Halbe Sachen

Carlo Ancelotti und der FC Bayern sich nun offiziell Hinrunden-Meister
© Getty

Der FC Bayern startete mit einem 2:1-Sieg in Freiburg ins neue Jahr, es war ein Spiel der halben Sachen. Irgendwie gehörte es als letztes Hinrundenspiel noch zur Saisonhälfte, in der die Spieler laut Trainer Carlo Ancelotti Fehler machen dürfen. Irgendwie aber auch schon zur zweiten, da die Winterpause schon zurückliegt. Halbe Sachen machten die Bayern dann auch auf dem Platz: Spielerisch überzeugten sie kaum, charakterlich dafür umso mehr.

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Dass Carlo Ancelotti ein Freund von edlen Rotweinen und saftigen Steaks ist, ist schon lange bekannt. Und auch abgesehen von kulinarischen Vorlieben weiß man, was der Italiener gern hat: Er mag zum Beispiel seine Spieler und zieht im Umgang mit ihnen deshalb naturgemäß der Peitsche das Zuckerbrot vor. (Womöglich hat aber auch das einen kulinarischen Hintergrund, gehört das Zuckerbrot doch zu selbiger Spezies)

In den vergangenen Wochen, als Ancelotti mit seinen Bayern in der Sonne von Katar weilte, offenbarte er darüber hinaus einige Male eine weitere Vorliebe von ihm: Zweite Teile von Fußball-Saisons.

"Ich will meine Spieler nicht schon in der ersten Hälfte der Saison killen", sagte Ancelotti etwa, er braucht sie ja noch für die bessere Hälfte. Oder auch: "Es ist erlaubt, Fehler im ersten Teil der Saison zu machen. Aber du darfst keine Fehler im zweiten Teil der Saison machen." Im ersten Teil der Saison hielten sich seine Spieler an diese Ansage, sie machten durchaus einige Fehler. Im zweiten sollten sie also keine mehr machen.

Ganz automatisch stellte sich da die Frage: Zählte dieses Jahres-Auftaktspiel beim SC Freiburg noch zum ersten Teil der Saison? Oder schon zum zweiten? Schlüssige Argumente gibt es für beide Umstände (letztes Spiel der Hinrunde, erstes Spiel nach der Winterpause). Irgendwie eine halbe Sache war das Gastspiel in Freiburg also schon vor dem Anpfiff.

Nach dem Abpfiff argumentieren seine Spieler dann aber wohl geschlossen: Gehörte noch zum ersten Teil. Sonst hätten sie ihren zuckerbrotverteilenden Trainer doch direkt beim ersten Akt seiner Lieblingszeit enttäuscht. 2:1 hatten die Bayern zwar gewonnen in Freiburg, aber nur mit äußerster Mühe.

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Selbstverlesene Anklagepunkte

Nach der sonnenverwöhnten Zeit in Katar traf es sich eigentlich ganz gut, dass die Bayern direkt in die Stadt weiterreisen durften, die sich gerne und auch nicht ganz unstolz mit dem Ehrentitel "Miami Deutschlands" schmückt. Doch was draufstand, war nicht drin, keine Spur von Florida in Freiburg.

Da lag kein Rasen, der wie in Katar laut FCB-Präsident Uli Hoeneß "mit der Nagelschere gepflegt" wurde. Stattdessen erwarteten die Münchner zünftige Minusgrade sowie ein latent gefrorener und entsprechend harter Boden. Dass es nicht unbedingt gut war, was sie dann darauf spielten, das wussten sie auch selbst.

Es ehrt die Bayern, dass sie die entsprechenden Anklagepunkte direkt nach Abpfiff selbst verlasen: Thomas Müller legte los und kritisierte, "dass wir heute keinen guten Spielaufbau hatten" und, "dass sich die Mittelfeldreihe vielleicht zu wenig bewegt hatte". Arjen Robben war der Nächste, er fand, "dass wir nicht schnell genug gespielt haben". Völlig einer Meinung war er dabei mit Robert Lewandowski, der nicht nur die Schnelligkeit seines Teams bekrittelte, sondern gleich auch die Flexibilität.

