Dortmund hat ein Backstage-Genie

Von Fatih Demireli
Borussia Dortmund hat zum achten Mal in Folge nicht verloren
© Getty

Es war eine harte Woche für Borussia Dortmund: Bayern München geschlagen, beim FC Arsenal verloren und nun beim Derby gegen den FC Schalke mit 2:0 (1:0) triumphiert. Jürgen Klopp verrät den wahren Helden der Schwarz-Gelben, während sein Gegenüber Huub Stevens mit seiner "Schülermannschaft" abrechnete. Für die Knappen gab es eine bittere Erkenntnis.

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Maximal zwei Minuten und ein paar Zerquetschte hatte Kevin Großkreutz zur Verfügung, um beim 139. Derby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 irgendwie aufzufallen. Um nichts dem Zufall zu überlassen, stiftete der Mittelfeldspieler punktgenau zur seiner Einwechslung in der 89. Minute mit wilden Armbewegungen die Zuschauer zu mehr Begeisterung an.

Mehr war nicht drin für Großkreutz und mehr war auch nicht nötig an diesem Nachmittag, weil in den 89 Minuten zuvor seine Kollegen den FC Schalke 04 quasi im Vorbeigehen 2:0 (1:0) besiegten: 28. Bundesliga-Derbysieg, damit an Schalke im direkten Duell vorbeigezogen, achtes Spiel in Folge ohne Niederlage und die Tabellenführung für mindestens eine Nacht.

Wenn der FC Bayern beim 1. FSV Mainz 05 patzt, bleibt Dortmund sogar nach dem Spieltag ganz oben. Doch die Tabellenführung war nach diesem Auftritt erst einmal sekundär.

Klopps Riesenlob

"Die Jungs haben drei Tage nach einem ganz schwierigen Spiel hier so einen rausgehauen - das ist nicht selbstverständlich, das freut mich sehr für die Kerle." Das Lob Jürgen Klopps fiel überschwänglich aus. Das 1:2 gegen den FC Arsenal und das Fast-Aus in der Champions League: Zumindest für einen Abend war erst einmal alles vergessen.

Die Schalker Fans versuchten zwar mit Schmähgesängen ("In Europa kennt euch keine Sau!") immer wieder an das Geschehen in der Königsklasse zu erinnern, aber auf Dortmunder Seite feierte man lieber das Hier und Jetzt: "Das ist geiler als die Meisterschaft", tönte Großkreutz. Mario Götze widmete den Dreier dem Anhang: "Jeder BVB-Fan hier hat auf den Sieg gegen Schalke gewartet. Für jeden Einzelnen haben wir dieses Spiel gewonnen."

Die BVB-Mannschaft offenbarte sicherlich nicht seine beste Saisonleistung, aber sie war äußerst abgeklärt und souverän in der Ausführung. Schalke gelang erst in der 53. Minute der erste ernstzunehmende Torschuss, Dortmunds Torhüter Roman Weidenfeller hatte nach 18 Minuten seinen ersten von 24 Ballkontakten. "Wir waren von der ersten bis zur 90. Minute die überlegene Mannschaft. Ich bin begeistert. Das war der schönste Sieg gegen Schalke", sagte Klopp.

Der heimliche Held

Doch was war das Erfolgsgeheimnis? Warum hat Schalke unter der Regie von Huub Stevens erstmals auswärts verloren - und vor allem so wirkungslos gespielt? Klopp hat eine Erklärung: "Öffentlich lobe ich meine Co-Trainer viel zu selten. Dass ich mit Zeljko Buvac eine Granate neben mir habe, ist das eine, aber was Peter Krawietz in den letzten Wochen in der Vorbereitung auf die Gegner abliefert, ist einfach herausragend."

Während Buvac, Klopps rechte Hand, inzwischen durchaus eine mediale Bekanntheit erlangt hat, ist Krawietz eher die große Unbekannte. Dabei ist der 39-Jährige nicht nur Co-Trainer, sondern gleichzeitig auch der Videoanalyst. Klopp kennt Krawietz schon seit 1996. Sportstudent Krawietz von der Uni Mainz arbeitete schon damals als Videoanalyst für den FSV Mainz 05. Als Klopp 2008 nach Dortmund wechselte, nahm er Krawietz einfach mit.

