Sehr bescheidener Rückfall

Nach fünf Spielen ohne Pleite setzte es für den BVB auf fremden Terrain wieder eine Niederlage
© Getty

Mit Chancen auf den Einzug in die Europa League geht Borussia Dortmund gegen Mönchengladbach ins Spiel. Dann liefert der BVB aber eine ganz schwache Vorstellung ab, die in diese verkorkste Saison passt. Sportdirektor Michael Zorc platzte der Kragen.

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Als am 14. August 2004 zum ersten Mal im neu errichteten Stadion im Borussia-Park Fußball gespielt wird, ist Borussia Dortmund zu Gast bei Borussia Mönchengladbach. Seitdem sind zehn lange Jahre vergangen, die Schüssel im Nordpark kann längst einige Geschichten erzählen.

An diesem Samstagnachmittag, erneut war der BVB der Gegner, kam eine weitere hinzu: Nie zuvor ist dort ein früheres Tor gefallen. Lediglich 28 Sekunden benötigten die Fohlen, ehe Oscar Wendt einen Abstauber zum 1:0 nutzte.

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Aus Dortmunder Sicht war dies allerdings gar kein Novum. Vielmehr reihte sich einfach eine weitere Episode an die Slapstick-Saison der Schwarzgelben. In der gesamten Bundesliga-Spielzeit sind bislang fünf Tore in der ersten Spielminute gefallen - unglaubliche drei davon musste der BVB einstecken (zuvor nach 9 Sekunden gegen Leverkusen und nach 53 Sekunden gegen Mainz).

Zorc: "Ziemlich vorhersehbar"

Die Truppe von Jürgen Klopp hat damit in der Bundesliga in den ersten fünf Minuten eines Spiels bereits fünf Gegentore kassiert (Liga-Negativrekord), im Champions-League-Rückspiel gegen Juventus Turin klingelte es nach drei Zeigerumdrehungen.

Für sich genommen sind das zwar jeweils denkbar schlechte Spielentwicklungen, andererseits bleibt zum Auswetzen der Scharte noch genügend Zeit. Doch wer Borussia Dortmund in der laufenden Saison spielen sieht, der weiß, dass die Mannschaft nach diesen plötzlichen Ereignissen zu Spielbeginn kaum mehr in der Lage ist, ausreichend Punch zu entwickeln. Lediglich der Schock gegen Mainz konnte noch in ein Erfolgserlebnis umgemünzt werden.

Warum man nun mit leeren Händen zurück nach Dortmund fahren müsse, wurde der schwache Mats Hummels nach Abpfiff gefragt. Die Niederlage, so der Mannschaftskapitän, habe sich in der ersten Minute schon abgezeichnet. Auch Sportdirektor Michael Zorc sprach von einem Spielverlauf, der nach der frühen Führung "ziemlich vorhersehbar" gewesen sei.

Dortmunder Schein-Dominanz

Was besonders erschreckend an diesen Aussagen ist: Hummels und Zorc haben Recht. Zwar reagierten die Westfalen im Anschluss an das 0:1 mit einigen ordentlichen Angriffen und gezieltem Flügelspiel. Das Resultat war allerdings eine Schein-Dominanz, denn vor dem Kasten des Gegners wurde es nie wirklich gefährlich.

Entschlossenheit, Klarheit, Konsequenz, Zielstrebigkeit, Physis - all dies fehlt dem BVB im letzten Drittel seit Wochen. Klopp spricht dies auch an, er kennt die Gründe für die Harmlosigkeit seiner Mannschaft. Nur ändert sich daran einfach so gut wie nichts. "Wir sind nicht torgefährlich und kassieren naive Tore," fasste Sebastian Kehl treffend zusammen.

Auch der Gegentreffer zum 0:2 passt in das groteske Bild, das Dortmund seit vergangenem Sommer abgibt. Nur Sekunden nach einer exzellenten Schusschance für Ilkay Gündogan verlor der BVB in der gegnerischen Hälfte ein, zwei direkte Duelle und öffnete damit die Tür für einen Sololauf über 70 Meter. Sekunden später standen zwei Gladbacher mutterseelenallein vor dem BVB-Tor und erzielten die Vorentscheidung.

Klopp: "Kein Rückfall"

Zwar fehlte es den Schwarzgelben auch am Samstag nicht am nötigen Willen, in der zweiten Halbzeit stärkte Klopp mit der Umstellung auf eine Dreierkette die Flügel und sorgte so für mehr Präsenz im Sechzehnmeterraum. Die Chance auf einen schnellen Anschlusstreffer wäre auch da gewesen, doch dafür hätte Klopp Adrian Ramos womöglich früher einwechseln müssen - Shinji Kagawa scheiterte mit seiner hundertprozentigen Möglichkeit höchst kläglich.

Eine Leistung wie am Niederrhein ist in diesen Tagen, in denen der Verein mit einer möglichen Teilnahme an der Europa League kokettiert, eindeutig zu wenig. Zumal Zorc sowie Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke Teile der Kaderplanung für kommende Saison vom finalen Saisonausgang abhängig machen und die Zukunft einiger Spieler auch von der Endplatzierung bestimmt werden dürfte.

"Die Leistung heute war kein Rückfall, aber dennoch sehr bescheiden", sagte Klopp. Hummels sprach vom schwächsten Auftritt der Rückrunde. Eine genaue Klassifizierung der Darbietung ist allerdings unnötig, da es von dieser Sorte unter dem Strich schon zu viele gab.

Zorc wütet: "Weltrekord"

Ein Blick auf die Statistik offenbart, in welche Sphären sich Dortmunds Misere mittlerweile gesteigert hat (siehe Info-Kasten links). Angesichts dessen ist es wenig verwunderlich, dass dem sonst so besonnenen Zorc eine Stunde nach Schlusspfiff der Kragen platzte.

Drei Saison-Gegentore innerhalb der ersten Spielminute seien "absoluter Weltrekord, das ist nicht zu akzeptieren", schimpfte Zorc. "Das hat es noch nie gegeben, was soll man da für eine Erklärung haben? Das sagt viel aus, das ist Schläfrigkeit. Du stehst auf dem Platz und bist nicht wirklich da. Wir haben ja vorher keine Schlaftabletten verteilt. Im Moment sind wir anscheinend nicht in der Lage, im Dreitagesrhythmus unsere beste Leistung zu bringen, da fehlt dann einfach auch die Konzentration."

Zorcs Wut ist auch beim Blick auf die Tabelle verständlich. Der BVB steckt in einer trügerischen Region fest, nach Sieg und Niederlage richtet sich der Blick bis zum nächsten Spiel automatisch in unterschiedliche Richtungen. Im schlimmsten Fall ist Rang sieben nach dem 28. Spieltag sechs Punkte entfernt - genauso wie der Relegationsplatz.

Dortmund stehen nun zwei Heimspiele in Serie in Haus, gegen Paderborn und Frankfurt. Es ist jetzt wieder Druck auf dem Kessel. "Da müssen wir die Punkte holen, um unten nicht mehr reinzurutschen", sagte Hummels - und hatte auch damit Recht.

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