HSV drückt auf die Depressionsbremse

SID
Gewohntes Bild für den HSV: Westermann holt den Ball aus dem eigenen Netz
© Getty

Keine Siege, keine Fortschritte und vor allem kein Realismus: Der hässlichen 0:2 (0:0)-Niederlage im 95. Nordderby beim Erzrivalen Werder Bremen folgte die verbale Schönfärberei der Verantwortlichen des Hamburger SV.

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Letzter Tabellenplatz, nur ein Punkt aus fünf Spielen, der schlechteste Saisonstart der Hamburger Bundesliga-Geschichte - und doch kann oder will die Führungsetage des HSV die prekäre Lage nicht erkennen.

"Die Mannschaften vor uns in der Tabelle sind doch gar nicht weit weg. Für einen Abstiegskampf ist unser Kader viel zu gut. Gegenüber der Niederlage gegen Köln haben wir uns erheblich gesteigert", sagte Sportchef Frank Arnesen und schob schnell hinterher: "Ich bin nicht in Panik. Der Trainer steht nicht zur Diskussion."

Dabei war der HSV maximal eine halbe Stunde lang ein Gegner auf Augenhöhe für die wiedererstarkten Bremer in einem rassigen Nordderby.

Je länger die Partie dauerte, umso erdrückender wurde die Überlegenheit der Platzherren, die sich in den beiden Toren von Claudio Pizarro in der 52. und 78. Minute nur unzureichend dokumentierte. Auch ein 6:1 für Werder wäre möglich und verdient gewesen.

Jarolim: "Haben nichts gelernt"

Hamburgs Trainer Michael Oenning war trotzdem mit seiner Mannschaft im Reinen und konnte "klar erkennen, dass wir uns positiv entwickeln". Die Torschussbilanz von 21:8 für Bremenspricht eine andere Sprache.

Sorgen machen müssen sich die HSV-Fans vor allem deshalb, weil es am Willen der Hamburger nicht mangelt - es fehlt nach dem radikalen personellen Umbruch offensichtlich an Qualität. Aber zumindest der kritische Blick auf die eigene Situation ist bei den Spielern durchweg noch vorhanden.

"Wir haben gar nichts gelernt aus dem Köln-Spiel und können nicht immer sagen: Nächste Woche, nächste Woche", sagte Routinier David Jarolim. Und doch verwies Mannschaftskapitän Heiko Westermann unverdrossen auf das nächste Spiel: "Es wäre katastrophal, wenn wir das nicht gewinnen."

Bremen will kein Bayern-Jäger sein

Wie schnell ein Traditionsverein in den Abstiegsstrudel geraten kann, hatten die Bremer in der vergangenen Saison am eigenen Lieb erfahren.

Nun sieht es so aus, als könnte Bremen wieder an die glorreichen Jahre mit regelmäßigen Auftritten auf internationalem Parkett anknüpfen. Und so manch einem fiel ein, dass der letzte Meistertitel in der Saison 2003/2004 errungen wurde, als sich Werder ganz auf das Kerngeschäft Bundesliga konzentrieren konnte.

Doch so ganz traut man sich in Bremen selbst nicht über den Weg. "Wir sind keine Bayern-Jäger, sondern Punkte-Jäger", erwiderte Vorstandsboss Klaus Allofs auf erste Fragen nach Titelambitionen.

Drastischer fiel der Kommentar von Torhüter Tim Wiese aus: "Dazu sage ich nichts, dafür ist hier zuletzt zu viel Scheiße passiert."

Happyend mit Naldo

Dafür empfand der exzentrische Keeper einen "Gänsehautmoment", als Teamkollege Naldo nach 16-monatiger Verletzungspause wieder ein Pflichtspiel für die Grün-Weißen bestritt, zumindest für vier Minuten.

Wegen einer langwierigen Knieverletzung hatte dem Brasilianer zeitweise sogar das Karriereende gedroht, doch pünktlich zu seinem 29. Geburtstag genoss der Innenverteidiger die Ovationen der 41.600 Zuschauer im ausverkauften Weserstadion.

Für Trainer Thomas Schaaf ein beispielhaftes Happyend: "Diese Geschichte zeigt, dass es wieder klappt, wenn man immer dran glaubt und hart dafür arbeitet." Es hätte auch ein Ratschlag an die krisengeschüttelten Gäste sein können.

Bremen - Hamburg: Daten zum Spiel