Wenn die Drehscheibe klemmt

Borussia Dortmund kassierte in Leverkusen die zweite Niederlage der Saison
© Getty

Nach der Niederlage bei RB Leipzig verliert Borussia Dortmund auch die Partie gegen Bayer Leverkusen. Beides Mannschaften, die bewiesen haben: Presst man früh und stellt Julian Weigl im BVB-Spielaufbau konsequent zu, wird das Ballbesitzspiel der Borussia schnell anfällig.

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Thomas Tuchel hatte schon zwei Sätze gesagt, doch zur Sicherheit schaute er lieber noch einmal nach unten. In seiner Hand versteckte er ein weißes Zettelchen.

"Ich habe es mir extra aufgeschrieben", äußerte Tuchel dann im Interview bei Sky. "Gegen Mainz hatten wir 20 Fouls gegen uns, gegen Freiburg waren es 27 Fouls gegen uns. Wir mussten auch wieder verletzungsbedingt wechseln. Irgendwann sind da Grenzen überschritten."

Borussia Dortmund hatte soeben 0:2 in Leverkusen verloren und damit die zweite Saisonniederlage im sechsten Spiel einstecken müssen. Tuchel begründete die Pleite mit physischer wie psychischer Müdigkeit. "Man hat uns den Substanzverlust angemerkt", so der Coach.

Tuchel sah Dortmund drückend überlegen

Das kam für ihn womöglich etwas überraschend, denn noch am Freitag bekundete Tuchel in der Pressekonferenz vor der Partie, dass seine Spieler beim Training an jenem Tag trotz der zuletzt fordernden Wochen wieder eine gewisse Frische ausgestrahlt hätten.

Was jedoch nicht überraschend kam, war die Spielweise des Gegners. Es ist zwar richtig, dass der BVB das Gros an Ballbesitz hatte und vor allem gegen Ende der beiden Halbzeiten auch offensiv gefährlich wurde.

Gemessen am Spielverlauf und den Dortmunder Leistungen der letzten drei Wochen war Leverkusen aber der verdiente Sieger einer intensiven Begegnung. Insofern verwunderte Tuchels Aussage nach der Partie schon ein wenig, er habe sein Team drückend überlegen gesehen.

Drehscheibe Weigl kaum anspielbar

Die Begegnung erinnerte in vielen Phasen an Dortmunds 0:1-Niederlage bei RB Leipzig. Sowohl der Aufsteiger als auch Bayer sind Mannschaften, die sehr früh und durchgängig pressen, viele und bisweilen harte Zweikämpfe tief in des Gegners Hälfte führen.

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Es ist daher mehr als nur eine Parallele, dass beide Teams auf sehr ähnliche Weise gegen die Borussia zum Sieg kamen. Auch Leverkusen kappte durch sein aggressives Vorwärtsverteidigen und eine enorme Kompaktheit gegen den Ball die Verbindungen im Dortmunder Aufbauspiel. So war der von der Süddeutschen Zeitung treffend als Drehscheibe bezeichnete Julian Weigl im Zentrum kaum anspielbar.

Das bedeutete nun bereits zum zweiten Mal, dass der BVB dann weder Tiefe, noch Schnelligkeit in sein Spiel bringen konnte. Denn Weigl ist dafür zuständig, die breit stehenden Offensivspieler einzusetzen, die meist in den Räumen hinter dem defensiven Mittelfeld und vor der Abwehrkette des Gegners hin und her rochieren.

Dortmunder Hektik statt Ruhe

"Die Idee war da, dies zu unterbinden", sagte Marcel Schmelzer, der am Samstagabend erstmals in dieser Saison nicht in der Startelf stand, zum Zustellen Weigls. "Wir konnten es einfach nicht richtig umsetzen. Wir hätten von hinten noch mehr Druck auf die Stürmer ausüben müssen, um es den Mitspielern dann einfacher zu machen, wenn wir den Pass spielen."

So jedoch stockte das Ballbesitz- und daraus resultierend auch das Positionsspiel der Tuchel-Elf. Auch der Aufbau mit einer Dreierkette - in Leipzig mit Sebastian Rode, in Leverkusen schob Raphael Guerreiro als Hilfe neben Weigl - funktionierte nicht wie geplant. Durch die intensive Gangart des Gegners mangelt es dann zudem an der nötigen Ruhe mit dem Ball am Fuß, was teilweise schon zu Zeiten von Jürgen Klopp zu beobachten war - und permanent die Gefahr für Konter mit sich bringt.

Dortmund lässt sich so teils von der Hektik im Spiel anstecken. Gelingt es dem BVB dennoch einmal, sich spielerisch ins vordere Drittel zu kombinieren - und diese Situationen gab es unterm Bayer-Kreuz durchaus -, fällt die Entscheidungsfindung unter den vom Gegner provozierten Stresssituationen zu fehlerhaft aus.

BVB beklagt sich über Leverkusener Fouls

"Eigentlich wollten wir versuchen, den Gegner im Eins gegen Eins auszuspielen. Gerade auf der letzten Linie haben wir das aber nicht gut hinbe

kommen", so Schmelzer. "Da haben wir es unseren Mitspielern dann auch nicht einfach gemacht. Den Ball dann einfach nur abzuspielen und zu gucken, was passiert, ist zu wenig. Gerade gegen einen Gegner, der so viel Druck aufbaut."

Tuchel war nicht der einzige Dortmunder, der sich anschließend über die insgesamt 21 Foulspiele der Leverkusener beklagte. Die Werkself strapazierte das Regelwerk zwar schon, die von Tuchel angeprangerte Grenzüberschreitung ist jedoch etwas zu hoch gegriffen.

Zumal selbst der BVB-Trainer ein paar Prozent Verständnis für diese Herangehensweise mitbrachte, denn er weiß ja: Wohl nur so lassen sich die Dortmunder Tempodribbler in der Offensive effizient ausbremsen.

"Natürlich wollten wir nachziehen"

Werden sie hart attackiert, nimmt man den Schwarzgelben zahlreiche Passverbindungen in diesem Spielfeldbereich. Schaffen es dann Ousmane Dembele, Emre Mor und Co. nicht, ihre Eins-gegen-eins-Situationen erfolgreich zu auszuspielen, ersticken Dortmunds Bemühungen zu einem Großteil.

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Nach den teils euphorischen Partien der jüngeren Vergangenheit ist die Schlappe in Leverkusen ein Dämpfer für den BVB. Erst recht, da die Konkurrenz aus München erstmals Punkte in dieser Saison abgegeben hat.

Tuchel wollte anschließend freilich nicht zugeben, dass ihn auch diese Dimension der Niederlage ärgere. "Natürlich wollten wir nachziehen, weil Bayern Punkte liegengelassen hat", sagte Schmelzer.

Dass im Entwicklungsprozess der neuen Dortmunder Mannschaft Probleme auftauchen würden, war nicht schwer zu prognostizieren. Doch vor allem wird es künftig interessant zu beobachten sein, wie viele Gegner es mit einer ähnlich mutigen Herangehensweise gegen den BVB versuchen werden - und wie die Borussia dann darauf reagiert.

Leverkusen - Dortmund: Daten zum Spiel