Ende der Schauermärchen

Gelb-schwarze Glückseligkeit: Jürgen Klopp herzt seine Jungs
© getty

Borussia Dortmund gelingt gegen Mönchengladbach endlich der lang ersehnte Sieg in der Bundesliga. Der BVB offenbart dabei auch alte Schwächen, zeigt sich in einem Punkt aber wie zu besten Zeiten. Gladbachs Pechvogel Christoph Kramer ärgert sich mehr über seine Leistung als über das Eigentor.

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Es war ein Feiertag. Wie im Märchen erschien den Verantwortlichen und dem Betroffenen die Szenerie. Shinji Kagawa hatte gerade im ersten Spiel nach seiner Rückkehr ein grandioses Spiel abgeliefert und beim 3:1-Sieg über Freiburg einen Treffer erzielt.

Das war am 3. Spieltag. Es war der letzte Sieg für den BVB für acht Wochen, ehe am Sonntagabend der Bann gegen Borussia Mönchengladbach gebrochen wurde. Dazwischen lagen eher Schauermärchen und zwischenzeitlich sogar Tabellenplatz 18.

"Es ist relativ viel Druck abgefallen von uns. Die Mannschaft hat ein außergewöhnliches Spiel gemacht, hat sich zu Selbstvertrauen gezwungen, zu Fußball gezwungen, hat überragenden Fußball gespielt", sagte Jürgen Klopp. Ihm war die Erleichterung anzusehen.

Es war in den letzten Wochen nicht so, dass der BVB den Gegnern hoffnungslos unterlegen gewesen wäre. Und doch entwickelte sich die anfängliche Ergebniskrise zu einer sportlichen und am Ende fast zu einer Identitätskrise. Immerhin lief es in der Champions League rund, nur in der Liga zündete das schwarz-gelbe Feuerwerk nicht mehr.

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Klopps Dank gilt Watzke und Zorc

Es wurde darüber philosophiert, ob Klopps Art gar verbraucht wäre und ob das Team die Art des Fußballs, den der Coach fordert nicht mehr umsetzten könne. Erstmals wirkte Klopp ratlos, war aber weiter unantastbar, weil seine Jungs in den internationalen Spielen unter Beweis stellten, dass die Mannschaft noch immer voll hinter ihrem Trainer steht.

Auch die Führungsetage strahlt in der schweren Phase Souveränität aus. "Ich habe mich bei Michael Zorc und Aki Watzke bedankt, dass sie mir keine doofen Fragen stellen, mir nicht mit zweifelnden Blicken hinterhergucken, wenn ich eine Entscheidung treffe", sagte Klopp. "Wer heute hier war und mitbekommt hat, was unsere Zuschauer im Stadion abgezogen haben, der war bei einem großen Sportereignis dabei."

Pfiffe? Niemals

Die Fans standen immer hinter ihrem Team. Und vor allem hinter ihrem Coach. Pfiffe? Mitnichten. Ganz im Gegenteil: Was die gut 80.000 am Sonntagabend gegen Borussia Mönchengladbach für eine Performance lieferten, war einmal mehr aller Ehren wert. Selbst als es nach 45 Minuten wieder einmal 0:0 stand und der BVB unzählige Chancen versiebt hatte, blieb das Publikum ruhig.

Die erste Hälfte gegen defensiv agierende Gladbacher war ein Sinnbild der letzten Wochen. Dortmund hatte Chancen en masse, traf aber das Tor nicht. Das Kopfkino dürfte bei einigen, Fans, Spielern und Verantwortlichen schon gelaufen sein, schließelich erinnerte der Spielverlauf an die viele verlorene Partien.

Doch es kam anders und kein Regisseur der Welt hätte das Drehbuch an diesem Abend besser schreiben können. Ähnlich skurril wie die Ergebnisse des BVB war das Eigentor von Christoph Kramer in der 58. Minute.

