Mia san Zwoata

Der FC Bayern hat in Dortmund erstmals in dieser Saison verloren
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Der FC Bayern München ist nach der 0:1-Niederlage in Dortmund erstmals seit über einem Jahr nicht mehr Tabellenführer der Bundesliga. Für Carlo Ancelotti war es die erste Bundesliga-Niederlage als Bayern-Coach. Die Protagonisten waren sichtlich angekratzt - und haderten mit ihrer Form, symbolhaften Zweikämpfen oder unverständlichen Wechseln.

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Huch? Was ist denn da los? Der Blick auf die Tabelle der Bundesliga ist am Samstagabend erstmals seit dem 21. September des vergangenen Jahres ein ungewohner: Bayern München steht nicht ganz oben.

Kapitän Philipp Lahm ordnet diesen Umstand nach der ersten Saisonniederlage im Dortmunder Signal Iduna Park ein: "Das ist doch schön für die Liga. Das haben sich doch alle gewünscht."

Was nach einer gönnerhaften Aussage für den nach Spannung lechzenden Fußballfan klingt, ist ein sarkastischer Ausdruck der Gemütslage bei den Bayern.

Bereits vor zwei Wochen, als der Titelverteidiger vor heimischem Publikum gegen die TSG 1899 Hoffenheim nur 1:1 spielte, konnte man die Stimmung in der Mixed Zone der Allianz Arena förmlich schneiden. Schon damals war kaum ein Spieler bei den wartenden Journalisten stehen geblieben. Das Remis hatte sich wie eine Niederlage angefühlt.

Schwächster Start seit van Gaal

14 Tage später ist es nun soweit: Der FC Bayern hat erstmals unter Carlo Ancelotti verloren.

Nach dem perfekten Saisonstart mit fünf Siegen holten die Münchner zuletzt nur neun Zähler aus sechs Spielen. 24 Punkte nach elf Partien sind zu diesem Zeitpunkt der Saison die schwächste Ausbeute des Rekordmeisters seit der Saison 2010/11 unter Louis van Gaal. Am Ende dieser Spielzeit wurde Borussia Dortmund Meister.

Wohlwollende Formulierung

Sieben Pflichtspiele hatten die Bayern gegen den BVB zuletzt in Folge nicht verloren (rein rechnerisch war das Pokal-Halbfinale 2015 ein Remis). Nun mussten sie sich den Schwarz-Gelben mal wieder geschlagen geben. "Wir sind nicht glücklich, dieses schwierige Spiel verloren zu haben", sagte Ancelotti nach seiner zweiten Pflichtspielniederlage beim FCB.

"Nicht glücklich" ist eine wohlwollende Formulierung des Italieners. Wenn man nach der Partie in die Gesichter der Münchner Protagonisten schaute, konnten einem auch andere Begriffe einfallen. Enttäuscht. Ratlos. Stocksauer. Je nach Spieler.

Ratlos wirkte Thomas Müller, dessen Formkrise weiter anhält. Beim Nationalstürmer kommt derzeit eines zum anderen. Er steht auch nach elf Saisonspielen noch bei null Ligatoren und findet nicht mehr die Räume wie noch in der Vorsaison. Gegen den BVB kam er zu keiner Zeit ins Spiel - weder auf dem rechten Flügel noch in der Rolle als zweiter Stürmer, die er nach einer taktischen Umstellung einnahm. Dazu gewann er nur 42 Prozent seiner Zweikämpfe und war über 90 Minuten lediglich an einem einzigen Torschuss beteiligt. Es passte ins Bild, dass seine einzige richtig gute Aktion der Pass vor Riberys vermeintlichem Ausgleichstor war, das jedoch aufgrund einer Abseitsstellung nicht zählte.

Nach dem Spiel lehnte er jegliche Interviewanfragen ab: "Ich habe in letzter Zeit genug geredet."

Ein Tunnel mit Symbolcharakter

Enttäuscht stapfte Mats Hummels nach der Partie durch sein ehemaliges Wohnzimmer. Noch vor dem Spiel hatte er in der BVB-Kabine vorbeigeschaut und seine alten Kollegen begrüßt. Ihnen jetzt beim Feiern zuzusehen, fühlte sich weniger gut an.

