Die Ernte der Vorjahres-Saat

Von SPOX
Hertha BSC beendete die 2. Liga souverän auf dem ersten Tabellenplatz
© getty

In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Hertha BSC

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Dank einer überragenden Zweitliga-Saison steht Hertha BSC in der Bundesliga, die man erst im Vorjahr durch das Skandal-Relegationsspiel gegen Fortuna Düsseldorf verlassen musste.

Im Gleichschritt mit Eintracht Braunschweig marschierte Berlin durch die 2. Liga und stieg am Ende als unangefochtener Meister mit 22 Punkten Vorsprung auf den vierten Platz auf.

Um die Wiederholung des direkten Wiederabstiegs von 2011/2012 zu verhindern, haben die Verantwortlichen um Trainer Jos Luhukay den für einen Aufsteiger überdurchschnittlich guten Kadern weiter verstärkt.

Das ist neu

Viel hat sich in diesem Jahr bei der Hertha nicht verändert. Der große Umbruch erfolgte bereits nach dem Abstieg, als man sich von Topverdienern wie Rafael und Ebert sowie Kaderleichen beziehungsweise Mitläufern wie Beichler, Kachunga und Ottl trennte. Neu dazu kamen erfahrene Spieler wie Kluge, Allagui, Ndjeng und Pekarik, die fortan ein stabiles Gerüst der Aufstiegsmannschaft bildeten.

Diese Vorarbeit ermöglichte es Berlin, den Kader in diesem Jahr nur punktuell verstärken zu müssen. Obwohl man mit nur einer Million Euro nicht viel Geld in die Hand nahm, gelang es der Hertha trotzdem vier gute Neuzugänge in die Hauptstadt zu locken. "Wir sind konkurrenzfähig. In Anbetracht unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten haben wir uns gut verstärkt", betonte Luhukay.

Einzig für Hajime Hosogai, der genau wie Sebastian Langkamp und Johannes van den Bergh für mehr Stabilität in der Defensive sorgen soll, beanspruchte Berlin das Festgeldkonto. Kreative Momente in der Offensive erhofft man sich von Ex-Teufel Alexander Baumjohann, der ebenfalls ablösefrei zu haben war.

Ein weiteres großes Plus ist, dass man von schmerzhaften Spielerverkäufen gänzlich verschont blieb. Sämtliche Leistungsträger der Aufstiegsmannschaft stehen auch in der nächsten Saison auf dem Meldebogen der Hertha. Die Vertragsverlängerung von Top-Scorer Ronny wurde sogar vor dem Zweitliga-Gipfeltreffen zwischen Berlin und Braunschweig auf der Anzeigetafel verkündet und frenetisch von den Fans gefeiert.

Neu in Berlin ist auch der Versuch, endlich Konstanz in den Verein zu bekommen - und zwar sowohl im Lizenzspielerbereich als auch in der Führungsetage. Luhukay legte vor und verlängerte seinen Vertrag bis 2016, Manager Preetz soll in Bälde nachziehen.

Die Taktik

Schon während seinen Zeiten in Augsburg und Mönchengladbach glänzte Jos Luhukay mit einer großen taktischen Variabilität. Ähnlich wie Mitaufsteiger Braunschweig lief auch die Hertha in der vergangenen Saison mit unterschiedlichen Spielsystemen auf.

Setzte der Trainer Anfang der Hinrunde meist auf ein klassisches 4-4-2 mit zwei Stürmern, veränderte sich sein System im Laufe der Saison immer mehr zum 4-2-3-1. Die hohe Flexibilität der Angreifer, von denen sowohl Ramos als auch Allagui und Ben-Hatira fast alle Positionen im Offensivbereich bekleiden können, ermöglichte Luhukay, das System auch während des Spiels umzustellen und der Spielsituation anzupassen.

