BVB: Weg mit den Nebenkriegsschauplätzen - her mit den Bayern?

Marcel Schmelzer (2.v.l.) gratuliert den siegreichen Mitspielern, wie etwa Torschütze Akanji (M.).
© Getty

Mit dem eindrucksvollen 7:0 gegen den 1. FC Nürnberg hat Borussia Dortmund am 5. Spieltag ein Ausrufezeichen gesetzt. Mit elf Punkten steht der noch ungeschlagene BVB nun auf dem zweiten Platz - ist er wieder erster Bayern-Jäger? Zumindest die Fragen nach fehlenden Torjägern und dem Platz von Mario Götze sollten erst einmal verstummen.

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Schlechter als Platz vier war der BVB in dieser Saison noch nie. Nach dem vierten Spieltag grüßten die Schwarz-Gelben mit acht Punkten ungeschlagen vom dritten Rang, doch trotz der sportlich eigentlich sehr ordentlichen Bilanz sprach niemand davon, dass Dortmund einen guten Saisonstart hingelegt hatte.

Das lag zum Einen daran, dass sich das Team teilweise richtig schwer tat. Ein 4:1 gegen RB Leipzig zum Einstand, aber danach ein 0:0 gegen Hannover 96. Ein 3:1 gegen Eintracht Frankfurt, nach welchem Trainer Lucien Favre mehr Zeit forderte und Keeper Roman Bürki konstatierte, man habe Probleme gehabt, Chancen zu kreieren. Der magere Auftritt in der Champions League gegen Brügge, den man dank eines astreinen Zufallstors für sich entschied - Zitat Marco Reus: "Wir haben nach vorn richtig schlecht gespielt." Und schließlich das 1:1 gegen Hoffenheim, mit dem ersten Torabschluss überhaupt nach knapp einer Stunde Spielzeit.

Das Spiel nach vorn krankte gewaltig. Entweder schaffte es das Team überhaupt nicht vor den gegnerischen Kasten, oder Favres Personal fehlte Torriecher und Durchschlagskraft. Und der Torjäger, der derart schmerzlich vermisst wurde, dass Sportdirektor Michael Zorc kurz vor dem Schließen des Transferfensters Paco Alcacer vom FC Barcelona loseiste. Eine, wenn auch hochwertige, Verlegenheitslösung.

Fast schlimmer noch als die sportlichen Schwierigkeiten der jungen, in großen Teilen neu zusammengesetzten Mannschaft, waren allerdings die Nebenkriegsschauplätze. Etwa die ständigen Fragen nach Mario Götze, die Favre sichtlich nervten: In einem Interview nach dem anderen musste er die Botschaft neu verpacken, dass es für den WM-Helden von 2014 derzeit leistungstechnisch einfach nicht reicht. Götze will im Team einer von vielen sein. Sportlich kann er es nicht, medial darf er es nicht.

Dazu kam gegen Hoffenheim eine Entgleisung einiger Fans. Erneut wurde Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp mit einem Plakat aufs Übelste beleidigt. Der Verein ist mittlerweile Wiederholungstäter, was das angeht, und so mussten sich die Verantwortlichen zum wiederholten Male distanzieren. Über Dinge sprechen, über die man eigentlich nicht sprechen will.

7:0 gegen Nürnberg: Talent des BVB blitzt auf

Viel lieber hätte man darüber gesprochen, dass da eine Mannschaft mit ungeheurem Potenzial zusammengestellt worden war. Mit teilweise wenig Erfahrung, aber unzweifelhaft unheimlich viel Talent. Dieses Talent blitzte am Mittwochabend gegen den Club zum ersten Mal so richtig auf. 7:0, der höchste Dortmunder Sieg in der Liga seit September 1986 gegen Blau-Weiß 90 Berlin. Und ein Sieg, der in dieser Höhe nicht zufällig zustande gekommen war.

