Bremen kann Derby

Von FÜr SPOX im Weserstadion: Stefan Rommel
Nils Petersen (M.) bejubelt den mit seinen Kollegen den Sieg im 100. Nordderby
© Getty

Wieder einmal behält Bremen im Duell mit dem HSV die Oberhand. Für Hamburg wurde die Partie zu einem doppelten Drama: Neben der Niederlage verletzte sich Abwehrspieler Slobodan Rajkovic so schwer am Knie, dass er nun ein halbes Jahr ausfallen wird. Bremen dagegen entwickelt mittlerweile völlig neue Qualitäten.

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Mirko Slomka riskierte noch schnell einen Blick auf einen der Fernseher im Bauch des Bremer Weserstadion. Henrikh Mkhitaryan war da zu sehen, der Armenier war dabei, den dritten Dortmunder Treffer gegen den 1. FC Nürnberg zu erzielen.

Slomka registrierte die Niederlage eines seiner Konkurrenten im Abstiegskampf mit einem milden Lächeln und schlenderte dann zur Pressekonferenz. Der Hamburger Trainer hatte eine insgesamt enttäuschende Leistung seiner Mannschaft zu moderieren, da blieben die Ergebnisse auf den anderen Plätzen der Bundesliga für den HSV fast noch das Beste an einem schlimmen Nachmittag.

Bremen aggressiver als der HSV

Eine Woche nach dem spektakulären 3:0 über den BVB erwies sich Slomkas Mannschaft im 100. Nordderby bei Werder Bremen als wenig Derby tauglich. Die Hamburger verschliefen die ersten 30 Minuten, sie ließen sich überrumpeln von einfachem Bremer Fußball mit vielen langen Bällen und einer gehörigen Portion Grundaggressivität in den Zweikämpfen.

"Es war ein rassiges Derby. Das wollten die Bremer und leider haben wir genau das zugelassen", sagte Slomka. "Wir wussten, dass Werder mit langen Bällen agieren wird und haben uns gut darauf eingestellt. Die Luftduelle haben wir zwar gewonnen, aber dann die zweiten Bälle verloren." Also schickte der Trainer schon nach 28 Minuten seine komplette Ersatzbank zum Aufwärmen. Da stand es bereits 0:1 aus Hamburger Sicht.

Zlatko Junuzovic war nach Aaron Hunts Hackenpass eher zufällig an den Ball gekommen und blieb alleine vor Rene Adler eiskalt. So ein Gegentor kann immer mal passieren und der HSV hatte ja noch über 70 Minuten Zeit, das Ergebnis zu korrigieren. Slomka baute seine Mannschaft im Vergleich zum Dortmund-Spiel nur auf einer Position um, und doch sah er eine ganz andere Mannschaft als noch vor einer Woche.

Rajkovic mit Kreuz- und Innenbandriss

Hakan Calhanoglus Lattentreffer kurz vor der Pause sollte die einzige nennenswerte Offensivaktion des gesamten Spiels bleiben. Der HSV spielte phasenweise ganz gut mit, ließ aber "den entscheidenden Punch vermissen", wie es Pierre-Michel Lasogga ausdrückte. Mitten hinein in die beste Hamburger Phase verletzte sich Slobodan Rajkovic am Knie. Wie am Sonntag bekannt wurde, hat sich Rajkovic einen Kreuzband- und Innenbandriss zugezogen, die Saison ist für den Serben damit beendet.

"Mit der Verletzung von Boban kam es zum Bruch in unserem Spiel. Wir verfielen wieder in das Muster der ersten Halbzeit", sagte Slomka. Für Rajkovic ist der lange Ausfall dramatisch, der Serbe hatte sich gerade erst nach acht Monaten auf der Tribüne wieder einen Platz im Team erkämpft. "Seine Verletzung ist das größte Pech. Er ist ein fabelhafter Profi und ein guter Mensch, wir drücken ihm alle die Daumen, dass er schnell wieder zurückkommt", sagte Rene Adler sichtlich bedrückt.

Kreuzer "erklärt" Wintertransfers

Rajkovic wird lange ausfallen, auch Petr Jiracek musste angeschlagen vom Platz, Milan Badelj brach sich die Mittelhand. Drei Figuren des kurzzeitigen Aufschwungs, der in Bremen vorerst wieder gestoppt wurde. Zwei andere, in der Winterpause verpflichtet, durften im Derby gar nicht erst mithelfen. Die beiden Niederländer Ola John und Ouasim Bouy standen nicht im Kader.

