Der FC Bayern München will die Spannung hochhalten: Angst vor dem Schlendrian

Der FC Bayern hat gegen Hoffenheim nach schwacher Anfangsphase gewonnen
© Getty

Der FC Bayern München hat beim 5:2-Sieg gegen die TSG Hoffenheim zum zweiten Mal innerhalb einer Woche die Anfangsphase verschlafen. Zwar gelang es erneut durch eine beeindruckende Leistungssteigerung, das Ergebnis noch zu drehen. Dennoch warnen die Führungsspieler vor dem Schlendrian.

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"Die Bundesliga ist vorbei." Vor knapp drei Jahren sorgte Pep Guardiola in der Schlussphase der Saison mit diesem Satz für eine aufgeregte Diskussion.

Der FC Bayern war zu diesem Zeitpunkt im Mai 2015 bereits Deutscher Meister und legte infolgedessen den 100-prozentigen Fokus auf das Champions-League-Halbfinale gegen den FC Barcelona. So sehr, dass die Rotationsmaschine im Ligaalltag noch einmal heftiger angeschmissen wurde als ohnehin üblich.

Und so verloren die Münchner hintereinander gegen Bayer Leverkusen, den FC Augsburg und den SC Freiburg. Verständlichkeit der Rotation hin oder her - die Bundesliga diskutierte in diesen Tagen heftig über Schlagworte wie Wettbewerbsverzerrung und fehlende Fairness.

In der öffentlichen Meinung fielen Guardiola seine Aussagen vor die Füße. Denn die Bayern verloren das Pokalhalbfinale gegen Borussia Dortmund und wenige Tage später platzte beim 0:3 in Barcelona auch der große Traum von der Champions League.

Bundesliga bereits Ende Januar vorentschieden

Drei Jahre später scheint die Bundesliga bereits Ende Januar zumindest vorentschieden zu sein. 16 Punkte haben die Bayern nach 20 Spielen Vorsprung auf den ersten Verfolger.

Und so redete Thomas Müller nach dem 5:2-Sieg gegen die TSG Hoffenheim, dem siebten Ligasieg in Serie, in der Mixed Zone der Allianz Arena nicht um den heißen Brei herum: "Ich denke nicht, dass noch groß etwas anbrennen wird, wenn man sich den Vorsprung anschaut. So wie ich uns kenne, wird das kein enges Rennen mehr."

Die Münchner lehnen sich wohl nicht weit aus dem Fenster, wenn sie schon beginnen, Glückwünsche zur Meisterschaft anzunehmen. Wenngleich das bis auf Sandro Wagner noch niemand tut - und auch dieser eher im Spaß.

Lewandowski erinnert an den Schlendrian der Vergangenheit

Dennoch erinnerte Robert Lewandowski an die warnenden Beispiele aus der Vergangenheit: "Wir wissen selbst auch, dass wir eine sehr gute Ausgangsposition haben. Für uns ist aber das Wichtigste, dass wir unbedingt jedes Spiel gewinnen wollen. Wir haben es vor zwei, drei Jahren erlebt, als wir auch sehr viele Punkte Vorsprung hatten. Dann ist es manchmal schwierig, wenn man in der Bundesliga auf 80, 90 Prozent spielt, ein paar Tage später in der Champions League plötzlich 100 Prozent abzurufen. Daraus haben wir gelernt."

Ähnliche Töne schlug Müller an, der nach seiner optimistischen Prognose ebenfalls mahnte: "Andererseits geht es auch darum, dass kein Schlendrian mehr reinkommt. Wir müssen Woche für Woche nutzen, um zu zeigen, wie stark wir sind, um uns auch selbst zu zeigen, was wir können. Dann kann man Selbstvertrauen aus jeder Partie ziehen. Wir haben schon noch Ziele und es sind ja nicht alle Wettbewerbe schon vorentschieden."