Da die Hertha in der ersten Liga wohl nicht mit zwei Stürmern auflaufen wird, ist der Konkurrenzkampf in der Spitze ähnlich hoch wie in den anderen Mannschaftsteilen. Sicher ist nur, dass Thomas Kraft als unangefochtene Nummer 1 in die Saison geht. Vor ihm kommen Brooks, Lustenberger, Langkamp und Franz für die Innenverteidigung in Frage, außen werden vorrausichtlich Pekarik und van den Bergh verteidigen.

Nicht anders sieht es im Mittelfeld aus, wo sich Kluge, Niemeyer und Hosogai um die beiden Positionen der Doppelsechs streiten. Sollte Lustenberger nicht in der Innenverteidigung auflaufen, ist auch er eine Alternative für das defensive Mittelfeld.

Größer ist das Angebot von Coach Luhukay nur in der offensiven Dreierreihe. Baumjohann, Ronny, Ramos, Ben-Hatira, Ndjeng und Allagui können dort fast beliebig eingesetzt werden und während der Partie rotieren.

Die Besetzung der einzigen Stürmerposition hängt stark von Lasoggas Form ab. Wenn der bullige Stürmer zu seinem Spiel findet und es schafft, Torgefahr auszustrahlen, wird Luhukay ihm wohl den Vorzug geben und Ramos über den Flügel schicken. Präsentiert sich Lasogga allerdings wie bei der U-21-EM, sollten Ramos oder Allagui in vorderster Front beginnen.

Der Schlüsselspieler

Alexander Baumjohann. Dass ein formstarker Ronny die Chancen auf den Klassenerhalt der Berliner deutlich erhöht, ist offensichtlich. Viel wird aber auch davon abhängen, ob Alexander Baumjohann endlich den Schritt zum Bundesligaspieler auf konstant gutem Niveau schafft.

Zu oft stand ihm im Verlauf seiner Karriere auf und neben dem Platz die jugendliche Eigenschaft des "zu viel Wollens" im Wege: Er ging zu häufig ins Dribbling, schoss aus aussichtslosen Positionen aufs Tor und übersah seine besser postierten Mitspieler.

Dass sich diese falschen Entscheidungen auch in der Karriereplanung wiederholten, zeigt sein vorschneller Wechsel von Borussia Mönchengladbach zum FC Bayern, in dessen Folge Baumjohann in der Versenkung zu verschwinden drohte.

Mittlerweile ist er 26 Jahre alt und startet einen neuen Versuch in der Bundesliga - seinen wohl letzten.

Dass er ein Spiel lenken und den tödlichen Pass spielen kann, hat er beim 1. FC Kaiserslautern ebenso unter Beweis gestellt, wie seine Torgefahr (5 Tore, 11 Assists). Es wird Zeit, dass er auch der höchsten deutschen Spielklasse wieder seinen Stempel aufdrückt.

Gelungen ist ihm dies bisher erst einmal. In der Saison 2008/2009 war er einer der Leistungsträger der Gladbacher Mannschaft und bestach durch tolle Tore wie seinen 70-Meter-Solo-Lauf gegen Werder Bremen. Sein Trainer war damals übrigens Jos Luhukay.

Die Prognose

Viele Aufsteiger scheiterten in den letzten Jahren an einem zu dünnen Kader. Diese Problematik ist bei der Hertha nicht zu erwarten, im Gegenteil sogar.

Luhukay verfügt defensiv wie offensiv über gleichwertige Alternativen und wird so auch auf eventuelle Verletzungen von Leistungsträgern reagieren können. Zudem ist die Mannschaft eingespielt und stellte auch in der Vorbereitung ihren hervorragenden Teamgeist unter Beweis.

Berlin geht gut gerüstet in den Abstiegskampf und hat keine schlechten Aussichten, am Ende der Saison über dem Strich zu stehen. Wenn alle Rädchen greifen, scheint sogar eine Platzierung zwischen Rang acht und zwölf möglich.

Der Kader von Hertha BSC