"Das ist die Entscheidung des Trainers", führte Oliver Kreuzer zunächst noch diplomatisch aus. Dann aber verlegte sich Kreuzer auf eine für einen Sportdirektor ungewöhnliche Sicht der Dinge, was seine beiden Wintertransfers betraf. "Von Ola John haben wir uns viel mehr erwartet. Bouy war kein Spieler, auf den wir gesetzt haben und der uns in der jetzigen Situation hilft. Der Spieler war eine Dreingabe."

Den positiven Effekt, den ein Derbysieg auslösen kann, ließ der HSV auch ohne seine beiden Zugänge leichtfertig durch die Finger gleiten. Der Gegner war fußballerisch nicht besser. Aber Werder wollte den Sieg mehr.

"Die ganze Stadt war in Wallung"

Nahezu jede aggressive Aktion wurde von einem Bremer geführt, immer wieder warf sich noch ein Spieler in die Schussbahn oder grätschte im letzten Moment dazwischen. Die Bremer Spieler setzten auf dem Rasen das um, was man nach den Tagen davor erwarten durfte.

"Ich habe auch schon ein paar Derbys gespielt, aber so geknistert wie vor diesem Derby hat es selten. Die ganze Stadt war in Wallung", erinnerte Robin Dutt an die Tage vor dem Spiel. "Wir wussten, dass das ein Kampfspiel wird, wollten nicht, dass sich die Hamburger den Zweikämpfen entziehen können. Das hat die Mannschaft heute in beeindruckender Weise umgesetzt, hat sich von der ersten Minute in jeden Ball geschmissen, ständig nachgesetzt und einer hat für den anderen gefightet."

Dutt wechselt geschickt

Der Trainer trug einen großen Teil dazu bei, dass es zu diesem Sieg, der deutlich mehr wert ist als nur drei Punkte, reichte. Dutt stand in den letzten Wochen öfter auch in der Kritik wegen seiner taktischen Maßnahmen. Alleine seine Wechsel gegen den HSV waren aber goldrichtig.

Dutt schloss durch zwei Wechsel sukzessive das Zentrum, ohne dabei mögliche Entlastungsangriffe aufgeben zu müssen. Die Hamburger Drangphase nach der Pause war so relativ schnell wieder beendet und Bremen bekam die Partie wieder in den Griff.

"Die Wechsel und die Systemumstellung haben heute perfekt funktioniert. Sie waren in dieser Phase sehr wichtig für die Mannschaft", sagte Torschütze Junuzovic. Der hatte wie seine Kollegen mit einer "unglaublichen Anspannung" vor der Partie zu kämpfen. "Der Druck in den letzten Tagen war brutal." Werder konnte mit dem Druck aber sehr gut umgehen und schaffte es, diesen in positive Energie umzusetzen. Auch die durchaus anfällige Innenverteidigung mit Sebastian Prödl und Assani Lukimya stand sehr sicher.

Entwicklung im Defensivverhalten

Zwar hat Werder mit 46 Gegentoren weiter die drittschlechteste Defensive der Liga. Auf der anderen Seite hat die Mannschaft jetzt aber auch schon zum achten Mal zu Null gespielt - so oft wie in den beiden abgelaufenen Spielzeiten zusammen.

Die oft monierte fehlende Weiterentwicklung der Mannschaft trägt zumindest im Defensivverhalten erste Früchte. "Hier kann man eine Entwicklung deutlich sehen. Das muss auch registriert werden, dass wir die Mannschaft wieder stabilisieren konnten", sagte Thomas Eichin.

Werders Sportchef hatte zuletzt auch einige bittere Spiele zu erklären. Umso mehr freute er sich dieses Mal über seine Rolle als Mahner. "Wir haben uns Luft verschafft, aber das war noch kein Meilenstein. Was wir jetzt nicht gebrauchen können, ist Selbstzufriedenheit. Es ist wichtig, dass wir das Derby jetzt schnell abhaken. Wir dürfen stolz sein, aber ab Montag gilt die Konzentration dann Nürnberg."

Bremen - Hamburg: Daten zum Spiel