Beide sprachen explizit die anderen Ziele der Saison an. Die Pokalwettbewerbe. Und dass die Mannschaft die Bundesliga deswegen zu 100 Prozent seriös angehen müsse, um "die Form hoch zu halten" (Lewandowski).

Bundesliga für den FC Bayern nur noch intensives Training

In gewisser Weise ist die Bundesliga für den Rekordmeister in der Saison 2017/2018 bereits nach 20 Spieltagen zur intensiven Trainingseinheit geworden.

Wie schwierig es jedoch ist, die Spannung angesichts eines gefühlt uneinholbaren Vorsprungs in jedem Spiel von Beginn an hoch zu halten, offenbarten die Bayern nun in zwei Heimspielen innerhalb einer Woche.

Wie gegen Werder Bremen wirkte der Spitzenreiter gegen die TSG in der Anfangsphase nicht bei der Sache. Das komplett ausgetauschte Mittelfeld (Rudy, Vidal und Tolisso für Martinez, James und Müller) hatte Probleme beim Verschieben und bot dadurch Räume zwischen Abwehr und Verteidigung. Hoffenheim nutzte diese und führte bereits nach 12 Minuten mit 2:0.

"Wir haben in den ersten 20 Minuten geschlafen, keine zweiten Bälle bekommen und vieles vermissen lassen", gab Jerome Boateng später zu. Auch Lewandowski stieß die erneut nachlässige Anfangsphase sauer auf: "Wir haben jetzt zwei Spiele hintereinander nicht so gut angefangen, waren zu langsam, zu wenig aggressiv und haben heute auch zwei Gegentore bekommen. Das bedeutet, dass wir Potenzial haben, noch besser zu spielen."

FC Bayern nicht unverwundbar

Unverwundbar wirken die Bayern seit Wochen nicht. Zum Ende der Hinrunde quälten sie sich mehr zu ihren Siegen, kamen gegen Eintracht Frankfurt, den 1. FC Köln, den VfB Stuttgart und auch im Pokal gegen Borussia Dortmund mit einem blauen Auge davon.

Damals wackelten die Münchner besonders zum Ende der Spiele. Offenbar eine Auswirkung des Kraftakts, den die Mannschaft bewältigte, um den großen Rückstand auf den BVB in einen großen Vorsprung zu verwandeln.

Lewandowski: Egal, wie hoch der Vorsprung ist

Nun zeigten sich zweimal Nachlässigkeiten zu Beginn einer Partie. Ist es ein Probem, angesichts des Punktepolsters die richtige Einstellung zu Bundesligaspielen zu entwickeln? "Manchmal muss man vor dem Spiel versuchen, nicht an den Vorsprung zu denken, sondern sich für das Spiel ein eigenes Ziel setzen", gab Lewandowski zu. Der Fokus müsse auf jedem Spiel liegen, "egal, ob wir 10, 15, 20 oder 25 Vorsprung haben".

Ein hehrer Vorsatz. Und zuletzt gelang es aufgrund von beeindruckenden Leistungssteigerungen auch zweimal, noch deutliche Siege herauszuschießen.

Die besorgniserregende Erkenntnis ist jedoch: Selbst wenn die Münchner in so einer Partie einmal Punkte lassen würden, wäre es angesichts des riesigen Vorsprungs und der nicht konstant punkteten Verfolger objektiv auch zu verschmerzen.

Und genau deswegen haben die Bayern schon jetzt eine besondere Rolle für den restlichen Saisonverlauf. Qua Leistungsfähigkeit müssten sie ihre Spiele (nahezu) alle gewinnen. So können sie aber auch ein Zünglein an der Waage werden.

Es käme nicht aus heiterem Himmel, wenn die Bundesliga in den kommenden Wochen und Monaten wieder einmal an den Punkt käme, über Wettbewerbsverzerrung zu diskutieren.

Bislang ist das nicht der Fall und nicht nötig. Zumal das Brot-und-Butter-Geschäft Bundesliga für die Bayern noch eine wichtige Funktion hat: intensives Training für die sonstigen Ziele.

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