(K)ein erster Schritt

Von Stefan Rommel
Marin Harnik verschoss gegen Werder Bremen einen Elfmeter
© Getty

Die Art und Weise von Stuttgarts Auftritt bei Werder Bremen nährt die Hoffnung auf einen erfolgreichen Kampf gegen den Abstieg. Dabei hat der VfB auch in Bremen einige Probleme nicht abstellen können. Hinter den Kulissen verfolgt Präsident Bernd Wahler weiter seine kühnen Ziele.

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Huub Stevens ließ seine Augen noch eben über seine Notizen schweifen, faltete den Zettel dann akkurat zusammen und ließ ihn in der Jackentasche verschwinden. Reißverschluss zu, zwei kurze Klopfer zur Sicherheit hinterher: Das Ding war bestens verstaut und zur Nachbereitung für den Sonntag aufbewahrt.

Richtig viel hatte Stevens bei seinem Debüt als Trainer des VfB Stuttgart nicht niedergeschrieben, die wichtigen Dinge hatte der Niederländer längst schon abgespeichert und wiederholte diese dann den Interessierten in den Katakomben des Bremer Weserstadions.

"Hier hätte nur eine Mannschaft mit drei Punkten vom Platz gehen dürfen - und das waren wir. Ich bin mit unserem Spiel zufrieden, aber nicht mit dem Ergebnis. Deshalb sind wir enttäuscht", sagte Stevens.

Einige fruchtbare Umstellungen

Über den Stuttgarter Weg wurde in den letzten Tagen und Wochen viel und leidenschaftlich diskutiert. Mit der Demission von Thomas Schneider und der Entscheidung für Stevens sei der schöne Plan von einer blühenden Zukunft erwirkt durch Stuttgarter Eigengewächse bis auf weiteres in der Schublade verschwunden.

Jetzt gilt der Stevens-Weg. Und der sah in Bremen, beim dritten von insgesamt fünf Spielen in Serie gegen die direkte Konkurrenz aus dem Tabellenkeller, ein paar einschneidende Änderungen im Mannschaftsgefüge vor. Stevens verordnete seiner neuen Mannschaft eine defensivere Denkweise als sein Vorgänger Schneider.

Dazu gab er die zuletzt präferierte Raute im Mittelfeld auf und verdichtete den Räume in der eigenen Hälfte. Das Rückzugverhalten bei Ballverlusten war schon sehr ordentlich, der VfB ließ im Prinzip keine Konterchance der Gastgeber zu. Ein wenig spielte der VfB damit so, wie es ihm der Gegner in den letzten Spielen zur Anschauung gezeigt hatte.

"Stuttgart hat gespielt und ist so aufgetreten wie wir in den vergangenen Wochen. Sie waren sehr schnell hinter dem Ball und haben uns den Ballbesitz überlassen", sagte Bremens Trainer Robin Dutt, der seiner Mannschaft einen "glücklichen Punkt" beschied. Dass es überhaupt noch so weit kommen konnte, hatte Werder weniger sich selbst, als dem Gegner zu verdanken.

25 Punkte nach Führung verspielt

Wie schon etliche Male zuvor in dieser Saison vergab der VfB reihenweise klare Torchancen, darunter einen Handelfmeter. Martin Harniks Fehlschuss vom Punkt war bereits der dritte der Stuttgarter in dieser Spielzeit. So verspielte der VfB nach einer eigenen Führung in Bremen die Punkte 24 und 25. Eine wahnsinnige Zahl, alleine in der Rückrunde wurden jetzt schon 16 Zähler hergeschenkt, obwohl die Mannschaft schon in Front gelegen hatte. Das Team tritt weiter auf der Stelle.

Und so mussten die Spieler wieder die Platte auflegen, die bereits vor einer Woche nach dem Remis gegen Eintracht Braunschweig in Dauerschleife lief. "Wir haben wieder sehr gute Möglichkeiten ausgelassen, um den Sack zuzumachen. In den kommenden Spielen müssen wir diese Matchbälle dann auch mal nutzen", sagte Kapitän Christian Gentner.

"Wir müssen mit dem zweiten Tor den Deckel draufmachen, dann gewinnen wir hier auch. So kriegen wir wieder so ein dämliches Gegentor und spielen nur unentschieden", sagte Fehlschütze Harnik.

Stevens: Ruhe, Souveränität und Autorität

Der Österreicher ließ aber auch durchblicken, dass das Spiel in Bremen eher als ein erster Schritt in die richtige Richtung gewertet werden sollte, denn als neuerlicher Rückschritt. "Der Effekt des Trainerwechsels hat gezeigt, dass eine Euphorie und eine große Hoffnung entfacht wurden. Huub Stevens strahlt sehr viel Ruhe und Souveränität aus und eine gewisse Autorität. Das tut gerade einer jungen Mannschaft im Abstiegskampf sehr gut."

Dass der VfB mit dem zehnten Spiel in Folge ohne Sieg (bei nur zwei Punkten) eine 15 Jahre alte Marke eingestellt hat und nunmehr 18 Mal in Folge mindestens ein Gegentor kassiert hat, interessierte Stevens nicht. "In der nächsten Woche müssen wir drei Punkte holen. Und wenn wir wieder mit so einer Art und Weise wie hier in Bremen auftreten, dann bin ich zuversichtlich."

Der Gegner am kommenden Samstag heißt Hamburger SV. Die zweite Mannschaft neben dem VfB, die es in dieser Saison bereits mit dem dritten Trainer versucht. Zu großen Teilen verantwortlich für die Fluktuation auf der Trainerbank ist Fredi Bobic. Der saß zum ersten Mal seit über drei Jahren nicht auf der Bank, sondern auf der Tribüne.

"Von dort kann ich das Spiel besser verfolgen", ließ Bobic wissen. Der Sportvorstand wirkte kurz angebunden, konstatierte aber immerhin, dass man bereits in den ersten 90 Minuten unter Stevens schon einige Verbesserungen sehen konnte. Und außerdem: "In unserer Lage ist jeder Punkt wichtig, den man mitnehmen kann."

Spagat zwischen Realität und Vision

Bobic ist in den letzten Wochen unfreiwillig zum Buhmann mutiert. Die Worte von Präsident Bernd Wahler bei einer Podiumsdiskussion unter der Woche lassen einigen Raum für Spekulationen. "Fredi Bobic ist für den Sport verantwortlich und muss sich der Kritik stellen", sagte Wahler da. Er wiederholte seinen Plan, mit dem VfB in naher Zukunft wieder Einzug in die Champions League zu halten.

"Ich weiß, das klingt gerade verrückt", versuchte Wahler den Bezug zwischen kühner Träumerei und der harten Realität herzustellen. Zumindest kündigte er für den Fall des Klassenerhalts größere Veränderungen auf der Personalebene an. "Wenn ich zu den Besten gehören will, brauche ich die besten Leute", sagte Wahler. Die Besten für die Mannschaft, für den Trainerstuhl - und auch für die sportliche Leitung?

Gerüchte um Thomas Tuchel und Ralf Rangnick halten sich im Stuttgarter Umfeld, der eine als Trainer, der andere als Sportdirektor. Huub Stevens interessieren die Spekulationen für die Zeit nach der Saison wenig.

Stevens hat einen Vertrag bis Ende der Spielzeit unterschrieben und der formuliert automatisch die klare Mission. "So wie wir gespielt haben, kann das der Weg sein", sagte er zum Abschluss des Tages. "Der Weg, um da unten wieder rauszukommen."

Bremen - Stuttgart: Daten zum Spiel