Es muss erwähnt werden, dass die Nürnberger an diesem Abend nicht immer ernsthaften Widerstand boten. In der zweiten Halbzeit ließ man sich zuerst auskontern, dann ließ man in den Schlussminuten die Viererkette sträflich allein - und die wiederum ließ jede Menge Rasen hinter sich verwaist, in welchen die Dortmunder Spitzen stoßen konnten. "Dieses Gefühl, wann so ein Spiel verloren ist und man den Schaden gering halten muss, haben wir heute verpasst", konstatierte Nürnbergs Abwehrchef Georg Margreitter.

BVB hat gegen FCN die spielerischen Mittel

Aber das allein verkennt, wie gut die Dortmunder auf die zunächst tief stehende Fünferkette der Gäste vorbereitet waren. Geduldig lief der Ball in der Viererkette von einem Flügel zum anderen, auf riskante Pässe aus der eigenen Abwehr wurde verzichtet. Erst wenn der Ball bei Pulisic, Bruun Larsen oder Reus angekommen war, wurde das Tempo blitzartig erhöht.

Das 1:0 war ein Musterbeispiel dafür, wie eine Abwehr geknackt werden kann: In höchstem Tempo startete Pulisic von rechts in die Mitte, gleichzeitig sprintete Bruun Larsen von links zwischen die Innenverteidiger. Ein Pass in die Schnittstelle, ein perfekter Lupfer, ein unheimlich schönes Tor. Auch dem abgefälschten 2:0 ging eine Kombination über mehrere Spieler voraus, die Reus einen ungestörten Abschluss ermöglichten.

Es war Bewegung drin - 142 Sprints vor der Pause, Nürnberg kam auf gerade mal 78. So wurden Räume geschaffen und geschaffene Räume besetzt. gerade mal fünf Flanken wurden aus dem Spiel geschlagen. Die Passquote des Teams betrug überragende 93,5 Prozent.

Zusätzlich zu den spielerischen Mitteln hatte der BVB aber auch die oft vermisste Kaltschnäuzigkeit. Bruun Larsen vollendete in überragender Manier. Hakimi, Reus bei seinem zweiten Treffer und Sancho blieben bei ihren Abschlüssen eiskalt. Wenn dann sogar ein Innenverteidiger wie Akanji mitmacht, sind von zehn Schüssen aufs Tor sieben drin. Plötzlich stellt der BVB mit 15 Toren aus fünf Spielen die beste Offensive der Liga. Mit zwölf verschiedenen Torschützen - wenn der eine Knipser fehlt, muss eben jeder mal ran.

BVB: Keine Fragen mehr nach Götze - sondern nach den Bayern?

Dass mit Bruun Larsen, Akanji und Hakimi gleich drei Spieler ihr allererstes BL-Tor für den Verein überhaupt erzielten und Sancho sein zweites hatte Symbolwirkung: Die Jungen sind angekommen und haben zum ersten Mal gezeigt, wozu sie in der Lage sind.

Gut für Lucien Favre: Spielt seine Mannschaft so auf, hat ein Mario Götze ohne Form schlicht keinen Platz im Team. Favre muss es nicht rechtfertigen, der jungen Garde das Vertrauen zu schenken - und damit auch nicht rechtfertigen, Götze draußen zu lassen.

Schlecht für Favre und die Klub-Verantwortlichen: Jetzt, wo nur noch die Bayern über dem BVB stehen, werden zwangsläufig die Fragen nach dem ersten Bayern-Jäger kommen, der Spannung in der Meisterschaft und einer möglichen Feier am Borsigplatz. Die Bayern, wohl wissend, dass das Thema den Herren Zorc und Watzke überhaupt nicht schmeckt, werden das Feuer schüren und den Druck erhöhen. Die BVB-Verantwortlichen werden abwiegeln und auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der beiden Klubs hinweisen.

Andererseits: Wie sagte Geschäftsführer Watzke noch im April diesen Jahres? "Für uns ist es kein Druck, im Meisterschaftskampf mit Bayern dabei zu sein, sondern Genuss." Dieser Mittwochabend hat zumindest angedeutet, dass er früher oder später wieder in diesen Genuss kommen könnte.

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