Ein Hauch von Klopp

Der HSV kämpfte den BVB mit Leidenschaft und Einsatz nieder
© Getty

Der HSV schlägt Borussia Dortmund mit dessen alten, eigenen Waffen. Den Dortmundern fehlt die richtige Einstellung zu diesem Spiel. Der Trainer ist überrascht und hat diesen Einbruch nicht kommen sehen. Die zu lernende Lektion sei aber recht einfach.

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Reaktionen:

Bruno Labbadia (Trainer HSV): "Die Mannschaft hat von der ersten Minute an leidenschaftlich und taktisch stark dagegen gehalten. Wir sind dann verdient in Führung gegangen. Wenn man aber die Ergebnisse von Dortmund auch in der Europa League sieht, dann durften wir uns nie sicher sein. Das ist eine Mannschaft, die immer zurückkommen kann."

Thomas Tuchel (Trainer BVB): "Gerade in der ersten Halbzeit gab es einen dramatischen Unterschied zwischen unserem eigenen Anspruch und dem, was wir gezeigt haben. Das war ein fahrlässiger Beginn. Deshalb sind wir zurecht bestraft worden. Von der ersten Minute an war es offensichtlich, dass uns jegliche Körpersprache und jegliche Einstellung gefehlt haben. Dafür habe ich keine Erklärung, ich habe es auch nicht kommen sehen. Die Lektion ist einfach: Mit der Körpersprache, mit so einer Leistung und mit so wenig Aufmerksamkeit ist nirgendwo etwas zu holen."

Marcel Schmelzer (BVB): "Wir haben in der ersten Halbzeit sehr schlecht gespielt und konnten nicht umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten. Insgesamt gesehen haben wir uns in der gegnerischen Hälfte zu wenig bewegt, vor den Gegentoren machen wir individuelle Fehler. Spätestens nach dem 0:3 wurde es dann immer schwerer. Der Ball wollte bei uns dann auch einfach nicht rein. Ich denke es ist gut, dass wir mal so einen Denkzettel bekommen haben. In der Bundesliga reicht es nicht, wenn wir keine 100 Prozent auf den Platz bringen. Wir müssen uns selbst hinterfragen und jetzt in Ruhe analysieren, was schiefgelaufen ist."

Roman Bürki (BVB): "Wir haben nie die nötige Aggressivität gezeigt, ein bisschen hat uns auch die Konzentration hat gefehlt. Ich denke, das war unser schlechtestes Spiel in dieser Saison. Jetzt müssen wir analysieren, was falsch gelaufen ist. Vor dem Elfmeter komme ich raus, um den Winkel für Ilicevic zu verkleinern. Es gibt dann eine klare Berührung, sicher unglücklich, aber den Elfmeter kann man geben. Wir dürfen jetzt nicht zu viel nachdenken und müssen es im nächsten Spiel wieder besser machen."

Nachbetrachtung:

Leidenschaft, Emotionalität, Umschaltspiel. Begriffe, die Dortmunder Anhänger seit der Ära Jürgen Klopp besser kennen als die meisten Fans anderer Vereine dieser Liga. Auch in Hamburg war schnell klar, dass diese Begrifflichkeiten das Spiel prägen werden.

Der HSV von Bruno Labbadia verströmte einen Hauch vom Kloppschen Power- und Hochgeschwindigkeitsfußball: aggressiv, zweikampfstark und mit starkem Zug Richtung Tor. So überrannte der HSV den Tabellenzweiten aus Dortmund in der ersten Halbzeit förmlich.

Das Erstaunliche war, dass die Dortmunder diese Spielweise zu keinem Zeitpunkt annehmen konnten und in den entscheidenden Zweikämpfen sowie im Kampf um zweite Bälle mit der Wucht der Hamburger nicht klarkamen.

Tuchel bemängelt Einstellung

Dass Trainer Thomas Tuchel hinterher die fehlende Einstellung zum Thema machen musste, ist einerseits ehrlich, andererseits aber auch erschreckend. Immerhin hatten die Dortmunder die Chance, den Abstand auf den FC Bayern mit einem Sieg zumindest vorrübergehend auf zwei Punkte zu verkürzen. Und die Münchner müssen am Samstag auf Schalke ran, wo sie ähnlich wie der BVB in Hamburg nicht gerade die beste Bilanz haben.

Dass ihn seine Mannschaft so negativ überraschen kann, hatten Tuchel und sein Trainerteam nicht erwartet. Den Gründen dafür wird er ab der Minute des Abpfiffs auf der Spur sein. Und man kann sich ziemlich sicher sein, dass er sie dem Team schnell austreiben will und wird. Denn gerade die Haltung und Mentalität hat Tuchel zuletzt beim Meisterschaftsrivalen aus München als herausragend und mitentscheidend gepriesen.

Defensive instabil

Neben dieser Kopfgeschichte gibt es für den Dortmunder Trainer aber auch ein paar inhaltliche Sachen, die er in seine langfristige Trainingsplanung aufnehmen wird. Seit Beginn der Saison ist die Defensive instabil. Bisher hat die Wucht der Offensive um den treffsicheren Pierre-Emerick Aubameyang die offensichtlichen Probleme in der Rückwärtsbewegung im öffentlichen Diskurs noch überdeckt. Die Häufung der individuellen Fehler in Hamburg werden das Thema aber bald mehr in den Fokus rücken.

Sokratis patzte vor dem 0:1, Matthias Ginter und Julian Weigl vor dem 0:2, Mats Hummels erzielte das 0:3 gar selbst. Auch Torhüter Roman Bürki kann sich vor dem Elfmeter geschickter verhalten und muss sich fragen lassen, wo er bei Hummels Eigentor im Fünfer eigentlich ist.

In dieser Saison hat der BVB in der Liga erst viermal zu Null gespielt, 18 Gegentore nach 13 Spielen sind Mittelmaß. Und in Europa konnten sich selbst die kleinsten Gegner wie Odds BK oder FK Qäbälä gegen die Dortmunder relativ leicht eine Reihe bester Chancen erspielen. Es geht dabei nicht nur im individuelle Schwächen der Verteidiger, sondern auch um das gegen Konter wenig widerstandsfähige Mittelfeld um Weigl und Gündogan sowie das nicht immer optimale Defensivverhalten der Offensivkünstler.

Tuchel muss diese Dysbalance schnell in den Griff bekommen, um am Ende der Saison in irgendeinem Wettbewerb auch um den Titel spielen zu können. Die nahe Zukunft heißt aber Europa League in Krasnodar, bevor am nächsten Sonntag der VfB Stuttgart nach Dortmund kommt. Eine Mannschaft die defensiv noch deutlich größere Probleme hat, aber zumindest ähnliche Eigenschaften wie der HSV aufbieten will: Leidenschaft, Emotionalität, Umschaltspiel.

Hamburg - Dortmund: Daten zum Spiel