Cannstatter Bankrott

Die Spieler des VfB Stuttgart stellten sich den Fans nach der 0:4-Pleite gegen Augsburg
© Getty

Der VfB Stuttgart kassiert eine 0:4-Klatsche gegen Augsburg und wird von den eigenen Fans verhöhnt. Die Entwicklung ist bedrohlich, die Aussagen der Verantwortlichen bezeichnend. Besserung ist kaum in Sicht.

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Manch Stuttgarter, der Mitte der zweiten Halbzeit einen Blick in das Rund der Mercedes-Benz Arena warf, wird seinen Augen nicht getraut haben. Als habe sich der VfB gerade mit einem überzeugenden Sieg über den FC Augsburg aus dem Tabellenkeller verabschiedet, schickten die Fans eine La-Ola-Welle nach der anderen durch das Stadion.

Das genaue Gegenteil war der Fall. Nach 56 Minuten lag Stuttgart 0:4 gegen den Nachbarn und Tabellenletzten zurück.

Viele VfB-Fans hatten das Stadion gar schon zur Halbzeit verlassen.

Der Großteil der verbliebenen Anhänger verhöhnte die eigene Mannschaft mit "Oh wie ist das schön"-Gesängen und feierte Ballstafetten des Gegners hämisch. Nach dem Schlusspfiff dröhnte ein gellendes Pfeifkonzert von den Rängen. Die Spieler, die sich anschließend den Fans in der Cannstatter Kurve stellten, wurden wüst beschimpft. Obwohl die Mannschaft zu Beginn der Saison fünf Spiele in Folge verlor, war es das erste Mal, dass die Stuttgarter Fans ihrem Ärger derart laut Luft machten.

Zorniger ratlos und resigniert

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Zwar ging der VfB in den ersten fünf Partien als Verlierer vom Platz, zeigte dabei aber ansprechende Leistungen und engagierte Auftritte. Davon war gegen den FCA überhaupt nichts zu sehen. Mit einfachsten Mitteln nahm der Tabellenletzte einen desolat verteidigenden VfB auseinander. Bei einer besseren Chancenverwertung der Gäste hätte die Pleite noch deutlich höher ausfallen können.

Trainer Alexander Zorniger übernahm nach dem Spiel zwar die Verantwortung: "Die Körpersprache hat nicht gepasst. Es muss irgendwas gegeben haben, was ich übersehen habe, deshalb ziehe ich mir den Hauptschuh an." Er wirkte dabei aber ebenso ratlos und resigniert wie schon während der Partie.

Dass sich die Spieler noch auf dem Rasen zu einem Mannschaftskreis ohne ihren Trainer, der sofort in die Kabine stürmte, zusammenschlossen, ist bezeichnend für die Stimmung im Team. Zorniger erklärte, er befürworte einen solchen Kreis ohnehin nur, wenn er auch das Gefühl habe, dass man "geschlossen aufgetreten sei".

Kein Kampf, kein Einsatz

Davon war auf dem Platz wenig bis nichts zu sehen. Schuldzuweisungen statt motivierender Gesten nach Gegentoren prägten das Bild, an der Seitenlinie vergrub Zorniger gar sein Gesicht in den Händen oder starrte gebannt in den luftleeren Raum. Der Druck auf den 48-Jährigen ist immens gestiegen, Sportvorstand Robin Dutt kündigte "knallharte Analysen" an, auf Alibis könne man sich nicht mehr zurückziehen.

Auch wenn Dutt gleichzeitig bekräftigte, an Zorniger festhalten zu wollen, ist die Entwicklung der letzten Monate besorgniserregend. Schon bei den Siegen gegen Ingolstadt und Darmstadt überzeugte die Mannschaft keineswegs, sondern hatte vielmehr das Glück auf ihrer Seite. In der Klatsche gegen Augsburg gipfelte diese Tendenz nun, weil Stuttgart nicht nur schlecht spielte, sondern auch jeglichen Kampfes- und Einsatzwillen vermissen ließ.

Während der FCA bissig rackerte und sich in jeden Zweikampf warf, waren die Stuttgarter viel zu weit weg von ihren Gegenspielern, wirkten oftmals sogar lethargisch und orientierungslos. "Die wussten mehr, um was es geht", hielt Zorniger fest, Dutt vermisste gar "alle grundlegenden Tugenden". Dass Augsburg in 90 Minuten doppelt so oft foulte wie Stuttgart, unterstrich dies.

Defensive kaum bundesligatauglich

Dabei zündeten die Fuggerstädter keinesfalls ein Offensiv-Feuerwerk. Um aufzudecken, warum der VfB die mit sechs Toren Abstand schlechteste Defensive der Liga stellt, reichten einfachste Mittel. Die Gäste überspielten das Mittelfeld mit simplen Verlagerungen auf die Außen, um dann die Abstimmungsschwierigkeiten in der Innenverteidigung zu nutzen, wo weder Toni Sunjic und Timo Baumgartl noch später Baumgartl und Daniel Schwaab eine Grundordnung fanden. In dieser Konstellation und Form ist die Stuttgarter Defensive kaum bundesligatauglich.

Nicht weniger bedrohlich ist der Verlust der Rückendeckung der Fans. Die Mannschaft muss in den kommenden Wochen ein völlig anderes Gesicht, um den verlorenen Kredit bei den Anhängern zurückzugewinnen. Dies könnte angesichts der verbleibenden Hinrunden-Gegner (Dortmund, Bremen, Mainz und Wolfsburg) aber ein schwieriges Unterfangen werden.

Stuttgart - Augsburg: Daten zum Spiel