Der Gang über den Schweinehund

Die Schalker Spieler bedankten sich nach dem 4:0-Sieg beim Schalker Publikum
© getty

Nach fünf Niederlagen zu Saisonbeginn darf der FC Schalke 04 unter Markus Weinzierl durch den 4:0-Sieg gegen Gladbach erstmals durchatmen. Der Trainer ist stolz auf die Mentalität seiner Mannschaft. Das Fundament für den Schritt in die richtige Richtung hat jedoch ein anderer gelegt: Christian Heidel.

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"Der S04 ist wieder da", grölten über 50.000 Schalker Fans aus voller Kehle. Die Veltins Arena bebte wie lange nicht. Kurz danach der nächste Gänsehaut-Moment: "Kennst du den Mythos vom Schalker Markt? Die Geschichte, die dort begann. Der FC Schalke wurde Legende. Eine Liebe, die niemals endet."

Erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit haben die Schalker Fans etwas zu feiern - und das tun sie ausführlich. Vor heimischer Kulisse nehmen die Königsblauen nicht irgendwen, sondern Borussia Mönchengladbach innerhalb kürzester Zeit auseinander.

Zwischen der 52. und der 58. Minute treffen die Schalker binnen sechs Minuten dreimal, später legen sie sogar noch das 4:0 nach. An einem Nachmittag erzielen die Knappen doppelt so viele Tore wie in den bisherigen fünf Spielen.

"Es ist eine riesige Last von unseren Schultern gefallen", gab Markus Weinzierl nach dem Spiel zu: "Wenn du so einen Start hinlegst und heute 4:0 gewinnst, dann ist das eine riesen Erleichterung. Es war keine einfache Woche für die Mannschaft. Ich bin stolz. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dem Druck heute so standzuhalten."

Wutrede als Wendepunkt

Den Druck hatten sich die Schalker durch den verheerenden Saisonstart selbst gemacht: Fünf Spiele, fünf Niederlagen, 2:10 Tore - so schlecht war zuvor noch nie ein Trainer in eine Amtszeit bei den Königsblauen gestartet.

Gerade einmal eine Woche ist es her, dass der neue Sportvorstand Christian Heidel nach der 1:2-Niederlage bei der TSG Hoffenheim auf den Tisch haute: "Der Zeitpunkt ist gekommen, um ein paar Dinge festzustellen. Dem ein oder anderen ist offenbar noch nicht bewusst, wo wir zu Recht stehen. Bei einigen ist diese Realität noch nicht angekommen. Das muss schnell in die Köpfe rein. Wir sind in der ersten Hälfte 53 Kilometer gelaufen. Das ist beunruhigend wenig."

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Bei seinem Rundumschlag verzichtete Heidel aber auffälligerweise auf eines: Kritik an seinem Trainer. Stattdessen nahm er die Mannschaft in die Pflicht: "Hier herrscht eine Lethargie. Aber das werden wir nicht länger zulassen. Die, die dieses Phlegma haben, spielen dann nicht mehr. Dann kommen Leute rein, die malochen."

Sogar das Tabuwort "Abstiegskampf" hatte Heidel in den Mund genommen. Mit der Wutrede könnte er das Fundament für künftige Erfolge gelegt haben.

Glück erzwungen

Eine Woche später hat sich die Mannschaft die Kritik des Bosses zu Herzen genommen. Denn wenngleich das deutliche Ergebnis einen leicht verzerrten Eindruck von den Kräfteverhältnissen in der Partie gegen die Borussia abbildet, zeichnete die Weinzierl-Truppe am Sonntag vor allem eines aus: der Wille.

Kämpfen, kratzen, beißen - das honoriert das Schalker Publikum und stimmt auch die Verantwortlichen zufrieden: "Wir haben mit Leidenschaft gespielt", analysierte Weinzierl: "Wir sind über den Schweinehund gegangen und haben das notwendige Glück erzwungen."

