HSV: Wie ein Absteiger

Bert van Marwijk holte als HSV-Trainer nur zwölf Punkte
© Getty

Der Hamburger SV ist mit zwei Niederlagen und neuen Negativbestmarken ins Jahr 2014 gestartet. Der Trainer wirkt ratlos und angeschlagen und verkennt die Realität, der Kapitän spricht der Mannschaft die Qualität ab und Hoffnungsträger sind rar gesät. Der HSV hat kaum noch Argument auf seiner Seite.

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Zumindest die "Sky"-Reporterin konnte beruhigt nach Hause fahren. "Ich mache mir keine Gedanken um Ihren Job", antwortete Bert van Marwijk auf die Frage der Fernsehfrau, ob sich der Niederländer um seinen Job fürchte. Der Versprecher des erfahrenen Fußball-Lehrers war nicht der einzige Fauxpas eines Protagonisten des Hamburger SV an diesem Samstagnachmittag. Und eigentlich war er nur einer von unzähligen in der Spielzeit 2013/2014.

0:3 verlor der Hamburger Sport-Verein bei 1899 Hoffenheim: Der Bundesliga-Dino blieb gegen die bis vor dem Anpfiff um 15.30 Uhr schlechteste Abwehr der Liga ohne Torschuss und kassierte gegen einen verunsicherten Gegner drei Tore, die man einfacher nicht hätte herausspielen können.

Historisch schlecht

Seit Samstag, 17.20 Uhr hat der HSV die schlechteste Abwehr der Liga mit 44 Gegentoren nach 19 Spieltagen. "Wie die Tore reingehen - ich kann es nicht mehr sehen", sagte Rafael van der Vaart nach dem Spiel konsterniert. So erging es auch den mitgereisten Fans, die selbst das gegenseitige Beklatschen mit den Spielern nach Schlusspfiff mit Pfiffen bedachten.

Es war für Hamburg nicht nur die fünfte Bundesliga-Niederlage in Folge, was dem Klub zuletzt 1970 widerfuhr: Der HSV kassierte auch zum vierten Mal in Folge mindestens drei Gegentore. An den letzten vier Spieltagen der Saison 1973/74 passierte das dem HSV schon mal, weil man aber Zwölfter wurde, blieb die Serie ohne Folgen.

40 Jahre später darf man sich in Hamburg nicht mehr sicher sein, dass die bisher völlig misslungene Saison folgenlos bleibt. Stand Februar 2014 ist der HSV akut abstiegsgefährdet, mehr denn je, und Stand Februar 2014 sprechen wenige Fakten dafür, dass sich das ändert. "Diese Saison ist eine Katastrophe", sagte van der Vaart.

Van Marwijks Sorgen

An dieser ist der Spielmacher des HSV genauso maßgeblich beteiligt wie der Trainer. Am 25. September übernahm van Marwijk den Hamburger SV auf dem 16. Tabellenplatz mit vier Punkten. Der HSV ist immer noch Sechzehnter und hat seither nur zwölf Punkte mehr auf dem Konto.

Bitter für die Hamburger Macher: Thorsten Fink hatte einen besseren Punktedurchschnitt als der Niederländer.

Van Marwijk lässt immer noch ein klares Konzept vermissen. Gebetsmühlenartig bemängelt er Spieltag für Spieltag das Abwehrverhalten seiner Mannschaft, ohne wirklich selbst Verbesserungsansätze zu liefern.

"Ich habe in der ersten Halbzeit gesehen, dass die Mannschaft alles getan hat und eine Antwort geben wollte auf die schlechten Spiele in der letzten Zeit", sagte van Marwijk nach dem Hoffenheim-Spiel und fügte an: "Wir hatten viel mehr Spielanteile."

Herumgeschiebe als Taktik

Die OPTA-Statistiken offenbarten zwar in der Tat einen HSV-Ballbesitz von 67 Prozent und einer hochgradigen Überlegenheit bei den Pässen (647:299), dennoch widerlegte das tatsächliche Vorgehen des Hamburger Teams die These des Trainers, der exklusiv positive Ansätze sah. Denn viele der unzähligen Pässe konnten auch getrost unter der Kategorie "Herumgeschiebe" verbucht werden - so wenig waren Raumgewinn und Effektivität zu sehen.

Die winterlichen Nachbesserungsversuche in Ouasim Bouy, Ola John und als Last-Minute-Verstärkung Patrick Owomoyela waren gut gemeint. Sie sind positionsbedingt aber wohl nicht die Spieler, die der HSV letztlich benötigt. Die Neuen sind derzeit genauso wenig Hoffnungsträger wie die meisten ihrer Neu-Kollegen. "Am Ende des Tages fehlt die Qualität, wir spielen einfach schlecht", gab van der Vaart zu.

Und da stellt sich die Frage, was dem HSV in der verbleibenden Spielzeit überhaupt noch Hoffnung macht. Der Trainer, der etwas ratlos und angezählt wirkt, verkörpert derzeit keinen Hoffnungsträger. Zumal sich van Marwijk wohl inzwischen tatsächlich Gedanken machen muss, wie es mit ihm weitergeht.

Altbekannte Muster

Dass van der Vaart nach Schlusspfiff seinen Landsmann wortstark verteidigen musste und sich gegen eine Trennung aussprach und die Stimmung in der Hamburger Medienwelt während der Woche verraten die bekannten Muster einer schleichenden Trainer-Demission.

Van Marwijk selbst gab sich bei dem Thema etwas dünnhäutig: "Ich habe mir noch keine Gedanken über meinen Job gemacht. Und das mache ich auch nicht, aber wenn man denkt, dass es ein anderer besser kann, dann müssen die mir das sagen."

"Die" stehen noch hinter dem Trainer. "Ständig immer alles auf den Trainer zu schieben, das hat man in den letzten Jahren immer gemacht. Immer war der Trainer schuld, immer wieder ist man auf die Trainer los", sagte Sportdirektor Oliver Kreuzer: "Das ist der richtige Trainer für diesen Verein. Da muss man andere Dinge hinterfragen."

Hoffnungsträger Spielplan?

Zum Beispiel die Gangart der Mannschaft, die selbst beim Blick auf den Spielplan kaum Mut macht.

Das Rahmenprogramm beinhaltet zwar demnächst Borussia Dortmund, aber auch Mitkonkurrenten wie Eintracht Braunschweig, Nürnberg oder Werder Bremen. Chancen genug, um ein klares Statement im Abstiegskampf abzugeben.

Klar ist aber auch, dass der HSV vor einem noch größeren Trümmerhaufen stehen würde, wenn selbst diese Aufgaben nicht erfolgreich gestaltet würden.

Hoffenheim - Hamburg: Daten zum Spiel