HSV ganz nah dran am Abgrund

Von Stefan Rommel
Pierre-Michel Lasoggas Treffer fand wegen einer Abseitsstellung keine Anerkennung
© getty

Der Hamburger SV steht vor dem ersten Bundesliga-Abstieg seiner Vereinsgeschichte. Der HSV kam im ersten Relegationsspiel gegen Greuther Fürth nur zu einem schmeichelhaften 0:0. Der notorisch auswärtsschwache HSV benötigt im Rückspiel am Sonntag ein Remis mit Toren oder einen Sieg.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Vor 57.000 Zuschauern in der Imtech-Arena war der Zweitligist die bessere Mannschaft und dem einen oder anderen Treffer nahe. Hamburg enttäuschte im wichtigsten Spiel der Saison nahezu komplett.

Am Sonntag steigt das entscheidende Rückspiel am Fürther Ronhof. Hamburg geht mit der "Empfehlung" von keinem Sieg und keinem Remis im Jahr 2014 in Auswärtsspielen in die Partie.

Fürths Niko Gießelmann sah Mitte der zweiten Halbzeit seine 5. Gelbe Karte und fehlt im Rückspiel.

Die Reaktionen:

Mirko Slomka (Trainer HSV): "Ich bin überhaupt nicht zufrieden. Wir haben zu lange gebraucht, um in die Partie zu kommen. Das war ein zu langes Abtasten. Wir hatten zu wenige Standard-Situationen, keine Ecke vor der Pause. In der zweiten Halbzeit wear es viel besser, leider haben wir das Tor nicht gemacht. Aber wir haben noch alle Möglichkeiten. Wir brauchen in Fürth nicht einmal zu siegen - uns reicht ein 1:1."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff:

Der HSV ohne Adler und die beiden formschwachen Westermann und Jansen. Die beiden Letzteren sitzen zunächst auf der Bank. Adler musste das Aufwärmen wegen Rückenbeschwerden abbrechen, für ihn startet Drobny im Tor. Jiracek für Jansen links in der Viererkette und Djourou in der Innenverteidigung für Westermann. Tesche beginnt auf der Doppel-Sechs. Bei Fürth sitzen Sukalo und Weilandt beim Anpfiff auf der Bank. Baba und Sparf dürfen beginnen.

26.: Fürth führt einen Freistoß schnell aus. Der Ball kommt in den Strafraum auf Azemi. Schöne Drehung um Mancienne, Schuss im Fallen aus acht Metern. Drobny rettet mit dem rechten Fuß.

44.: Böser Fehlpass von Mavraj. Calhanoglu dazwischen, geht auf den Strafraum zu und zieht dann mangels Anspielstationen aus 22 Metern selbst ab. Aber gut zwei Meter links vorbei.

45.: Baba spaziert durchs Mittelfeld, bedient Azemi rechts im Strafraum. Der zögert einen Tick zu lange und kann seinen Schuss aus zehn Metern dann nicht genau platzieren. Drobny faustet weg.

51.: Ecke Fürth von rechts. Gießelmann am ersten Pfosten völlig blank, köpft den Ball aber rechts am Tor vorbei.

53.: Baba macht wieder Dampf über links, starke Hereingabe aus dem Halbfeld. Djurdjic entwischt in Djourous Rücken, rutscht aber Zentimeter am Ball vorbei.

65.: Konter HSV. Jansen setzt sich links durch. Pass auf Van der Vaart. Der chippt auf Lasogga. Kopfball aus acht Metern, entgegen Hesls Laufrichtung. Aber der Keeper passt auf und schnappt zu.

67.: Freistoß Van der Vaart von rechts. Lasogga trifft aus neun Metern per Kopf, steht dabei aber klar im Abseits.

70.: Gefährlicher Schuss von Calhanoglu aus 23 Metern. Hesl im Nachfassen.

74.: Toller Freistoß an den Hamburger Fünfer. Azemi muss den Ball eigentlich nur über den Schädel rutschen lassen, köpft aber richtig - und so aus sechs Metern drüber.

76.: Weilandt geht an vier Gegenspielern vorbei, flankt dann scharf und flach zur Mitte. Azemi verpasst um Zentimeter.

85.: Nach einer verunglückten Abwehr von Gießelmann kommt Lasogga frei zum Abschluss. Hesl rettet stark. Sekunden später lupft Jiracek den Ball nur aufs Tornetz.

