Zeit der Helden

Erzielte im Derby seinen 14. Saionstreffer: Pierre-Emerick Aubameyang
© Getty

Borussia Dortmund unterstreicht auch im Derby gegen den FC Schalke 04, dass mit dem BVB in diesem Jahr wieder zu rechnen ist. Im Derby schlüpften dieses Mal Shinji Kagawa und Matthias Ginter in die Heldenrollen und sorgten dafür, dass ein anderer Superheld auf dem Platz gar nicht vermisst wurde.

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"Dass Shinji so ein Kopfballduell gewinnt, passiert auch nicht jeden Tag. Aber heute ist Derby-Tag", sagte Michael Zorc. Der BVB-Manager muss wissen, dass Derby-Tage besondere Tage sind. 23 Duelle lieferte er sich in seiner aktiven Laufbahn mit Schalke, genauso viele wie übrigens Roman Weidenfeller, der am Samstag kein weiteres hinzukommen ließ, weil er auf der Bank saß. Nur der Schalker Klaus Fichtel absolvierte mehr Revier-Derbys.

Derbys sind ja immer etwas Besonderes. Unzählige Geschichten gibt es aus den Duellen zwischen Schwarz-Gelb und Königsblau. Meist werden in diesen Schlachten Helden geboren, die die Geschichten des Spiels schreiben. Jens Lehmann war mal so einer, Alex Frei auch.

Doch im 147. Revier-Derby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 war es nicht nur ein Protagonist, der die Geschichte des Spiels schrieben. Die Partie hatte mehrere Helden.

Erster Held: Kagawa

Zum einen ist da der angesprochene Kagawa, der eine überragende Partie ablieferte. Der kleine Japaner war mit seinem Treffer in der 31. Minute nicht nur Dosenöffner, sondern zeigte auch über die restlichen 90 Minuten eine fantastische Perfomance. Kagawa hatte nach Hummels die meisten Ballaktionen auf dem Feld, bestritt die meisten Zweikämpfe aller Spieler und gewann davon auch noch starke zwei Drittel.

Symptomatisch für seine Leistung war das Tackling spät im zweiten Durchgang, als er einen Schalker Angriff in deren Drangphase am Dortmunder Strafraum unterband und einen Konter einleitete. Kagawa zeigte an diesem Nachmittag, was man zeigen muss, um einer dieser entscheidenden Faktoren in einem Derby zu sein. Der 1,72 Meter kleine Dribbler wuchs in den 90 Minuten über sich hinaus.

Der nächste Held beim BVB war an diesem Sonntag Matthias Ginter. Ein Tor und eine Vorlage lieferte der Rechtsverteidiger. "Man kann es schlecht beschreiben. Man muss es auf dem Platz erlebt haben. Atemberaubend, wie das Umfeld hier mitfiebert", sagte Ginter im Anschluss an Partie und seiner ersten positiven Derby-Erfahrung.

Zweiter Held: Ginter

Ginter bereitete nach einem feinen Doppelpass mit Gonzalo Castro das Führungstor vor und legte vor der Pause mit seinem Kopfballtreffer sogar nochmal einen drauf. Es war das erste Mal im 94. Ligaspiel für Ginter, dass er an zwei Treffern direkt beteiligt war. In zehn Spielen hat der 21-Jährige nun zwei Treffer und sieben Assists vorzuweisen - Zahlen, die man so von ihm vor der Saison nicht einmal im Ansatz erwartet hätte.

Kagawa und Ginter waren also in diesem Derby die Helden, die x-Faktoren. Doch spätestens seit den Marvel's The Avengers weiß man, dass ein oder zwei Superhelden nicht immer reichen, um erfolgreich zu sein. Denn beim BVB überzeugte an diesem Tag fast jeder. "Das einzig Schlechte war, dass wir unsere Chancen nicht genutzt haben. Wenn wir nicht die drei Punkte mitgenommen hätten, hätten wir es uns selber eingebrockt", sagte Ginter nach dem Spiel.

Nun gut, ein paar Sachen waren tatsächlich dann aber doch nicht optimal beim BVB. Die erste halbe Stunde beispielweise, als man im Passspiel fahrig und unkonzentriert agierte. "Ich hatte am Anfang das Gefühl, dass wir nicht so frei gespielt haben und die Spieler es besonders richtig machen wollten", sah auch Trainer Thomas Tuchel einen durchwachsenen Auftakt im BVB-Spiel: "Da hat eine gewisse Leichtigkeit gefehlt. Aber wir wollten ruhig bleiben, uns auf nichts Emotionales einlassen. Das haben wir sehr gut gemacht."

