Der FC Bayern München hat einen kleinen Tritt in den Arsch bekommen

Niko Kovacs Umstellungen hatten keinen positiven Effekt.
© Getty

Erst fast verloren, dann fast gewonnen: Das 1:1 im Derby beim 1. FC Nürnberg war aus Sicht des FC Bayern München schwer zu bewerten. Das Titelduell mit Borussia Dortmund bleibt wegen des Punktverlusts jedenfalls spannend.

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Da stand Sportdirektor Hasan Salihamidzic also nach Abpfiff in den Katakomben des Nürnberger Stadions und er konnte einem fast schon ein bisschen leidtun. Wie er dieses Spiel denn bewerte, wurde er gefragt, und Salihamidzic war anzusehen und anzuhören, dass er einfach nicht wusste, was er antworten sollte.

Einige Sekunden lang schaute er in die Leere, bewegte seine Lippen wild, aber gab dabei keine Worte, sondern nur Laute von sich. Erst: "Puuuh." Dann: "Aaahm." Dann: "Pah!" Nochmal: Aaahm." Ehe er schließlich doch noch was sagte: "Das war kein gutes Spiel von uns, ganz klar."

Diese Aneinanderreihung von Lauten war die passende Zusammenfassung eines schwer zu beschreibenden Bundesligaspiels. Eines Bundesligaspiels, dessen Geschichte bereits am Samstagnachmittag begonnen hatte. Da gewann der FC Schalke 04 das Revierderby bekanntlich mit 4:2 gegen Borussia Dortmund, was bedeutete: Mit einem Sieg im eigenen Derby beim Abstiegskandidaten Nürnberg am Sonntag würde der FC Bayern an der Tabellenspitze auf vier Punkte davonziehen.

Comans Lauf Richtung Horizont

Greifbar war dieser Vier-Punkte-Vorsprung für den FC Bayern während der 90 Minuten regulärer Spielzeit plus fünf Minuten Nachspielzeit aber nur in der allerallerletzten Minute der Nachspielzeit und auch da nur für etwa 50 Meter.

An der Mittellinie kam Kingsley Coman an den Ball. Keiner war mehr vor ihm, außer Nürnberg-Keeper Christian Mathenia, der am Horizont vor seinem Tor wartete. Coman lief also los und lief und lief. "Ihm gingen viele Gedanken und viele Möglichkeiten durch den Kopf", sagte sein Kollege David Alaba nach dem Spiel. "Da ist es schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen." Als Coman jedenfalls am Horizont angekommen war, entschied er sich dazu, die falsche Entscheidung zu treffen. Statt zum 2:1 ins Tor, schoss er den Ball genau auf den wartenden Mathenia.

Dann war es vorbei, der FC Bayern hatte nur 1:1 gespielt.

Der FC Bayern erspielte sich keine Chancen

Dass Salihamidzic und auch Trainer Niko Kovac dieses 1:1 nach Abpfiff trotz der Chance von Coman "glücklich" nannten, lag an den 94 Minuten davor. "Da hatten wir überhaupt keine richtigen Chancen", sagte Salihamidzic. Alaba und James schossen einen direkten Freistoß jeweils ein bisschen an die Fingerspitzen von Mathenia und ein bisschen an die Latte. Dazwischen brachte Matheus Pereira Nürnberg in Führung, danach traf der eingewechselte Serge Gnabry zum Ausgleich - mit ein bisschen Glück. Robert Bauer hatte eine Coman-Flanke auf Gnabrys Schienbein befördert, von wo der Ball im Tor landete.

Ansonsten? "Das Spiel ist so dahingeplätschert", sagte Salihamidzic. "Den Grund dafür möchte ich auch gerne wissen." Die spielenden Angestellten des FC Bayern warteten immerhin mit ein paar möglichen Erklärungen auf. Laut Alaba war der kräftezehrende 3:2-Sieg im DFB-Pokalhalbfinale am Mittwoch bei Werder Bremen noch "irgendwo in den Beinen". Mats Hummels lieferte gleich eine ganze Bandbreite an Gründen: "Kein Tempo! Fußballerisch zu ungenau! Unzählige freie Ballverluste! Viele Missverständnisse!"

Kovacs Umstellung hatte keinen positiven Effekt

Einmal mehr in dieser Saison ließ der FC Bayern ein schlüssiges Konzept im Offensivspiel vermissen. Nicht gerade förderlich für die Durchschlagskraft gegen zwei dicht gestaffelte Nürnberger Defensivreihen war auch Kovacs überraschender Startelf-Verzicht auf den zuletzt durchschlagskräftigen Offensivspieler Gnabry. Stattdessen begann der defensivere Leon Goretzka. Weil er im Zentrum spielte, rückte Thomas Müller auf die Gnabry-Position am rechten Flügel.

Was Kovac gegen wie erwartet defensiv agierende Nürnberger zu dieser Stärkung der eigenen Defensive animierte, blieb schleierhaft. Positiven Effekt hatte die Umstellung jedenfalls keine: Goretzka gab auf der Zehn kaum Impulse, Müller blieb am rechten Flügel einmal mehr wirkungsloser als in der Mitte und Gnabrys Durchschlagskraft fehlte halt, weil er nicht mitspielen durfte.

Müller: "Haben einen kleinen Tritt in den Arsch bekommen"

Zur Pause korrigierte Kovac seinen Fehler und brachte Gnabry doch noch. Es lohnte sich, denn er traf zum 1:1. Weniger lohnend war dagegen die Einwechslung von James. Bereits nach einer Viertelstunde musste er den Platz angeschlagen wieder verlassen.

Da James direkt in die Kabine marschierte, verpasste er die ereignisreiche Nachspielzeit. Erst hatte Nürnberg so gut wie gewonnen, doch Tim Leibold schoss seinen Elfmeter nur an den rechten Pfosten. Dann hatte der FC Bayern so gut wie gewonnen, doch Coman schoss am Horizont nur Mathenia ab.

"Deswegen schauen wir doch alle so gerne Fußball. Jeder, der es gesehen hat, weiß, dass es verrückt war", sagte Müller und ergänzte: "Wir haben einen kleinen Tritt in den Arsch bekommen, sodass wir nächste Woche noch angestachelter sein werden." Am Samstag empfängt der FC Bayern mit Hannover 96 den zweiten designierten Absteiger.

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