"Dutt sagt: 'Was ich mache, ist richtig'"

Helmut Roleder (l.) holte mit dem VfB 1984 die Meisterschaft, Thomas Berthold 1997 den DFB Pokal
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SPOX: Wie geht es jetzt weiter mit dem VfB?

Berthold: So ein Abstieg betrifft den ganzen Verein. Da sollten alle Verantwortlichen an jedem Schräubchen drehen und alles hinterfragen. Man sollte eine genaue Aufarbeitung der Missstände machen. Ich frage mich aber, ob die wirklich stattfinden wird.

SPOX: Kann der VfB mit Dutt und Kramny einen glaubwürdigen Neuanfang in der 2. Liga verkaufen?

Berthold: Bei Abstiegen ist es immer schwer, mit den Personen, die diesen zu verantworten haben, weiterzumachen. Es geht aber nicht nur darum, der Öffentlichkeit einen Neuanfang zu verkaufen, sondern auch darum, wirklich die Überzeugung zu haben, mit dem Trainer in die Erfolgsspur finden zu können.

Roleder: Ich bin der Meinung, dass man sich neu orientieren muss. Von meiner Denkweise her sollten beide gehen müssen. Ich erachte es übrigens als großes Problem, dass verdiente Ex-Spieler nicht eingebunden werden. Guido Buchwald hat man in den Ehrenrat geschickt, wo er keinen Einfluss hat. Bei Hansi Müller ist es ähnlich: Er war vier Jahre lang Aufsichtsrat, aber wenn er Fredi Bobic etwas gesagt hat, dann hatte er den Eindruck, als würde es ihn nicht wirklich interessieren. Vor einem halben Jahr hat man Karl Allgöwer als Berater geholt. Das ist schön für die Fans, weil er einen guten Ruf hat. Vor kurzem hat er mir aber erzählt, dass er zwar hin und wieder nach seiner Meinung gefragt wird, aber dass er überhaupt keine Entscheidungsgewalt hat. Da versucht man einfach nur die Außenwirkung zu verbessern. Es gibt Vereine, die binden verdiente Ex-Spieler intensiv ein - und es gibt den VfB.

SPOX: Glauben Sie an den direkten Wiederaufstieg?

Berthold: Ich glaube schon daran, aber die Konkurrenz in der 2. Liga ist gerade in der nächsten Saison mit Hannover und möglicherweise Frankfurt sehr groß. Außerdem muss man in der 2. Liga eine andere Art von Fußball spielen; da wird mehr Wert auf das Kämpferische als auf das Spielerische gelegt - und das muss auch mental angenommen werden. Es wird jedenfalls kein Selbstläufer.

SPOX: Daniel Ginczek und Christian Gentner haben relativ überraschend verlängert.

Berthold: Bei Ginczek muss man abwarten, wann er wieder richtig gesund wird. Die Verlängerung von Gentner sehe ich positiv. Er hat als Kapitän ein gutes Zeichen gesetzt. Man sollte generell schon versuchen, den Kern der Mannschaft zu behalten, weil man einfach nicht die Zeit hat, einen kompletten Umbruch zu machen. Die 2. Liga geht schließlich bereits Anfang August los. Es muss eine Mannschaft zusammengebaut werden, die sich dieser Aufgabe geschlossen stellt. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn es bereits einen Kern gibt, der sich kennt.

SPOX: In welchen Bereichen sehen Sie akuten Handlungsbedarf?

Berthold: In der Innenverteidigung, dem zentralen, defensiven Mittelfeld und vorne auf jeden Fall auch - eigentlich in jedem Mannschaftsteil.

Roleder: Im derzeitigen Team gibt es wenige Häuptlinge und das war in den vergangenen Jahren nicht anders. An die löchrige Abwehr haben wir uns ja mittlerweile schon gewöhnt, aber in dieser Saison hat der VfB 74 Gegentore bekommen - das hatten wir früher auf zwei Spielzeiten verteilt. Die Besetzung der Torhüter-Position ist mir als ehemaligem Keeper darüber hinaus völlig unerklärlich. Warum kauft ein Verein, der bekannt dafür ist, dass er gute Nachwuchstorhüter hat, zwei Torhüter, die eigentlich auf dem gleichen Niveau spielen? Wahrscheinlich hat man sich da am FC Barcelona orientiert. Das ist eine äußerst seltsame Entscheidung.

SPOX: Wie beurteilen Sie die Szenen, die sich nach dem Heimspiel gegen Mainz abgespielt haben?

Roleder: Diese Bilder sind natürlich nicht schön. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass das Verhalten der Stuttgarter Fans generell sehr, sehr positiv ist. Wir sind das x-te Jahr im Abstiegskampf und die Fans halten immer noch zur Mannschaft, feuern sie an. Die Fans sind heute - wenn man das mit meiner Zeit vergleicht - sensationell geduldig. Man muss dann aber auch Verständnis dafür haben, wenn denen irgendwann der Kragen platzt.

Berthold: Meiner Meinung nach gehören Zuschauer auf die Tribüne und nicht auf den Platz. Was soll in so einer Situation eine Diskussion zwischen Spielern und Fans bringen? Das erachte ich als überhaupt nicht zielführend.

SPOX: Sie haben als Spieler in den 1990er Jahren erfolgreiche Zeiten mit dem Verein erlebt. Wie weh tut Ihnen die aktuelle Situation persönlich?

Berthold: Sie stimmt mich sehr traurig. Der VfB ist ein Verein mit so großem Potential, so einer tollen Fanlandschaft. Es ist unfassbar traurig, dass dieser Klub den Gang in die 2. Liga antreten muss. Der Fußball ist aber knallhart. Die Tabelle ist das Bild, an dem sich jeder Beteiligte messen lassen muss. Die große Frage ist jetzt, welche Schlüsse daraus gezogen werden.

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