90. + 3: Nach Calhanoglus Flanke steht Van der Vaart am Fünfer frei - trifft aber den Ball nicht richtig.

Fazit: Fürth war die bessere Mannschaft, im Angriff aber zu harmlos, um die Partie verdientermaßen zu gewinnen. Der HSV bleibt in dieser Form nur wenig Hoffnung.

Der Star des Spiels: Stephan Fürstner musste sich um Van der Vaart kümmern und auch die Kreise von Calhanoglu stören. In beidem war er bärenstark. Dazu überall zu finden, ballsicher, Klub im Zweikampf. Ganz starke Partie auf der Position vor der Abwehr.

Der Flop des Spiels: Robert Tesche war als zweiter Sechser neben Milan Badelj eigentlich dafür vorgesehen, das Zentrum zu halten und wenn möglich auch den Spielaufbau zu unterstützen. Beides schaffte Tesche bis zu seiner überfälligen Auswechslung nicht. Auch von Kapitän Rafael van der Vaart war wieder einmal nicht viel zu sehen.

Der Schiedsrichter: Felix Zwayer zeigte eine gute Leistung mit kleineren Schönheitsfehlern. Richtig, Lasoggas Tor wegen Abseits die Anerkennung zu verweigern (67.). Bei den persönlichen Strafen aber ohne Linie: Zeigte Mancienne (5.) und Badelj (11.) nach kernigen Fouls keine Gelbe Karte, dem Fürther Sparf dann aber für ein ähnliches Vergehen.

Das fiel auf:

  • Der HSV in den ersten fünf Minuten energisch und mit der dem Spiel entsprechenden Körpersprache. Dann kam die Angst zurück und jeder Anflug von Elan war verflogen. Fürth benötigte ein wenig Anlaufzeit, wurde dann im Verlauf der ersten Halbzeit aber immer sicherer und bespielte die Problemzonen des HSV bei jeder Gelegenheit: Das schlafmützige Umschaltverhalten des defensiven Mittelfelds, die Räume zwischen Viererkette und defensivem Mittelfeld und zwischen den Außen- und Innenverteidigerpärchen auf beiden Seiten.
  • Die Gäste mit kleinen, aber wichtigen Kniffen, die dem HSV das Leben schwer machten: Spielten ihre Standards variabel aus, hielten das Tempo mit schnell ausgeführten Freistößen oder Einwürfen hoch und nutzten so immer wieder die Unordnung in der Hamburger Defensive. Was fehlte, war die Genauigkeit rund um den gegnerischen Strafraum.
  • Hamburg offensiv im ersten Durchgang kaum existent. Die Zufuhr an Zuspielen auf Calhanoglu wurde von Fürth gut unterbunden, Van der Vaart versteckte sich in der offensiveren Rolle hinter Lasogga und hatte kaum Ballkontakte. Defensiv gab es einmal mehr große Lücken im Zentrum, die Doppel-Sechs funktionierte in der Rückwärtsbewegung wie in vielen Spielen davor in dieser Saison fast gar nicht.
  • Fürth wirkte körperlich und geistig frischer und immer einen Tick handlungsschneller. Die Gäste dominierten den Gegner eine Halbzeit lang und machten ihre individuelle Unterlegenheit im Kollektiv locker wett. Den ersten zaghaften HSV-Torschuss gab es nicht umsonst nach 44 Minuten. Auf dem Weg in die Kabine blafften sich reihenweise Hamburger Spieler gegenseitig an.
  • Nach dem Wechsel zunächst dasselbe Bild: Fürth mit guter Struktur im Aufbau und schnell vorgetragenen Angriffen, der HSV ohne Mittel und Ideen. Erst Mitte der Halbzeit leistete sich Fürth ein paar Fouls rund um den Strafraum zu viel, hier strahlte der HSV dann durch seine Standards so etwas wie Gefahr aus.
  • Das kurze Aufflackern Hamburger Torgefahr war aber schnell wieder vorbei und Fürth kam über die Flügel in der Folge der Partie wieder zu besseren Chancen. Beide Mannschaften waren am Ende körperlich platt, es entwickelte sich phasenweise ein offener Schlagabtausch, bei dem der HSV sogar noch zu Chancen kam - obwohl Hamburg körperlich stärker abbaute als Fürth.
  • So blieb das einzig Positive für den HSV, dass er ohne Gegentreffer aus dieser Partie gekommen ist. Mehr war nach so einer Leistung nicht drin.

Hamburg - Fürth: Alle Fakten zum Spiel