Erzwungenes Glück

Die Flexibilität, die der bayerischen Mannschaft fehlte, hatte aber zumindest sein polnischer Körper. Zweimal setzte er ihn flexibel und in höchster Grazilität in Szene, um den Ball ins Tor zu befördern. Erst hob er sein linkes Bein erstaunlich hoch und schoss so das 1:1. Dann, es lief bereits die Nachspielzeit, nahm er den Ball mit der Brust an, ließ ihn einmal auf seinen rechten Fuß fallen und von dort auf den linken und dann ins Tor. "Weltklasse", fasste Freiburg-Trainer Christian Streich treffend zusammen.

"Ich will einfach spielen und alles probieren", sagte dagegen Lewandowski selbst und gab auch zu, dass bei diesem besonders schönen zweiten Tor "etwas Glück" dabei gewesen sei. Glücklich war ob des teilweise behäbigen Spiels und des späten Tores auch der daraus resultierende Sieg des FC Bayern.

Glück lässt sich aber im Leben genauso wie im Fußball bekanntlich erzwingen. Und genau das war es, was die Bayern taten. Sie erzwangen diesen Sieg. Die Leistung der Mannschaft war nicht Zweiter-Saisonteil-nach-Ancelotti-Ansicht-würdig, ihre Mentalität dagegen schon. Halbe Sachen.

Ancelotti selbst sah das ähnlich: "Wir haben nicht gut gespielt. Was mir gefallen hat, war allerdings der Wille, der Charakter den die Mannschaft gezeigt hat. Deshalb haben wir das Spiel am Ende doch noch gewonnen." Das vielzitierte Bayern-Gen, es blitzte an diesem kalten Januar-Tag mal wieder in seiner vollsten Ausprägung auf. "Ein Spiel dauert 90 Minuten, heute 93 oder 94", dozierte Robben nach dem Abpfiff, was in den Freiburger Ohren ob des K.o. in der 91. wie Hohn geklungen haben muss. Also schob der Niederländer eilig hinterher: "Es tut mir leid für Freiburg."

Hauptrollen in der Videoanalyse

Dass Robben diese so knapp geschlagenen Freiburger überhaupt leidtun mussten, ist ein Indiz dafür, dass die Bayern nicht ihr ganzes Potenzial abgerufen haben. Hätten sie das nämlich getan, wäre es wohl deutlich und verdient geworden. Dann hätte es kein Mitleid gebraucht.

So aber gab es Mitleid, weil die Freiburger so nah dran waren am Punktgewinn. Speziell in den ersten 20 Minuten deckten sie Bayerns Schwächen dermaßen gnadenlos auf, dass sie in der nächsten Videoanalyse, die Ancelottis Videoanalysten Ancelottis Mannschaft präsentieren wird, Hauptrollen einnehmen werden.

Denn in diesen ersten 20 Minuten lief einiges, wie es in einem zweiten Saisonteil nach dem Geschmack des Italieners eigentlich nicht laufen sollte. Die Bayern agierten im Aufbauspiel zu langsam und ideenlos, zwischen den beiden zentralen Mittelfeldspielern Xabi Alonso und Arturo Vidal sowie den vier Offensiven klaffte oft eine eklatante Lücke. Alles wirkte starr und statisch.

Verloren die Bayern dann zu allem Überfluss auch noch den Ball, herrschte Unordnung im Defensivverbund. Die Freiburger hatten Räume am bayerischen Strafraum. Dass sie diese durch Janik Haberer nur einmal nutzten, hielt den Rückstand nach der Anfangsphase in Grenzen. Dann wurden die Bayern etwas sicherer, dominanter und machten weniger Fehler. Und dann kam eben Lewandowski und streichelte den Ball zweimal ins Tor.

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Der Pseudo-Titel

Auch ganz offiziell darf sich der FC Bayern nun also Hinrunden-Meister nennen, aber für solche Lappalien ist am reichlich zugetexteten Briefkopf der Münchner ohnehin kein Platz. Zum sechsten Mal in Folge sicherte sich der Branchenprimus jedenfalls diesen Pseudo-Titel, der Ancelotti wohl ähnlich interessiert wie ein Tiefkühlsteak, ein Tetrapack-Rotwein oder eine imaginäre Peitsche im Umgang mit seinen Spielern.

Was ihn dagegen interessiert ist die zweite Saisonhälfte und in der gibt es für ihn Fehler genauso wenig wie halbe Sachen.

Freiburg - Bayern: Daten zum Spiel

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