Falsche Neuner überall

Mario Götze erzielte gegen den HSV seine Saisontore neun und zehn
© Getty

Mario Götze führte den FC Bayern mit einer herausragenden Leistung zum Sieg in Hamburg. Pep Guardiola stellte für ihn sogar das System um. Der Nationalspieler macht Werbung für einen Einsatz im Pokalfinale und macht Druck auf das Sorgenkind Franck Ribery.

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Eigentlich war es ein ruhiger Nachmittag für den FC Bayern in Hamburg. Die Münchner schossen nach Werder Bremen den zweiten Nordklub in Folge ab und feierten den dritten Sieg in der Liga in Folge. Doch ohne Nebengeräusche läuft beim FC Bayern derzeit nichts ab.

Erst die zwei Niederlagen gegen Real Madrid inklusive einer Diskussion über die Spielphilosophie des Trainers. Dann die außerordentliche Mitgliederversammlung mit einem krachenden Auftritt von Ex-Präsident Uli Hoeneß. Und jetzt ein 4:1 beim HSV mit anschließender Abstrafung von Jerome Boateng.

Rummenigge watscht Boateng ab

Der Verteidiger hatte sich vier Minuten vor Schluss nach einem Scharmützel mit Kerem Demirbay, der zuvor einen Elfmeter schinden wollte, eine Ohrfeige geleistet und dafür die Rote Karte gesehen. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete die Watschn als "hirnlos" und kündigte eine Geldstrafe im fünfstelligen Bereich an.

Der Zorn war spürbar bei Rummenigge. Die Reaktion war aber auch etwas komisch, weil die noch etwas heftigere Backpfeife von Franck Ribery am Dienstag gegen Real Madrids Daniel Carvajal noch als Lappalie abgetan wurde. Boateng stand da übrigens in unmittelbarer Nähe. Er hatte sich offenbar ein Beispiel am Franzosen genommen, seine Aktion aber nicht so geschickt versteckt.

Experiment im Spielbetrieb

Dabei gab es noch ganz andere, viel schönere Themen, über die die Münchner nach ihrem Ausflug in die Hansestadt hätten reden können. Zum Beispiel Mario Götze und Pep Guardiola. Der Trainer hatte erst am Freitag ein neuerliches Plädoyer für seine Arbeit und seine Spielidee gehalten.

Von Rummenigge gab es Rückendeckung. In Hamburg zeigte Guardiola, dass er sehr wohl nicht nur einen Plan A hat. Von eindimensionalem Ballgeschiebe, Starrsinn und sturem Festhalten am System war oft die Rede.

Dabei hat Guardiola mehr als einmal in dieser Saison bewiesen, dass er immer bereit ist, an seiner Formation und seiner Taktik zu tüfteln. Manchmal vor dem Spiel, manchmal während des Spiels. Auch in Hamburg war es wieder ein Experiment im Spielbetrieb.

Guardiola stellt radikal um

Franck Ribery war wegen Rückenproblemen nicht mitgefahren nach Hamburg und Mario Mandzukic musste trotz seiner Chance auf die Torjägerkanone auf die Bank. Dafür kamen Javi Martinez und Mario Götze in die Mannschaft.

Martinez stabilisierte und Götze brillierte. Dass der 37-Millionen-Neuzugang Götze dem Spiel seinen Stempel aufdrücken konnte und an fast jeder gefährlichen Offensivaktion beteiligt war, lag auch an einer Umstellung Guardiolas.

Die offensiven Flügel wurden in Abwesenheit von Ribery aufgelöst, die Außenverteidiger schoben dafür im Spielaufbau nicht ins Zentrum, sondern hielten die Außenbahn. Robben rückte von rechts in die Mitte und spielte an der Seite von Thomas Müller in vorderster Linie. Guardiola brachte also zwei falsche Neuner, wenn man so will, und Götze als Zehner dahinter. Bayern spielte plötzlich 4-4-2 mit Raute.

Es ist kein Geheimnis, dass sich der 21-jährige Götze im Zentrum wohler fühlt, egal ob "als falsche Neun, als Zehn, als Acht. Ich habe das in der Jugend gespielt, habe dort mehr Möglichkeiten als auf den Außen", sagte Götze vor einigen Wochen.

Götze ein klassischer Pep-Spieler

Götze ist ein Spieler, der mit seinen technischen Fähigkeiten und seiner Wendigkeit Situationen auf engem Raum lösen und sich sehr gut zwischen den Linien bewegen kann. Einen festgefahrenen Angriff kann er mit einer Drehung, einem Pass Dynamik und Zug zum Tor verleihen. Er ist eigentlich ein klassischer Guardiola-Spieler.

Auch in den zwei Spielen gegen Real Madrid hatte Götze jeweils die besten Chancen. Für die Startelf reichte es in beiden Partien allerdings nicht. Auch im Hinspiel bei Manchester United wurde er nur eingewechselt. In den großen Spielen hat Guardiola bisher meist Ribery und Robben auf den Flügeln vertraut und Mandzukic oder Müller ins Sturmzentrum gestellt.

Götze hat eine solide erste Saison gespielt in München. In der Bundesliga steht er aktuell bei zehn Saisontoren und acht Vorlagen. Keine schlechte Bilanz für einen 21-Jährigen, der in der Sommervorbereitung lange verletzt war und seinen Platz im Team erst suchen musste. Aber auch genug für Götze?

Wo findet Götze seinen Platz?

Er wurde aus Dortmund geholt, um das Spiel in den kommenden Jahren zu prägen. Über kurz oder lang wird er dabei an Ribery oder Robben vorbei müssen. Sowohl mit dem Franzosen als auch mit dem Holländer hat der FC Bayern noch einen Vertrag bis 2017. Im Sturm wird der Kampf um den einen Platz mit der Verpflichtung von Robert Lewandowski noch härter.

Oder Götze passt sein Spiel noch mehr an und fügt noch ein defensiveres Element hinzu. Dann wäre er auch noch öfter eine Option für die Acht, eine deutsche Version von Andres Iniesta, der gemeinsam mit Thiago auf den Halbpositionen für einem defensiveren Sechser das Spiel bestimmt.

Mario Götzes Opta-Statistiken in der BL-Saison 2013/14

Götze will endlich ein Endspiel spielen

Klar scheint, dass Guardiola nach den jüngsten Eindrücken in den ausstehenden zwei Partien einen Platz für Götze finden muss. Zumal Franck Ribery bis auf eine gute Halbzeit gegen Werder Bremen seit Wochen seiner Form hinterherläuft. Einen Bankplatz würde der Franzose sehr wahrscheinlich nicht ohne Murren akzeptieren.

Götze hat seine Ziele vor den Halbfinalspielen im Pokal und der Champions League so definiert: "Endlich mal ein Endspiel spielen, das wär's!" Beim Champions-League-Finale 2013 fehlte er verletzt, beim DFB-Pokalfinale 2012 saß er 90 Minuten auf der Bank.

Ein Platz in der Startelf am 17. Mai in Berlin gegen Borussia Dortmund böte durchaus die Chance für schöne Geschichten - sicher nicht ohne Nebengeräusche.

Hamburg - Bayern: Daten zum Spiel