Prüfung bestanden, aber...

Pierre-Emerick Aubameyang erzielte in Wolfsburg seine Saisontreffer drei und vier
© Getty

Drei Spiele, drei Siege, sagenhafte 17:1 Tore - nach der Niederlage bei RB Leipzig ist Borussia Dortmund zuletzt enorm ins Rollen gekommen. Beim 5:1-Auswärtssieg gegen den VfL Wolfsburg glänzte die BVB-Offensive ein weiteres Mal, defensiv zeigten sich die Borussen jedoch trotz des klaren Ergebnisses anfällig.

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Der Blick für die Realität war nirgends vernebelt. Wenn eine Fußballmannschaft zwei Mal in Folge innerhalb von wenigen Tagen sechs Tore schießt und die Gegner nach Belieben dominiert, dann besteht oft die Gefahr, sich zu sehr an den jeweiligen Ereignissen zu berauschen.

Das tat bei Borussia Dortmund nach den beiden 6:0-Erfolgen in Warschau und gegen Darmstadt niemand. Die Saison ist schließlich auch noch viel zu jung, um aus diesen ersten Auftritten weitreichende Schlüsse für die nächsten Monate zu ziehen.

Thomas Tuchel meinte zwar, dass man die beiden Siege trotz der unterirdischen Gegenwehr nicht geringschätzen solle. Immerhin sorgten die Kantersiege nicht nur für Selbstvertrauen, sie waren auch ein Indiz dafür, dass die Offensivabteilung der Borussia weiter zusammen findet.

Prüfung auf neuem Niveau

Dem Dortmunder Coach war aber wie allen anderen Beobachtern klar: Am Dienstagabend in der Volkswagen-Arena werden die Begebenheiten neu eingeordnet.

Man werde gegen Wolfsburg auf einem ganz anderen Niveau abgeprüft, sagte Tuchel vor der Partie und es war an seiner Mimik abzulesen, dass er selbst nicht genau wusste, wie seine Truppe mit dieser Aufgabe umgehen werde.

Schließlich setzte es gegen die beiden anderen wirklich ernst zu nehmenden Gegner in dieser Pflichtspielsaison, den FC Bayern München im Supercup und RB Leipzig in der Liga, zwei Niederlagen.

17:1 Tore in drei Spielen

Ein 1:5 stand am Ende auf der Anzeigetafel in der Autostadt, der BVB erhöhte seine Tor-Zwischenbilanz auf sagenhafte 17:1 Treffer in den letzten drei Partien. Allerdings war die Partie beim VfL keineswegs so deutlich, wie es das Ergebnis vermuten lässt.

Dortmunds Startphase war grandios und man merkte, wie sehr es dem Team daran gelegen war zu zeigen, dass es eben nicht nur an der minderen Qualität der letzten beiden Kontrahenten lag, weshalb die Begegnungen so deutlich gewonnen wurden.

Die Geschwindigkeit und Effizienz, die die Offensive der Borussia in diesen Tagen an den Tag legt, ist brachial. Doch der Aufsteiger aus Leipzig machte es vor: Wenn es gelingt, den Spielvortrag zu stoppen, bevor der Ball in die vordere Mittelfeldreihe gelangt, dann sind die Dortmunder einem Großteil ihrer Stärken beraubt. Denn dann fehlt es an Tiefe und Tempo.

Vorsprung bringt keine Sicherheit

Dies jedoch gelang Wolfsburg in der Anfangsphase überhaupt nicht, immer wieder liefen die BVB-Sprinter aus dem Halbfeld oder über die Flügel zielstrebig kombinierend mit Volldampf auf die gegnerische Abwehrformation zu. Passiert dies, ist es für den Gegner zu spät. Der schnelle 0:2-Rückstand war so von den Wölfen nicht aufzuhalten.

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Was Tuchel aber sicherlich notiert hat, ist die Reaktion der Borussen auf diese prompte und komfortable Führung. Der Vorsprung verlieh seiner Mannschaft nämlich keine Sicherheit, stattdessen wurde Dortmunds Ballbesitzspiel fahrig und der Gegner begann, nach und nach zu dominieren.

Es folgte - auch über die gesamten 90 Minuten gesehen - die defensiv schwächste Leistung des Vizemeisters in dieser noch jungen Spielzeit. Obwohl der VfL unter Dieter Hecking seit jeher sein Heil im Flügelspiel sucht und fast ausschließlich über dortige Durchbrüche und Hereingaben gefährlich wird, gelang es den Gästen nicht, diese Angriffsstruktur zu unterbinden. Dem BVB fehlte es schlicht an der nötigen Kompaktheit gegen den Ball. "Wir mussten viel leiden", sagte Tuchel - und sie mussten 15 Torschüsse der Niedersachsen hinnehmen.

Bartra wird Dortmund fehlen

Wolfsburg hätte bis zur 60. Minute gut und gerne vier oder gar fünf Tore schießen können, wenn nicht müssen. Der BVB ließ die nötige Stabilität auf den Flügeln vermissen, das sehr mannorientierte Verhalten der Schwarzgelben half nicht, Zugriff auf die Hausherren zu bekommen.

Den Wölfen wiederum half dies nicht nur aufgrund ihrer schwachen Chancenverwertung wenig. Sie zeigten sich auch nach Ballverlusten kaum abgesichert und sahen mitten in ihre Drangphase hinein plötzlich wieder Dortmunder Angriffswellen auf sich zurollen. Wie man es vor dem Kasten macht, demonstrierten die Westfalen dann auch in Abschnitt zwei, als man innerhalb von 15 Minuten drei weitere Tore folgen ließ. Kaltschnäuzigkeit als erstes, frühes Saison-Merkmal.

Unter dem Strich hat Dortmund die Prüfung für den Moment bestanden, das "Aber" speist sich jedoch aus der langen Leidenszeit in der Defensive. In der wird am kommenden Freitag, wenn der SC Freiburg im Signal Iduna Park gastiert, wohl der bislang der mehr als solide Marc Bartra fehlen. Der Spanier ließ sich mit muskulären Problemen im Adduktorenbereich früh auswechseln.

Zu früh für das große Hurra

Ob es für die Champions-League-Partie in der kommenden Woche gegen seine Landsmänner von Real Madrid reicht, bleibt abzuwarten. Gegen den Bundesliga-Aufsteiger dürfte zunächst wie schon in Wolfsburg Matthias Ginter seinen Platz einnehmen.

Bis zum Duell mit den Königlichen wird Tuchel noch an der defensiven Anfälligkeit schrauben müssen, die die Dortmunder Abwehr am Dienstagabend offenbarte. Aber auch schon zuvor, nur gegen Trier im Pokal und die 0:6-Teams blieb der BVB in dieser Saison ohne Gegentreffer.

Eine Redensart besagt ja: Man wächst mit seinen Aufgaben. Das taten Tuchels Mannen in Wolfsburg zweifelsfrei, für das große Hurra ist es trotz des Kantersieg-Dreierpacks aber noch deutlich zu früh.

Wolfsburg - Dortmund: Daten zum Spiel