Fußball spielte der Videomann nur im Amateurbereich: "Ich war der Jürgen Klopp der Südwest-Liga. Die Ansätze sind ähnlich." Heute ist Krawietz einer der wichtigsten Ansprechpartner Klopps: Er erstellt und analysiert nicht nur Videomaterial der eigenen Mannschaft, die Klopp oft noch in der Halbzeit der Spiele seiner Mannschaft in der Analyse präsentiert, sondern auch in aller Ausführlichkeit die Gegner: Auch Bayern, Arsenal und nun Schalke waren unter dem Radar des Dortmunder Backstage-Genies.

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Klopp rotiert

Die Erkenntnisse und Vorschläge an den Chef waren Gold wert: "Es hat alles 1:1 geklappt", lobte Klopp den heimlichen Derby-Helden. Auf Grundlage des Inputs von Krawietz "haben wir", so Klopp, "den Gegner nicht hinten rausspielen lassen. Wir haben Lars Unnerstall, der ein Riesenspiel gemacht hat, die Bälle lang schlagen lassen. Im Zentrum waren wir kopfballstärker und konnten so um die zweiten Bälle kämpfen. So war Schalke eigentlich nie im Spiel".

Insbesondere in der ersten Halbzeit war ein Klassenunterschied zu erkennen, obwohl Dortmund keineswegs auf Anschlag spielte, Reisestrapazen hinter sich hatte und auf wichtige Spieler wie Shinji Kagawa, Kevin Großkreutz (rausrotiert) und Sven Bender (verletzt) verzichtete bzw. musste. Hinzu kam noch ein Lucas Barrios, der trotz aller Mühen wie ein Fremdkörper war und die Einsatzzeit quasi zum Eingewöhnen nutzen konnte - in einem Derby.

Stevens rechnet mit "Schülermannschaft" ab

Für Schalke skizzierte sich dadurch ein Armutszeugnis, so dass Huub Stevens drastische Worte fand: "In der ersten Halbzeit war es phasenweise so, dass ich eine Erwachsenenmannschaft wie eine Schülermannschaft gesehen habe. Das darf nicht sein. Ob das Angst ist, ob das Respekt ist oder was auch immer - das ist nicht gut. Ich hoffe, dass das eine gute Lehrphase für die jungen Burschen ist."

Süffisant erscheint da die Aussage von Dortmunds Mats Hummels bezüglich der unterschiedlichen Leistungen in der Bundesliga und in der Champions League: "In der Bundesliga sind wir ja mit unseren 22 Jahren schon alte Hasen. In der Champions League ist es die Kunst, jedes Spiel die volle Konzentration zu halten. Aber wir lernen ja noch." Bei Schalke ist der Lernprozess sogar national noch im Anfangsstadium.

Heldt: "Zum Einschlafen"

Aus der Sicht der Knappen setzte es die bittere Erkenntnis, dass der Rivale von nebenan derzeit deutlich enteilt ist. Stevens redete da nicht um den heißen Brei: "Als Mannschaft muss man top sein, um hier zu überstehen - das weiß man. Es waren viel zu viele Spieler nicht auf dem Niveau, das sie normalerweise bringen. Das hat natürlich mit einem guten Gegner zu tun, der in der Entwicklung weiter ist als wir."

Nur dem überragenden Lars Unnerstall war es wohl zu verdanken, dass Schalke, das nach Meinung von Sportchef Horst Heldt "teilweise" Fußball "zum Einschlafen" zeigte, keinem Debakel ausgesetzt wurde. "Dieses Derby zu verlieren, ist für uns ziemlich hart - und für unsere Fans wahrscheinlich noch härter. Wir hatten einfach nicht verdient, zu gewinnen", sagte Unnerstall sehr ehrlich. Die Leistung des jungen Schlussmanns war auch der einzige Trost für Schalke an diesem Tag.

Dortmund - Schalke: Daten zum Spiel

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