Verwehrte Helden: Huntelaar & Fährmann

Ebenfalls wies das Abwehrverhalten des BVB Schwächen auf: Wie etwa der Patzer von Mats Hummels vor dem 1:1-Ausgleich durch Klaas-Jan Huntelaar oder den Aussetzer von Sokratis vor dem 2:3-Anschlusstreffer ebenfalls durch den Niederländer.

Kritik gab es dafür allerdings nicht: "Mats soll unbedingt weiter so spielen. Es ist seine ganz große Stärke, den Mut zu haben, den Ball sofort zu spielen. Auch seinen Zweikampf gegen Leroy Sane vor dem 3:2 wollen wir genau so haben", sagte Tuchel. Einzig der Grieche wurde mit einem Augenzwinkern abgewatscht: "Das 3:2 kann Sokratis dann auch ein bisschen besser verteidigen."

Die Dortmunder machten sich - trotz aller Dominanz und Chancen - mal wieder selbst das Leben schwer. Mitte der zweiten Hälfte muss das Derby eigentlich schon entschieden sein, wie auch Tuchel zugab: "Wir haben hoch verteidigt, dominant gespielt und uns viele hochkarätige Torchancen herausgespielt. In dieser Phase lag das 4:1 in der Luft, und es wäre auch verdient gewesen. Mit dem 2:3 der Schalker war es auf einmal ein anderes Spiel."

Dass es auf Seiten der Schalke keine Helden gab, lag letztlich dann doch am abgezockten Auftritt des BVB. Huntelaar traf zwar nach langer Durststrecke mal wieder, 420 torlose Minuten waren es. Somit hätte er auch sein Dasein als Derbyheld beanspruchen können, wenn die zwei Treffer dür drei Punkte gereicht hätten - aber der Konjunktiv entscheidet eben keine Derbys. Denn auch der zweite Huntelaar-Treffer brachte letztlich nichts mehr ein, was Tuchel lobend festhielt: "Umso bemerkenswerter finde ich unsere letzten zehn bis 15 Minuten. Es war toll zu sehen, mit wieviel Vertrauen und wieviel Mut wir da gespielt haben. In der vierminütigen Nachspielzeit haben wir keine Chance des Gegners mehr zugelassen."

Der Einzige, der sich als Schalker Held in diesem Derby tatsächlich anbot, war am Ende Ralf Fährmann. Der Keeper sorgte mit diversen Paraden dafür, dass zumindest die Hoffnung auf ein Remis bis zum Schluss am Leben blieb. Seine Reaktion gegen Henrikh Mkhitaryan in der 54. Minute war so eine Aktion, die Spieler im Derby zum Helden werden lässt.

Letztlich war aber auch Breitenreiter zufrieden. "Uns hat vielleicht ein wenig Erfahrung gefehlt. Nach dem 1:3 waren wir etwas beeindruckt. Andere Mannschaften lassen sich hier abschlachten. Wir sind noch einmal zurückgekommen. Das ist sehr positiv", sagte der Schalke-Coach.

Vermeintlich vermisster Held: Reus

So waren es am Ende des Tages die Dortmunder, die ihre Heldengeschichten schreiben konnten. Dabei war der sonstige Superheld gar nicht dabei und wurde auf dem Platz auch letztlich nur beim Torjubel wirklich vermisst. Pierre-Emerick Aubameyang zeigte nach seinem Treffer ein Shirt mit Batman-Aufdruck, in Anlehnung an den Torjubel im letzten Derby als Reus und Aubameyang nach dem Treffer des Gabuner im Batman-und-Robin-Outfit feierten.

"Das T-Shirt war mit Marco Reus geplant. Ich widme ihm mein Tor. Wir wollten das mit der Maske nicht wiederholen, das war einmalig", sagte Aubameyang. Tuchel drückte bei dieser Aktion ein Auge zu und antwortete auf die Frage, wie oft Aubameyang noch seinen Batman-Jubel anbringen darf: "Nur hier im Heimspiel gegen Schalke und vielleicht im Auswärtsspiel, wenn er gute Argumente hat."

Wenn ein Marco Reus im Revier-Derby nur beim Torjubel fehlt, dann steht das für sich. Und Derby-Helden bekommen eine heldenhaften Jubel auch alleine hin.

Dortmund - Schalke: Daten zum Spiel