Drei Punkte gegen die Kritik

SID
Passend zur Partie: Tunay Torun (l.) und Philipp Bargfrede lieferten sich harte Duelle im Mittelfeld
© Getty

Armer Rene Tretschok. Die Umarmung von Michael Preetz war ziemlich heftig ausgefallen. Der Manager von Hertha BSC nahm den Co-Trainer nach dem 1:0 (0:0)-Erfolg gegen den SV Werder Bremen fast schon in den Würgegriff. So groß war die Last, die von Preetz am Samstag gefallen war nach all der Kritik und der Häme der letzten Wochen und Monate.

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Trainer Otto Rehhagel holte mit Hertha im Berliner Olympiastadion drei Punkte gegen seinen früheren Arbeitgeber Werder, drei Punkte im Kampf gegen den Abstieg und auch drei Punkte gegen all die Kritiker, die "einfach mal Fresse halten" sollen.

Dies war der Wortlaut, den Hertha BSC am Freitagabend per Pressemitteilung an die Außenwelt verschickte. Zitiert wurde darin Herthas Präsident Werner Gegenbauer, der auf ein scharfzüngiges Interview von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin reagiert hatte. Und dieser unsouveräne Umgang mit einem der vielen Kritiker war auch ein Zeichen dafür, dass die Führung des Klubs den Aufgaben in schwierigen Zeiten nur bedingt gewachsen scheint.

Zwölf Spiele hatte Hertha bis zum Samstag nicht mehr gewonnen, auf Relegationsplatz 16 war der ambitionierte Aufsteiger abgerutscht. Und nicht nur "Ahnungslose" (Gegenbauer) wie Trittin waren zu der Auffassung gekommen, dass nach zwei Trainerentlassungen innerhalb einer Spielzeit womöglich in der Führungsetage etwas nicht stimmt. Oder wie Trittin sagte: "Der Fisch stinkt immer zuerst am Kopf."

Torun: "Es geht jetzt aufwärts"

Wie gut für Gegenbauer, dass dem technisch wenig beschlagenen Nikita Rukavytsya bei seiner Volleyabnahme in der 62. Minute der Ball über den Schlappen rutschte und von dort ins Tor fiel. "Es geht jetzt aufwärts", sagte Herthas Mittelfeldspieler Tunay Torun nach dem Spiel. Die 90 Minuten zuvor hatte er noch auf einen rund 30 Meter langen Banner in der Ostkurve geblickt, auf dem stand: "Ihr habt Euer Versprechen gebrochen." Die Kritik an Hertha BSC wird nicht nur von Politikern wie Trittin geübt. Sie kommt eben auch und vor allem von der Basis, die sich wegen der zuletzt leidenschaftslosen Vorstellungen der Mannschaft "verraten" fühlte, wie es im Sprech der sensiblen Fanseele immer so schön heißt.

Wie gut für Gegenbauer aber auch, dass die jüngste Trainerverpflichtung in der kniffligen Situation vielleicht genau die richtige war. Otto Rehhagel ist 73 Jahre alt, und es vergeht kaum eine Pressekonferenz, auf der er nicht vergisst zu sagen, dass ihn nichts und niemand nach all den Jahren noch ärgern kann. "Ich habe keine Angst mehr vor euch", entgegnete er am Samstag einem Journalisten. Und vom gleichen Reporter auf die Aussagen Trittins angesprochen, antwortete er: "Lass das sein. Morgen Abend hat der Außenminister meine Frau Beate und mich zum Essen eingeladen. Darauf freue ich mich."

Fanol Perdedaj mit erstem Bundesligaspiel

Der Mann steht über den Dingen, aber möglicherweise nicht zu weit, um den Blick auf das Wesentliche zu verlieren. Am Samstag nahm er wirkungsvolle Veränderungen bei seiner Mannschaft vor. Kapitän Andre Mijatovic fand sich ebenso wie Herthas bester Torschütze Pierre-Michel Lasogga zunächst auf der Bank wieder. Der junge Fanol Perdedaj (Rehhagel: "Der heißt nach dem Spiel nur noch Paradise.") machte sein erstes Bundesligaspiel und zählte gleich zu den besten Akteuren auf dem Platz.

Die Bremer waren dabei die "spielerisch bessere Mannschaft", wie Rehhagel seinem Trainerkollegen und langjährigem Weggefährten Thomas Schaaf zugestand. Doch "zum Spielgewinn gehört auch, dass man Tore schießt", erklärte Schaaf hernach. So aber ärgerten sich die engagierten Bremer, dass sie "als Aufbaugegner gedient" hatten (Tom Trybull). Möglicherweise aber gab es auch einige in Bremen, die es dem verdienten ehemaligen Bremer Trainer Rehhagel gönnten. Der jedenfalls freute sich: "Wenn wir verloren hätten, hätte man vielleicht gesagt: 'Mensch, das geht nicht mehr.' So aber sind wir wieder dabei."

Hertha - Bremen: Daten zum Spiel

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