Die zwei Arten von Kommerz

Ralph Hasenhüttl und sein Team stehen auf Platz 3 der Tabelle
© Getty

RB Leipzig siegt beim enttäuschenden VfL Wolfsburg und klettert in der Tabelle weiter empor. Es ist eine anschauliche Momentaufnahme, die verdeutlicht, was mit Geld im Fußball möglich ist - wenn eine Idee dahinter steckt.

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Klaus Allofs' Blick bewegte sich ein bisschen hektisch von links nach rechts und zurück. Keine drei Minuten zuvor hatte Schiedsrichter Sascha Stegemann eine Partie abgepfiffen, die seine Mannschaft wieder verloren hatte. Dass ihm direkt die Trainerfrage gestellt wurde, fand der VfL-Manager "normal", allerdings gelang es ihm nicht, die kleine Provokation so souverän wegzulächeln wie zuletzt. Allofs wirkte unschlüssig.

Die Gegenseite hatte ganz andere 'Probleme'. Ralph Hasenhüttl war bemüht, keine zu große Euphorie aufkommen zu lassen, nachdem seine Mannschaft auf Platz drei der Tabelle geklettert war: "Natürlich sind wir im Moment über dem Soll. Darüber freuen wir uns", sagte der RB-Coach nach dem Spiel, wollte aber unbedingt loswerden: "Wir sind sehr demütig und bescheiden."

Tatsächlich ist es noch verhältnismäßig ruhig um den Rekord-Aufsteiger, der keines seiner ersten sieben Bundesliga-Spiele verlor. Als vollkommen unerwartet würde den astreinen Saisonstart der Roten Bullen wohl kaum jemand bezeichnen. Eher finden sich zuhauf gegensätzliche Meinungen.

Doch so selbstverständlich, wie einige Leipzigs Erfolg der letzten Wochen empfinden, ist er nicht. Es steckt mehr dahinter als die hohe Qualität teuer verpflichteter Individualisten. Den Vorwurf muss sich eher der VfL gefallen lassen.

Welche Idee verfolgen Allofs und Hecking?

Einen Umbruch nach der verkorksten letzten Saison wollte Wolfsburg in diesem Jahr einleiten. Personell wie spielerisch. Nach sieben Spieltagen, die gerade einmal sechs Zähler auf das VfL-Punktekonto spülten, darf, nein müssen die Handelnden sich hinterfragen.

Dass Julian Draxler trotz seines öffentlichen Wechselwunschs gehalten wurde, kann zwar ebenso als Erfolg verbucht werden wie die Verpflichtung von Mario Gomez. Allofs und Hecking sind aber eine Antwort auf die Frage schuldig, welche Idee sie mit dem vorhandenen Spielermaterial überhaupt verfolgen. Gibt es überhaupt eine konkrete Spielphilosophie?

Auch gegen Leipzig war nicht ersichtlich, über welchen Weg die Wölfe strukturiert zu einem Torabschluss kommen wollten. Sinnbildlich spielten die Gastgeber 15 (!) hohe Bälle aus dem Spiel heraus, Leipzig derer drei.

Wo ist die teure Qualität?

Nach nur wenigen Minuten, die Wolfsburg artig mit hohem Ballbesitz begann, zeigten sich die Gastgeber bereits extrem beeindruckt vom Tempo-Umschalten und dem hohen Druck der Gäste.

Der vergebene Elfmeter von Emil Forsberg läutete die dominante Phase der Bullen ein, Wolfsburg trabte nur noch hinterher und schaffte es in der zweiten Hälfte, sage und schreibe einen Schuss aufs RB-Tor zu bringen. Es gab überhaupt keine Angriffsmuster - trotz der vermeintlich hohen Qualität im zusammengekauften Kader.

"Atemberaubende Entwicklung"

Ganz anders sah das bei Leipzig aus: Hohes Pressing, schnelles Umschalten nach Ballgewinn - die Muster des Neulings sind längst bekannt. Konsequent verfolgte RB seine Spielidee auch in der Volkswagen Arena und bewies nebenbei, sogar mit viel Ballbesitz umgehen zu können.

Die Offensive war immer in Bewegung, Forsberg und vor allem der sehr agile Poulsen ließen sich immer wieder in die Zwischenräume fallen, um anspielbar zu sein und den Außenspielern das Aufrücken zu ermöglichen.

Selbst nach dem Rückschlag des verschossenen Elfmeters, nach dem in der Halbzeitpause "ein bisschen Enttäuschung" zu spüren war, wie Hasenhüttl sagte, kam RB selbstbewusst zurück auf den Platz, "denn wir hatten Lösungen", so der Trainer: "Wir sind immer besser geworden und hätten höher gewinnen müssen."

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"Wir sind aber mit einer jungen Mannschaft in der Entwicklung. Und diese Entwicklung ist atemberaubend", beendete Hasenhüttl letztlich sein Plädoyer. Gerne hätte sicher auch Hecking solche Worte gefunden, doch von Schritten nach vorne ist seine Truppe derzeit weit entfernt: "Wir haben keinen Zugriff mehr gefunden, sodass die Niederlage am Ende verdient war."

Entscheidend ist die Spielphilosophie

Wer den VfL Wolfsburg und RB Leipzig am Wochenende spielen sah, der fand wohl kaum Schnittmengen zwischen den beiden Vereinen. Doch so unterschiedlich die beiden Klubs derzeit auftreten, so sehr eint sie doch ein Aspekt, wegen dem sie in den letzten Jahren immer wieder in der Diskussion standen: Die Finanzierung der Profi-Abteilung.

Auch, wenn der VfL stets betont, der Verein refinanziere sich längst selbst, so kann man nicht leugnen: Wolfsburg und Leipzig sind Kommerzvereine. Dass Geld auch im Sport viel bewegen kann, es aber nicht muss, zeigte das Topspiel am Sonntag eindrucksvoll. Denn Kommerz hat viele Facetten. Eine davon ist die Entwicklung einer Spielphilosophie. Dieser Vorgang unterscheidet sich bei beiden Klubs deutlich.

Die Niederlage gegen RB war für den VfL nicht nur sportlich ein weiterer Schlag ins Gesicht, sondern auch das große Ganze betreffend. Denn der munter aufspielende Neuling hat den Niedersachsen gezeigt, was möglich ist - wenn man eine Idee hat.

Wolfsburg - Leipzig: Daten zum Spiel