Kramer: "Habe richtige Grütze gespielt"

Der Weltmeister wollte den Ball am Mittelkreis lediglich zu Keeper Yann Sommer klatschen lassen. Am Ende lag der Ball im Netz. Versenkt aus 44,5 Metern. Der an diesem Tag überragende Sebastian Kehl tröteste als Erster den Pechvogel. "Ich habe ihm gesagt, dass es mir für ihn leid tut. Es war eine blöde Situation. Für uns war es natürlich glücklich, aber ich hab in dem Moment einfach mit ihm gefühlt, auch wenn ich mich natürlich gefreut habe", sagte der Routinier, der sein insgesamt 300. Ligaspiel absolvierte.

"Wir haben einen Haufen Chancen vergeben, und dann fiel so ein kurioses Tor. Christoph Kramer hat jetzt ungewollt einen Platz in unserer kleinen Geschichte. Aber er ist ein außergewöhnlicher Spieler und für ihn wird dieses Tor als Kuriosität eine kleine Randnotiz in seinem Leben bleiben", sah Klopp die Sache für Kramer persönlich weniger tragisch.

Kramer selbst ärgerte sich gar nicht so sehr über den Fauxpas, der wohl in jedem Bundesliga-Rückblick auf Jahre hinweg zu sehen sein wird. "Ich weiß nicht, ob jemand schon einmal so ein weites Eigentor geschossen hat. Das kann passieren, mich ärgert mehr, dass ich heute eine richtige Grütze gespielt habe. Das darf mir nicht passieren.".

Gladbach müde und fahrig

Der Nationalspieler war nicht der Einzige, der an diesem Abend nicht seine Bestleistung abrufen konnte. "Wir haben gegen eine Dortmunder Mannschaft gespielt, die uns alle Stärken genommen haben", erklärte Kramer. Sie waren super vorbereitet, sie haben uns richtig gut zugestellt. Sie haben das gut gemacht, das muss man einfach anerkennen."

Erstmals schien den Gladbachern aber auch die zusätzliche Belastung im Europacup zu schaffen zu machen. Erst am Freitag waren sie mit Verspätung aus Zypern abgereist, in Dortmund wirkten sie nicht so spritzig und waren fahrig im Passspiel, so dass das Konterspiel nicht in Fahrt kam.

Nicht alles positiv beim BVB

Trotzdem: Bis zu Kramers Eigentor stand es 0:0 und die Gladbacher waren gerade dabei, sich ins Spiel hineinzuarbeiten, während der BVB dem Tempo der ersten Halbzeit etwas Tribut zollen musste und nicht mehr so druckvoll agierte.

Und so sind die Erkenntnisse für Klopp und den BVB nicht nur positiv. Die Chancenverwertung bleibt weiterhin Thema in Dortmund, nicht immer wird es Starthilfe wie von Kramer geben.

Aber entscheidend für den Erfolg war, dass dem BVB erstmals in der Liga ein Zu-Null-Spiel gelang. Nur einen Torschuss gestatteten die Gastgeber den Gladbachern. Im Spiel gegen den Ball war der typische Klopp-Fußball wieder zu sehen.

Gladbachs Torschüsse gegen Borussia Dortmund

Gladbachs Serie reißt

Deshalb verlor Gladbach das erste Pflichtspiel in dieser Saison, die Rekordserie ist gerissen. "Dortmund hat den Sieg verdient. Sie waren besser als wir, sie haben viel Druck gemacht. Das 0:0 zur Halbzeit war sehr glücklich für uns", sagte Lucien Favre.

Für Klopp war der Sieg ein "wichtiges Zeichen für uns, dass es geht. Wenn das der Dosenöffner gewesen sein soll, nehme ich das gerne hin." Anders als beim letzten Mal kommt die Länderspielpause zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Der Schwung des Sieges muss über zwei Wochen konserviert werden, ehe es zum SC Paderborn geht. Denn trotz aller Erleichterung haben die Schwarz-Gelben lediglich zehn Zähler auf dem Konto.

Der Sieg befreite den BVB immerhin vom letzten Tabellenplatz, Rang 15 ist das noch immer nicht zufriedenstellende Zwischenresultat. Der Abstand auf Rang drei und Gladbach beträgt immerhin noch zehn Punkte. Es wird weiter ein harter Weg aus dem Tabellenkeller.

Dortmund - Gladbach: Die Statistik zum Spiel