"Wir haben dem Verein geschadet"

Von Aufgezeichnet von SPOX
Jürgen Klopp und der BVB stecken tief in der Krise
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Frage: Braucht der BVB in der Winterpause Verstärkungen, um aus dieser Situation rauszukommen?

Klopp: Wir kennen unsere Situation und es gibt Erklärungen dafür, warum der eine oder andere Spieler in der Vorrunde nicht das abgerufen hat, was er kann. Die meisten Jungs mussten mit einer ganz kurzen oder gar keiner Vorbereitung oder einer Verletzungssituation heraus relativ schnell in den Drei-Tages-Rhythmus kommen und konnten ihre Leistung entsprechend nicht abrufen. Wenn man sich die Ausgangslage in Ruhe anschaut, sieht man, dass keiner dieser Spieler das für eine Bundesliga-Saison notwendige Training führen konnte. Wir mussten sie schnell ins Rennen werfen. Wir haben das Training umgestellt, weil wir gar nicht regulär trainieren konnten. Aber die letzten Jahre haben auch gezeigt, dass wir extrem vom Training leben, vom Arbeiten und von den Abläufen. Dies wieder mit allen Spielern hinzubekommen und alle in die entsprechende Verfassung zu bringen, wird unsere Aufgabe sein.

Über Verstärkungen denken wir die ganze Zeit schon nach. Aber wir holen nicht einfach was dazu, das ist nicht wahnsinnig wahrscheinlich! Wir müssen schon schauen, was wir darstellen können. Und bei aller Ernsthaftigkeit des Ganzen macht Aktionismus jetzt natürlich keinen Sinn. Denn bevor wir jetzt über Leute nachdenken, die wir dazu holen und mit denen dann drei Wochen arbeiten können und die dann für uns alles besser machen, prüfen wir das lieber nochmal ab. Wir glauben daran, dass wir uns von dem Moment an, an dem wir wieder gemeinsam auf dem Trainingsplatz stehen, uns einiges erarbeiten können und es wieder viel unangenehmer für den Gegner wird, als es im Moment ist.

Frage: Wie sehr haben die letzten Monate an Ihnen gezehrt?

Klopp: Wenn einer glaubt, das sei die beste Phase meines Lebens, der täuscht sich. Mit einer vermeintlichen Spitzenmannschaft mitten im Abstiegskampf zu stecken, ist an Herausforderung kaum zu überbieten. Trotzdem ist das meine Aufgabe. Es ist nicht so wahnsinnig wichtig, wie es mir geht, ich komme morgens schon noch aus dem Bett. Dass es auch mal in eine andere Richtung gehen kann, das wusste ich. Dass ich jetzt nicht komplett niedergeschlagen bin, liegt daran, dass wir bereits vor dem Spiel wussten, dass wir aus einer sehr bescheidenen Vorrunde auch mit einem Sieg keine Weltklasse-Vorrunde mehr machen können.

Ob wir mit 15 Punkten dastehen oder mit 18, bedeutet Stand heute nichts. Am Ende der Saison wird man es sehen. Für den Moment - nach dem Spiel - bedeutet es nichts. Vor dem Spiel wollten wir die drei Punkte mit aller Macht haben, aber auch da gab es die drei Szenarien: Sieg, einen Punkt oder verlieren. Und jetzt kann ich nicht so tun, als wäre ich nach dieser Vorrunde völlig überrascht davon, dass wir verloren haben. Über meine Herangehensweise an die Rückrunde bin ich mir seit langem im Klaren. Wir hätten nur gerne eine bessere Startposition gehabt. Ich gehe von Platz 18 aus, das heißt, es kann nicht mehr weiter nach hinten gegen. Es wird also von Beginn an zur Sache gehen.

Frage: Was haben Sie aus der Vorrunde gelernt?

Klopp: Wir mussten viele Dinge lernen. Vor allen Dingen aber, dass es in der Kürze der Zeit und unter diesen körperlichen Voraussetzungen der Spieler unsere beste Leistung abzurufen. Aber: Die Möglichkeit besteht, man kann im Abstiegskampf besser agieren und vor allem stabiler sein. Das können auch wir. Und das werden wir sein. Hundertprozentig werden wir das sein! Das war heute ein ganz schwieriger Tag für alle, denen Borussia Dortmund wichtig ist. Aber: Das Ding ist noch nicht vorbei! Ich würde jedem Einzelnen den Tipp geben, es nicht für unmöglich zu halten, dass irgendwann ein Licht angeht am Ende des Tunnels. Ich glaube daran, ich kenne die Mannschaft. Wir haben alle unserem Ruf geschadet in dieser Vorrunde, uns selber und dem Verein. Aber dieser Verein wird das überstehen und wir werden ganz anders daraus hervorgehen. Den Glauben daran, dass es besser geht, habe ich nicht verloren.

Frage: Wie sieht der Fahrplan für die nächsten Tage aus? Schalten Sie erstmal ab oder gehen Sie sofort an die Aufarbeitung?

Klopp: Wir haben lange genug Zeit gehabt, das einzuordnen. Natürlich wird es noch Gespräche geben mit Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc, wir werden ständig in Kontakt stehen. Aber wir können die Situation in der Weihnachtszeit auch nicht so verändern, dass sie dann nicht mehr so scheiße wäre für uns. Es ist Zeit, dass die Jungs den Akku aufladen - und wir auch - und dass wir erholt an die Sache rangehen. Ich bleibe dabei: Es ist eine körperliche Geschichte. Die Jungs sind unglaubliche Wege gegangen und haben dafür nichts bekommen - weil wir zu viele Fehler gemacht haben. Die Situation ist analysiert, das Spiel gegen Bremen hat für die Analyse keine Relevanz. Es war vorher schon klar, dass die Halbserie nicht mit einem absoluten Glücksgefühl enden würde. Deshalb wäre es ein bisschen komisch, wenn wir damit jetzt erst beginnen würden. Wir haben die Augen davor nicht verschlossen und leben damit schon die ganze Zeit. Unser Fahrplan ist abgesteckt.

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Bremen - Dortmund: Die Statistik zum Spiel

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