Raus aus dem Selbstmitleid

Der FC Bayern München steht weiter ungeschlagen an der Spitze
© getty

Der FC Bayern München dominiert die Bundesliga und findet keinen Gegner auf Augenhöhe. Die nationale Konkurrenz gibt sich, so wie die Hertha am 13. Spieltag, selbst auf und spielt nur auf Schadensbegrenzung. Dabei zeigte Berlin, was möglich wäre.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Fast ein Jahr ist es her, da sah sich Armin Veh massiver Kritik ausgesetzt. Der damalige Trainer der Frankfurter Eintracht traf eine symbolische Entscheidung. Er nahm gegen die Bayern Sebastian Rode und Carlos Zambrano aus dem Kader. Beiden drohte eine Gelbsperre vor dem "wichtigeren" Spiel, wie der Trainer betonte, gegen Braunschweig.

Rotation gegen den deutschen Rekordmeister. Den Branchenprimus, den unaufhaltbaren FC Bayern. Eine offene Kapitulation vor dem Spiel. Das Spiel endete 5:0 für die Mannschaft von Pep Guardiola, ein Ergebnis, das sich einreiht in die vielen Siege des FCB. Ein schaler Beigeschmack? Sicher. Das anschließende Spiel gegen die Löwen gewann man aber mit 3:0 und machte einen wichtigen Schritt aus dem Tabellenkeller.

Luhukay schickt den Ausputzer

Die Hertha bot am Samstag alle Stammspieler auf und unterschied sich doch nicht viel von Vehs Eintracht. Eine Fünferkette mit Libero dahinter schickte Jos Luhukay auf das Feld. Hegeler, einst offensiver Mittelfeldspieler, sicherte hinter einem Bollwerk ab. Juan Bernat und Rafinha sahen sich konsequent einer Manndeckung ausgesetzt.

Die Bayern erspielten sich dennoch Chance um Chance. Zwei, drei, vier zu Null hätte es schon nach einer halben Stunde stehen können. Dann kam Arjen Robben nach einem genialen Zuspiel von Thomas Müller, die Fünferkette wurde aus der Distanz überwunden. Ein knapper Rückstand und doch hielt Luhukay an seiner Defensivtaktik fest.

Offensive? Es steht doch nur 0:1. Julian Schieber, Valentin Stocker, Roy Beerens, Änis Ben-Hatira - ein eigentlich so starker Angriff musste sich damit zufrieden geben, alle zwei Minuten einem langen Ball hinterherzujagen, den Jerome Boateng und Dante locker erobern konnten. Die größte Gefahr ging von Abstößen aus. Berlin versuchte mehrfach nach langen Bällen von Thomas Kraft auf der linken Seite durchzubrechen.

Warten auf das Gegentor

Die Hertha entschied sich für einen Weg, den schon viele vor ihr gewählt haben. Egal ob im heimischen Stadion oder auswärts in der Allianz Arena, die Defensive muss stehen. Manchmal hält es zehn Minuten, manchmal 15. Manchmal vielleicht auch 90 Minuten, so wie es dem Hamburger SV und Josef Zinnbauer gelang. Im Normalfall platzt der Knoten jedoch. Die individuelle Klasse der Bayern ist so hoch, wie bei keiner anderen Mannschaft der Liga.

Alle Spieler auszuschalten ist schier unmöglich, früher oder später fällt der Gegentreffer, der einen erneut vor die Frage stellt: Risiko oder Gesicht wahren? Wer die Bayern ärgern möchte, der entscheidet sich für das Risiko, für die Offensive, für hohen Druck.

Die Bundesliga entscheidet sich für die Defensive, dafür das Torverhältnis nicht zu sehr zu strapazieren und am Ende mit einem halbgaren Gefühl im Flieger nach Hause zu sitzen.

Gegenüber "Sport1" sorgte Matthias Sammer in der letzten Saison für Entrüstung: "Wir sollten eher eine Diskussion führen, warum andere Vereine vielleicht nicht so gut sind im Moment." Er bezog sich auf die Trainingsarbeit, auf die Mentalität und die Qualität und lag damit vielleicht gar nicht so falsch. Die Mannschaften gehen inzwischen mit hoch erhobenen Händen ins Duell mit dem FCB.

"Wir können nicht immer top spielen"

Dabei zeigte die Hertha was möglich ist. Bei weitem nicht alles spricht für den FC Bayern. Eine Verletztenmisere im Mittefeld, die ihresgleichen sucht. Kurze Regenerationspausen zwischen den Spielen, anstrengende Kämpfe wie gegen Manchester City am Mittwoch. "Vielleicht waren meine Spieler nach dem Spiel in Manchester nach 70 Minuten in Unterzahl ein bisschen müde. Mit der ersten Halbzeit bin ich zufrieden, die zweite Halbzeit können wir verbessern", stellte Pep nach dem Spiel fest.

Luhukay hatte seine Mannschaft mutig aus der Kabine geschickt. Kein Libero, keine Fünferkette. Eine hohe Viererabwehr, Druck durch bis zu drei Stürmer auf die Innenverteidiger des FCB. Plötzlich waren die Chancen da. "Wir können nicht immer top spielen", gab Robben nach dem Spiel zu - die Möglichkeit war da, dem FC Bayern zumindest ein Unentschieden abzuringen.

Hatten die Münchner in der ersten Halbzeit noch 522 Pässe gespielt waren es in der zweiten Hälfte nur noch 397 - fast 5 Prozent mehr wurden davon lang gespielt. Die Passgenauigkeit nahm merkbar ab, besonders Boateng und Dante leisteten sich Fehler. Obwohl die Hertha offensiver spielte und viel höher verteidigte, gelangen den Gästen weniger Pässe in den Strafraum.

Wer nicht wagt...

Es mag kein repräsentatives Spiel gewesen sein, angesichts der dünnen Besetzung der Bayern und der fast unerklärlich schwachen Leistung in der zweiten Hälfte. Doch vielleicht zeigt es, dass die Liga doch gar nicht so chancenlos ist, wie sie es sich bisweilen selbst vormacht. Wer sich zurückzieht, der wartet nicht nur auf die ein oder zwei Möglichkeiten, die sich zum erfolgreichen Konter bieten, sondern der wartet auch auf das Gegentor, das ohne Zweifel fallen wird.

Wie vermittelt ein Trainer seiner Mannschaft, dass man sich aufgibt und auf das Gegentor wartet? Warum entscheidet man sich nicht dafür, nach vorne zu spielen, mutig zu sein, das zu tun, was einer Mannschaft zuspricht? Der SV Werder Bremen igelte sich ein, der VfB Stuttgart tat es, Köln, Paderborn und Frankfurt schlossen sich an. Die Tordifferenz: 18:0.

Wer es wagt, die Bayern unter Druck zu setzen, gegen ein Zentrum wie heute, das nur von Alonso und dem pendelnden Ribery getragen wird, auch mal zu attackieren, der kann ins offene Messer laufen - kann aber auch genauso gut zum Held der Liga werden. Unschlagbar ist der FC Bayern in einem einzigen Spiel über 90 Minuten bei weitem nicht, auch wenn man es sich gerne einredet.

Hertha - FC Bayern: Daten zum Spiel

Artikel und Videos zum Thema