Sieg zur Selbstbestätigung

Borussia Dortmund gelang in Wolfsburg in der 93. Minute der vielumjubelte Siegtreffer
© Getty

Borussia Dortmund bringt beim späten 2:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg auch in stark veränderter Formation seine Stärken unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel auf den Platz. Am Herausforderer-Status soll sich aber nichts ändern - zumal Tuchel weiterhin Verbesserungspotential sieht.

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Ilkay Gündogan tat etwas, was sonst unter Fußballspielern nicht gerade üblich ist: er freute sich über seine Auswechslung. Der Nationalspieler postete nach Dortmunds Sieg in Wolfsburg ein Bild bei Twitter, das ihn in dem Moment zeigt, als er das Spielfeld in der Volkswagen-Arena verließ.

Shinji Kagawa kam für ihn, der spätere und sehr späte Siegtorschütze für den BVB. Gündogan hatte sich früh in der Partie bei einem Duell mit Julian Draxler eine Beckenprellung zugezogen, am späten Samstagabend gab er erneut über den Kurzmitteilungsdienst aber erste Entwarnung.

Dass es Kagawa war, der für Gündogan ins Spiel kam, überraschte durchaus. Dortmund musste beim VfL nämlich auf drei Stammspieler verzichten, so dass ein Einsatz des Japaners eigentlich als sicher galt. Aufgrund eines grassierenden Magen-Darm-Infekts war Trainer Thomas Tuchel gezwungen, seine defensive Achse aus den beiden Innenverteidigern Mats Hummels und Sokratis sowie Julian Weigl umzubauen.

Reicht Dortmunds Bank aus?

Auch in Bestbesetzung wäre das Duell gegen die zuvor 29 Heimspiele ungeschlagenen Wölfe für den BVB zu einer echten Standortbestimmung geworden, unabhängig von der tabellarischen Aussicht, einen Mitkonkurrenten um die direkten Champions-League-Ränge auf bis zu zehn Punkte zu distanzieren.

Unter den gegebenen Umständen jedoch war die Herausforderung für Tuchels Mannen noch etwas größer geworden. Reicht Dortmunds Bank aus, um auch in einem solchen Spitzenduell stabil zu bleiben und die eigenen Stärken auf den Platz zu bringen? Schließlich stand in dem erstmals seit Ende August wieder aufgebotenen Neven Subotic sowie des neuerdings umfunktionierten Sven Bender ein gänzlich ungeübtes Innenverteidigerpärchen auf dem Platz.

Das schien die Dortmunder in weiten Teilen der ersten 45 Minuten aber keineswegs zu stören, die defensiven Abläufe saßen weitestgehend. Bemerkenswerter war jedoch, wie der BVB auch in stark veränderter Formation vom Fleck weg ins Rollen kam. Tuchels Mannschaft stand extrem hoch und riskant im Feld, presste tief in der Wolfsburger Hälfte und wartete kein bisschen ab. Die Hausherren hatten große Schwierigkeiten, sich aus dieser Umklammerung zu lösen.

"Darüber bin ich verärgert"

"Wir haben 35 Minuten lang herausragend gut gespielt. Vielleicht war es bis dahin eines der besten Spiele, die wir überhaupt gemacht haben", sagte Tuchel anschließend. Schwer erklärlich sorgte die Führung jedoch für einen klaren Bruch im Dortmunder Spiel.

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Wolfsburgs Systemumstellung auf 4-1-4-1 verhalf den Gastgebern zu mehr Geradlinigkeit im Offensivspiel und den so gefährlichen Vorstößen über die beiden Flügel. Die Borussia verteidigte zwar mit viel Leidenschaft und Glück, nach vorne lief aber nichts mehr zusammen. Der VfL verdiente sich den späten Ausgleich per Elfmeter redlich. "Wir haben 55 Minuten weit unter dem agiert, was wir können. Darüber bin ich verärgert", stellte Tuchel klar.

Dass der BVB keine 200 Sekunden nach dem 1:1 dennoch den Lucky Punch setzte, konnte sich auch Tuchel nicht vollständig erklären: "Kurioserweise haben wir umgehend nach dem Gegentor wieder begonnen, mit Vertrauen Fußball zu spielen." Dieser Umstand kostete Tuchel dann noch seinen Platz auf der Bank.

Tuchel muss auf die Tribüne

Als das Siegtor fiel, reagierte Dortmunds Übungsleiter nämlich zunächst auf eine Geste von Wolfsburgs Co-Trainer Dirk Bremser nach dem Wolfsburger Ausgleich und trat dann vor "Wut und Freude" (Tuchel) mit Wucht in eine Werbebande. "Das war unnötig", sagte der Coach. "Diese Aktion war gegen niemanden gemünzt. Die Energie musste raus. Ich bin verwundert, dass ich auf die Tribüne musste."

Unter dem Strich wird Tuchel seine Versetzung verschmerzen können, da seine Mannschaft drei echte Big Points aus Wolfsburg mit nach Westfalen nahm. Neun Punkte Vorsprung auf Gladbach, zehn auf Wolfsburg, 14 auf Leverkusen - das zählt für den BVB mehr als die Verkürzung des Rückstand auf die erstmals in dieser Saison punktlosen Münchner.

"Wir wollen Herausforderer von Gladbach, Leverkusen und Wolfsburg sein. Diese Teams haben in diese Saison etwas mitnehmen können, was uns abhandengekommen war: der Glaube, in Serie gewinnen zu können. Wir sind da auf einem sehr, sehr guten Weg und tun gut daran, nicht von noch größeren Zielen zu sprechen", sagte Tuchel.

Fokus auf Arbeit an der Defensive

Seine Elf erzielte nun schon 42 Tore in 15 Spielen, das wurde in der langen Vereinshistorie erst ein einziges Mal übertroffen (45 Treffer in der Saison 1963/1964). Diese Ausbeute ist zweifelsfrei eine echte Marke, sie kaschierte jedoch schon einige Male die Probleme, die Dortmund im Umschaltspiel in die Defensive besitzt.

Das Team in diesem Bereich noch stabiler werden zu lassen ist es, was für Tuchel und sein Trainerteam weiterhin als Verbesserungspotential bestehen bleibt. Das ließ der Coach auch nach dem "Wahnsinns-Ergebnis" unmissverständlich durchblicken: "Wer uns ab der 40. Minute hier gesehen hat, der weiß, wo unser Fokus hingeht und dass wir einen weiten Weg vor uns haben. Wir empfinden es als Bestätigung, so viele Punkte geholt zu haben, aber das entlässt uns nicht aus der Pflicht, auf dem Boden zu bleiben und am Donnerstag sowie am Sonntag in den beiden Heimspielen den jeweils nächsten Schritt zu machen."

Wolfsburg - Dortmund: Daten zum Spiel