Zumal er selbst beim Gegentor beteiligt war, wenn auch nicht als Hauptschuldiger. Nach einem verlorenen Kopfballduell von Xabi Alonso an der eigenen Strafraumgrenze offenbarten die Bayern Probleme in der Abstimmung. Sowohl Linksverteidiger Alaba als auch Thiago schoben auf den ballführenden Piszczek, wodurch Götze rechts im Sechzehner komplett blank war. Also rückte Hummels nach außen, kam jedoch zu spät - und wurde von Dortmunds Nummer 10 getunnelt. Ein Bild mit Symbolcharakter, das sofort viral ging: Götze mit dem Tunnel gegen Hummels.

Der Abgang des Abwehrchefs war für die Dortmunder Fans im Sommer ein großes Politikum. Genauso wie die Rückholaktion Götzes. Diese Szene dürfte viele schwarz-gelbe Seelen zumindest halbwegs versöhnt haben. Da war es beinahe egal, dass Hummels in dieser Situation lediglich ein Loch zuschütten wollte. In der Mitte hatte Thiago nicht mitgedacht, Aubameyang stand frei und netzte zum Siegtor ein.

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In der 93. Minute hätte Hummels beinahe noch den Assist zum Ausgleich gegeben, doch der andere Ex-Dortmunder Robert Lewandowski setzte den Kopfball neben das Tor.

Bitterkeit in Diplomatie verpackt

Stocksauer war Philipp Lahm nach der Partie, wenngleich er seine Stimmung in diplomatisch anmutende Aussagen kleidete. "Gerecht ist immer das Ergebnis. Es ist 1:0 ausgegangen und damit müssen wir leben", sagte der Kapitän.

Auf die Frage nach seiner umstrittenen Auswechslung antwortete er zumindest zwischen den Zeilen mit Unverständnis: "Ich hatte keine Probleme. Da müssen sie den Trainer fragen, ich bin nicht für Ein- oder Auswechslungen zuständig. Es spielt keine Rolle, ob ich überrascht war oder nicht."

Überraschend waren Ancelottis Wechsel am Samstagabend allemal.

Die Idee, Costa für Kimmich zu bringen, Müller in die Mitte zu schieben und damit sowohl auf den Außen als auch in der Sturmspitze noch einmal einen Impuls zu setzen, war nachvollziehbar.

Fragwürdige Wechsel

Der Hintergrund der Lahm-Auswechslung warf jedoch Fragen auf. Den Kapitän in so einer wichtigen Partie nach 68 Minuten auszuwechseln, mutete seltsam an, vor allem da er bis zu diesem Zeitpunkt die meisten Ballaktionen (85) nach Thiago, starke 75 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen und vier Flanken geschlagen hatte.

Philipp Lahms statistische Werte aus der Partie gegen Borussia Dortmund bis zu seiner Auswechslung

Auch die Maßnahme, Renato Sanches für Xabi Alonso zu bringen, griff nicht. Zwar hatte sich der Spanier in der zweiten Halbzeit einen dicken Bock geleistet, als er Aubameyang den Ball zur großen Chance auf das 2:0 vor die Füße legte. Insgesamt tat seine Passsicherheit, Zweikampfstärke und Erfahrung der Mannschaft jedoch gut. Sanches gewann in seinen 20 Minuten Einsatzzeit kein einziges Duell.

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Ancelotti vorzuwerfen, sich vercoacht zu haben, ginge zu weit. Die glücklichste Figur machte er dabei, zwei seiner erfahrensten Spieler in so einer Situation vom Feld zu nehmen, aber auch nicht. Dem Bayern-Spiel fehlte in der Schlussphase merklich die Statik.

Elfmal Alu

Und dann kam, wie zuletzt so oft, auch noch Pech dazu. Alonsos Lattenschuss (61.) war der elfte Alu-Treffer der Bayern in dieser Saison - Ligahöchstwert.

Entsprechend reichte es nicht mehr zum Ausgleich. Am Ende stand die erste Saisonniederlage der Bayern. Und das merkwürdige Gefühl, den anderen beim Feiern zuzusehen. Und das andere merkwürdige Gefühl, das beim Blick auf die Tabelle aufkommt. Denn ganz oben steht RB Leipzig. An ihren neuen Slogan müssen sich die Bayern erst einmal wieder gewöhnen, auch wenn das beim Titelverteidiger wohl niemand möchte: Mia san Zwoata ...

Dortmund - Bayern: Die Statistik zum Spiel

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