BVB: Unerklärliche Unwirklichkeit

Bei Borussia Dortmund herrschen derzeit Frustration und Ratlosigkeit
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Sind dies etwa Grundübel, die sich mit der Zeit ins BVB-Spiel eingeschlichen haben und nun ein Umdenken erfordern müssten? Klar ist: Dortmund hat sein Spiel in den letzten Jahren vor allem aufgrund der hochkarätigen Abgänge immer wieder in Nuancen angepasst, der Grundgedanke verschob sich jedoch nicht im geringsten: Defensiv stabil ins Gegenpressing kommen und bei Ballgewinn einen unsortierten Gegner dank Schnelligkeit und Technik in die Knie zwingen.

Es ist daher keine neue Erkenntnis, dass diese Spielidee grundsätzlich schwieriger umzusetzen ist, sobald eine Mannschaft den Schwarzgelben den Ballbesitz überlässt und wenig Interesse an der eigenen Spielgestaltung vermittelt.

Summe vieler kleiner Szenarien

Es gab in den letzten beiden Jahren durchaus zahlreiche Spiele unter diesen taktischen Voraussetzungen, die dazu beitrugen, dass Dortmund am Ende häufig nur Zweiter wurde. Gegen die vermeintlich schlagbaren Gegner lässt der BVB seine Punkte liegen, mit dieser Tatsache hat sich Klopp längst ungewollt auseinandersetzen müssen.

Ihm sind diese Schlussfolgerungen schon immer zu kurz gedacht. Wird er mit Vorwürfen konfrontiert, die vielen Verletzungen rühren etwa von seinem intensiven Spielstil oder ihm fehle es mannschaftstaktisch an einem Plan B, scheint er innerlich vor Wut zu platzen.

Der Klub und er sehen darin nicht die Wurzel der Probleme, sondern berufen sich bei der Erklärung der aktuellen Lage auf die Summe vieler kleiner Szenarien, die schief laufen. Man möge mit Zweifel entgegnen, ob sich denn alle der misslichen Lage ausreichend bewusst seien.

"Entscheidende Momente" sind da

Ratlosigkeit birgt eben auch immer die Gefahr, das wahre Ausmaß nicht konkret genug einschätzen zu können. Einen längerfristigen Existenzkampf in der Liga hält Hummels beispielsweise "für schlicht unmöglich".

Andererseits erscheint die Dortmunder Vorgehensweise bei genauerem Hinblicken genauso durchdacht. Dortmunds Spielidee funktionierte in der Tat ja bereits gegen unterschiedlichste Herangehensweisen der Gegner. Auch gegen defensiv eingestellte Kontrahenten erarbeitet man sich fast durchgehend genügend Torgelegenheiten und "entscheidende Momente" (Klopp).

Würde sich seine Mannschaft dann belohnen oder zumindest im ersten Schritt nicht wie zuletzt sechs Mal in Serie geschehen einem Rückstand hinterherlaufen, lösen sich psychische Blockaden und sie täte sich mit dem Spielvortrag leichter.

Der Kopf brummt immer mehr

Diese Sichtweise im Kleinen kann man kaum als unverständlich bezeichnen. Natürlich merkt man auch Klopp in diesen Tagen Anspannung und Verunsicherung an. Seine Ausführungen sind zwar rat-, dafür aber nicht sinnloser geworden.

Das Verständnis des Vereins, in dieser Phase intern den Ton zu verschärfen, aber dennoch besonnen und ruhig zu agieren, fasst Klopp in dem Satz "Die gängigen Erklärungen greifen nicht" zusammen. Auch für Hummels, der ansonsten die Dinge klar beim Namen nennen kann, ist es "so langsam wirklich schwierig, Erklärungen zu finden".

Der Kopf brummt also immer mehr, diese Komponente lähmt das eigene Spiel mittlerweile deutlicher als noch zum Start der Niederlagenserie. Mit diesem Effekt leistungsfördernd umzugehen, wird für die Dortmunder die große Pflichtaufgabe der nächsten Wochen werden. Mehr denn je ist jetzt die Psyche der Spieler gefordert - und damit der Mannschaftsgedanke.

Druck auf die Spieler wird immer größer

"Vom verständnisvollen Eins-zu-eins-Gespräch bis zum lauter werden in der Kabine war schon alles da", erklärt Klopp. Für die angekratzten Spieler erhöht sich der in- und externe Druck immer mehr, das Saisonziel in der Bundesliga ist bereits gehörig ins Wackeln geraten.

Siege im Dreitagestakt sind nun so nötig wie nie, allen Randerscheinungen zum Trotz. Dazu bedarf es jetzt des Beweises, dass das als freundschaftlich-familiär gelobte Innenklima selbst in dieser unsicheren Situation in der Lage ist, sich auch weiterhin positiv auf den Teamgedanken auszuwirken.

"Das wird eine Herausforderung in den nächsten Wochen, mit dieser Situation vernünftig umzugehen und vielleicht den Druck vernünftig in Energie zu kanalisieren. Wir brauchen jetzt nicht über Saisonziele zu reden. Das ist alles Makulatur momentan. Wir müssen sehen, wie wir das nächste Spiel gewinnen", sagt Sportdirektor Michael Zorc.

Kollektivgedanke muss funktionieren

Mehr Spaß am Spiel forderte Marco Reus, einer der Besten der letzten Partien. Dazu muss man im Kopf aber die hemmenden Gedanken beiseite schieben können. Nur so befreit sich der Einzelne aus seiner Blase und kann auch wieder besser im Team funktionieren.

In den letzten Jahren war die Arbeit im Kollektiv Borussia Dortmunds großes Faustpfand. Ob sie dem BVB auch im Misserfolg weiterhilft, wird erst die Zukunft zeigen können. Dass sie künftig dringender denn je benötigt wird, steht aber bereits jetzt fest.

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