Mentalität stimmt

Tatsächlich war die Mentalität der Königsblauen eine andere als zuletzt: Die Hausherren liefen 113,19 Kilometer und damit über einen Kilometer mehr als die Gladbacher. Auch bei Sprints (186:162) und intensiven Läufen (573:544) hatten die Gelsenkirchener die Nase vorne.

Einer, der sich dabei besonders hervortat, war Neuzugang Breel Embolo. Der 19-Jährige stand nach seinen ersten Wochen auf Schalke massiv in der Kritik. Nach einigen schwachen Auftritten auf der Außenbahn waren erste Urteile vernichtend. Von einem Fehleinkauf sprachen die ersten Kritiker gar.

Der starken Leistung am Donnerstag gegen Red Bull Salzburg ließ Embolo nun seinen bisher besten Auftritt im königsblauen Dress folgen. Neben seinen zwei Treffern stellte der 19-Jährige seine kämpferischen Fähigkeiten unter Beweis. Er führte 35 Zweikämpfe - die meisten aller Akteure auf dem Platz - und entschied davon 52,2 Prozent für sich.

Kritiker verstummt

Dass sein Treffer auch ein Statement gegen seine Kritiker war, zeigte er mit seinem Torjubel, bei dem er sich die Ohren zuhielt. "Schwer war es nicht, aber es war neu für mich. Ich habe das noch nie erlebt", sagte Embolo nach dem Spiel über die Kritik: "Die Mannschaft stand hinter mir und der Trainer hat mir viel Vertrauen gegeben."

Ein Sonderlob sprach hinterher auch Heidel aus: "Es ist ein toller Junge, der 19 Jahre alt ist. Manche erwarten, dass er auf Platz eins der Torschützenliste steht. Der Junge ist hier goldrichtig auf Schalke. Wir werden noch viel Freude an ihm haben."

So sehr sich alle über die starke Leistung des Neuzugangs freuen, könnte diese auch eine Baustelle bei den Königsblauen aufreißen: Seine beiden guten Partien spielte Embolo nämlich in Abwesenheit des grippekranken Klaas-Jan Huntelaar auf der Mittelstürmer-Position.

Hunter als erster Härtefall?

Der Niederländer hatte bislang in der Saison vor allem im kämpferischen Bereich nicht überzeugt. Zum Vergleich: In der Vorwoche gegen Hoffenheim führte der Hunter nur sieben Zweikämpfe, von denen er 28 Prozent gewann. Gegen Köln waren es 13 Zweikämpfe (35 Prozent), davor gegen Hertha gewann er von acht Duellen nur eines.

Wird die jahrelange Torgarantie Weinzierls erster Härtefall auf Schalke? Die Argumente, die Offensive nach der Partie gegen Gladbach auseinander zu reißen, sind überschaubar. Ob sich der Hunter wortlos ins zweite Glied begibt, darf zumindest angezweifelt werden.

An neue Baustellen wollten die Schalker im Moment des Erfolges aber nicht denken. Der heimliche Architekt des Sieges bremste eine Woche nach seiner Wutrede die Euphorie: "Ich will mir den Sieg nicht ans Revers heften, weil ich zwei oder drei Worte gesprochen habe. Es war mein Eindruck, dass es wichtig war, für die Situation zu sensibilisieren. Es ist ein Anfang geschaffen, aber auch nicht mehr. Wir haben drei Punkte gemacht, nicht mehr und nicht weniger. Jetzt müssen wir in Augsburg nachlegen."

Tatsächlich gilt für die Schalker, nach dem ersten Sieg nicht mal einen Millimeter abzuheben. Die Wochen nach der Länderspielpause haben es in sich: Zuerst trifft Weinzierl auf seine alte Liebe, den FC Augsburg. Dann geht es zu Heidels alter Angetrauten, dem FSV Mainz 05. Und danach steht das Spiel aller Spiele an: das Revierderby gegen den BVB.

Wenn die Fans am 29. Oktober im Westfalenstadion ebenfalls den Mythos vom Schalker Markt besingen, ist der S04 wieder da. Der erste Schritt ist gemacht, doch es sind noch einige zu gehen.

Schalke - Gladbach: Die Statistik zum Spiel

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