BVB: Unerklärliche Unwirklichkeit

Bei Borussia Dortmund herrschen derzeit Frustration und Ratlosigkeit
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Nach sechs sieglosen Spielen in der Bundesliga in Folge ist Borussia Dortmunds Lage ungeachtet der guten Auftritte in der Champions League so prekär wie noch nie in der Ära von Trainer Jürgen Klopp. Aus den aufgekratzten Beteiligten spricht Ratlosigkeit. Mehr denn je ist jetzt die Psyche der Spieler gefordert - und damit der Mannschaftsgedanke.

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"6 große Jahre verspielt man nicht in 6 Spielen." Das Banner, das die Dortmunder Südtribüne am Samstagnachmittag vor dem Spiel gegen Hannover 96 präsentierte, stellte sich nach der 0:1-Niederlage des BVB als prophetisch heraus. Denn eigentlich waren es die letzten fünf Spiele in der Bundesliga (Mainz, Stuttgart, Schalke, Hamburg, Köln), die die Borussia in eine echte Krise schlittern ließen.

Nun ist also Spiel sechs hinzugekommen. Gegen die Niedersachsen wirkte Dortmund zwar in keiner Phase stabil, Chancen für einen Sieg und damit ein lange ersehntes Erfolgserlebnis in der Liga gab es aber ausreichend.

Klopp und Krauss in einem Atemzug

Der Gegner jedoch erwies sich erneut als enorm effektiv und traf nach 55 Minuten ohne Torschuss durch einen Spieler, der zuvor eine Zweikampfquote von null Prozent aufwies. Zum sechsten Mal in Folge schaffte es der BVB nicht, einen Rückstand zu drehen.

Darüber - und über all das, was in den letzten Wochen passiert - herrscht in Dortmund momentan pure Ratlosigkeit. Jürgen Klopp hat als Trainer nun eine Negativserie von vier Niederlagen in Folge zu verantworten.

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Dies ereignete sich beim BVB zuletzt unter dem mehr als erfolglosen Bernd Krauss. Dass Klopp und Krauss in diesem Beispiel in einem Atemzug genannt werden können, lässt erahnen, wie sehr Unerklärlichkeit und auch ein Stück weit Unwirklichkeit beim BVB grassieren.

Psychische Verunsicherung

Die Gründe, weshalb die Westfalen nur so schwer in die Saison fanden, waren und sind aufgrund des stattlichen Terminkalenders noch immer vielschichtig. Nach sechs Spielen ohne Sieg - eine Dauer, wie es sie noch nie unter Klopp gab - frisst sich derzeit jedoch auch eine psychische Verunsicherung in Dortmunds Fußballspiel.

Die rührt daher, dass sich aufgrund der unbekannten sportlichen Situation momentan Dinge rund um den Verein abspielen und letztlich auftürmen, die für das Team inklusive sportlicher Leitung in dieser Dimension neuartig sind. Und mit denen man nach Jahren des sportlichen Erfolgs schlagartig umzugehen hat - ohne jedoch bei der Analyse auf größere Grundübel im System zu stoßen.

Für die Mehrheit der Spieler ist es die erste große Krise bei einem ambitionierten Verein in ihrer Karriere. Erstmals liest man von Klopp-raus-Beiträgen, im Umfeld geistert das Wort "Abstiegskampf" umher, Kapitän Mats Hummels formuliert unglückliche Sätze in Richtung eines Mitspielers.

Hoffen auf Fortschritte im Kleinen

Normalerweise können im Bundesligageschäft bei einer solchen Gemengelage übliche Mechanismen greifen. Die Ratlosigkeit, erklärt Klopp, könne theoretisch ja auch dazu führen, dass man sich als Trainer sagt, das alles habe keinen Sinn mehr. Das Thema Trainerwechsel erscheint weiterhin aber vollkommen absurd.

Zwar ist der gesamte Klub vom bisherigen Saisonverlauf maßlos enttäuscht und wählt auch längst drastischere Mittel, um dies der Belegschaft zu verdeutlichen. Doch unterbewusst glaubt man allen Widrigkeiten zum Trotz auch an eine baldige Wende zum Guten.

Das darf bei einem Verein mit derartigen Ambitionen und Qualitäten auch nicht anders sein und ist nachvollziehbar. In Dortmund hoffen sie derzeit auf die Fortschritte im Kleinen - und sehen dafür auch Ansätze.

Theorie statt Training

Selbst wenn einigen Akteuren weiterhin Rhythmus und Stabilität fehlen, stehen die "Jungs mit den klingenden Namen" (Klopp) immerhin wieder zur Verfügung. Der Trainer kann und muss Belastung gleichbleibend vernünftig verteilen, die Auswahl hat sich mittlerweile allerdings vergrößert - unter anderem mit drei wichtigen Kreativspielern.

Dies hat in jüngster Vergangenheit außerhalb der Champions League aber nicht umgehend zu Erfolgen geführt. Weil es beim BVB immer deutlicher an der Umsetzung der eigenen Spielidee hakt.

Klopp kann während des pausenlosen Spielrhythmus' keine drei sinnvollen Trainingseinheiten am Stück abhalten. Trainerteam und Spieler sind somit vermehrt zu Theoriesitzungen und Videoanalysen gezwungen.

"Wir müssen dranbleiben"

"Wir spielen aus dem Langzeitgedächtnis raus, aber ohne die Form, als wir noch so spielen konnten", gesteht Klopp. "Wir müssen dranbleiben", diese Vorgehensweise sei aktuell alternativlos.

Ungeachtet der zahlreichen individuellen Patzer, die der Mannschaft zuletzt das Genick brachen, bringt die Borussia die Selbstverständlichkeit im Spiel gegen den Ball, die sie in den letzten vier Jahren auszeichnete, nicht effizient genug als Kollektiv auf den Platz.

Dadurch hagelt es zu viele Gegentore. Hinzu gesellt sich eine chronisch schwache Chancenverwertung - und die Schwierigkeiten beim Bespielen tief stehender Gegner.

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