Einmal Größenwahn und zurück

Von Holger Britzius
Lazio-Real-Pandev
© Getty

München - Lazio Rom bürgt seit vielen Jahren für einiges, nicht aber für Ruhe im Verein. Manipulation, kleine und große Skandale durch Fans und Verantwortungsträger sowie unüberschaubare Schulden als Folge größenwahnsinnige Millionentransfers verdrängten den Sport aus den Schlagzeilen. Nun aber soll alles anders sein und Werder erwartet in der Champions League angeblich eine ganz neue Lazio.

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Peruzzi, Mihailovic, Nesta, Stam, Couto, Sorin, Poborsky, Veron, Nedved, Stankovic, de la Pena, Conceicao, Crespo, Salas, Lopez, Mendieta, Fiore und als Krönung Sven Göran Eriksson an der Linie. Die noch beliebig erweiterbare Liste ehemaliger Lazio-Spieler liest sich für Fußballkenner wie ein "Who is who" der Balltreterszene zur Jahrtausendwende, für kühle Kalkulatoren allerdings wie der geplante Bankrott.

Pünktlich zum 100-jährigen Bestehen des Vereins hatte der damalige Klub-Präsident Sergio Cragnotti ein Starensemble zusammengestellt, mit dem nach 1974 endlich der zweite Scudetto und die Königsklasse gewonnen werden sollte. Das mit dem Meistertitel funktionierte im Jahre 2000 gleich mit Pokalsieg als Zugabe, der Rest ist ein Absturz in diversen Akten.

Die stolze Lazio als Konkursmasse

In der Zwischenrunde der darauf folgenden Champions League landete das Team von Sven-Göran Eriksson kläglich auf dem letzten Platz. Der Schuldenberg hätte zu dieser Zeit für alle sieben römischen Hügel gereicht. Die besten Spieler mussten verkauft werden und spätestens nach der Insolvenz 2004 war die hellblaue Erfolgsstory zu Ende.

Aus der Konkursmasse kaufte Claudio Lotito den Verein für 21 Millionen und erstritt vor dem Fiskus eine 23 Jahre währende Ratenzahlung der Steuerlast von etwa 150 Millionen Euro.

Inzwischen ist der trügerische Glanz der großen Lazio-Jahre also verblasst und bei den stolzen Biancocelesti offenbar die Vernunft eingekehrt. Reinigungsunternehmer Lotito machte dabei seinem Beruf alle Ehre, auch wenn er - wie es sich für einen ordentlichen Präsidenten in der Serie A gehört - alles andere als eine weiße Weste trägt. Ordnung in den Verein hat er aber gebracht.

Gehaltsobergrenze für alle Spieler

Neben der Konsolidierung der "societa" - unter anderem durch eine Gehaltsobergrenze von 500.000 Euro für alle Spieler (nur Baronio verdient nach altem Vertrag mehr) - tat er dem Klub mit der Verpflichtung von Trainer Delio Rossi einen weiteren Gefallen.

In der letzten Saison mündete diese in einem überraschenden dritten Platz und der Qualifikation zur Champions League. Rossi, im Jahr 2005 von Atalanta Bergamo gekommen, machte aus der Not die sprichwörtliche Tugend und setzte fortan auf junge und hungrige Spieler.

Offensive als Erfolgsrezept

Dies und ein ungewohnt offensives System scheinen zu fruchten, was auch Abwehrrecke Lionel Scaloni unterstreicht: "Wir haben viele junge Spieler im Kader und Abzocker gibt es dank der Gehaltsobergrenze automatisch keine. Zudem lässt der Trainer keinen typisch italienischen Fußball spielen, sondern setzt mit seinem 4-2-3-1-System voll auf Offensive und lässt uns schnell nach vorne spielen. Das war das Erfolgsrezept der vergangenen Saison."

Auch Scaloni weiß um die Vergangenheit und unterstützt die Maßnahmen der führenden Personen: „In einer unheimlich schwierigen Zeit hat unser Präsident alles umstrukturiert und den Verein wieder auf den richtigen Weg gebracht. Lazio ist immer noch einer der größten Vereine Italiens und die Leidenschaft der Fans ist für mich nur mit meiner Heimat Argentinien vergleichbar.

In der Liga schwach, aber Pandev trifft

In der bisherigen Runde ist die Lazio mit Platz 13 und 10 Punkten in der Meisterschaft allerdings noch nicht so recht in Tritt gekommen. Vieles konzentriert sich deshalb auf die beiden Top-Scorer Tommaso Rocchi und Goran Pandev, die zusammen alleine 11 der 16 Pflichtspieltreffer erzielten. Besonders auf den 24-jährigen Mazedonier Pandev, der gegen Real Madrid zwei Mal traf und angeblich vom FC Bayern umworben wird, werden die Bremer ein besonderes Augenmerk legen müssen.

Einer allerdings hebt den Altersschnitt der "jungen" Lazio doch bedenklich: Der 43-jährige Torhüter Marco Ballotta, der schon von 1997 bis 2000 das hellblaue Trikot trug.

Der älteste Keeper in Serie A und Champions League sieht sich in der jungen Mannschaft aber als alles andere als ein Auslaufmodell: "Ich bin einfach stolz darauf, noch mitspielen zu können und sehe mich nicht als den Ältesten, sondern den mit der meisten Erfahrung. In dem Alter können nicht mehr viele mithalten. Ich kann es, weil ich selbst mein bester Arzt bin."

„Eine echte Chance aufs Achtelfinale"

Werder Bremen braucht keine Angst mehr vor großen Namen bei den Laziali zu haben, ein äußerst unbequemer wird der entscheidende Gegner im Kampf um ein Weiterkommen aber sicherlich sein (Mittwoch, 20.45 Uhr im SPOX-Live-Ticker und bei Premiere).

Oder wie es Scaloni ausdrückt: "Wir werden unser Spiel nicht auf den Gegner zuschneiden, sondern sind auch in dieser Saison selbstbewusst genug, offensiv zu agieren. Und so haben wir eine echte Chance, ins Achtelfinale einzuziehen. Und wenn nicht, geht die Welt auch nicht unter."

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