vor fünf Jahren unerreichbar erschienen. Meriten, die ihm ermöglichten, einen neuen Anlauf in Europa zu versuchen.

Designierter Diego-Bewacher

Nach "überragenden Leistungen" (Cardoso) für San Lorenzo entschied sich Ledesma in diesem Sommer zum Wechsel nach Piräus - und spielt plötzlich erneut in Norddeutschland, in der Königsklasse bei Werder Bremen.

Nach acht Vereinen in fünf Jahren und einem zwischenzeitlich ruinierten Ruf. Während sein Landsmann Luciano Galletti als Nachfolger Rivaldos die Offensive organisieren soll, ist Ledesma auf der Sechser-Position der designierte Diego-Bewacher.

"Ich möchte beweisen, dass ich erfahren genug und bereit bin, den Schritt nach Europa zu wagen - anders als noch vor fünf Jahren", sagt Ledesma.

Und Cardoso ergänzt: "Ich habe mit Cristian vor ein paar Tagen telefoniert. Aber von Rache am deutschen Fußball oder so was will er nicht reden. Hamburg als Stadt hat ihm und seiner Familie gut gefallen. Er freut sich einfach auf das Spiel."

Wie ein Wolf klingt das wahrlich nicht.

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