Wackeln die Bayern jetzt?

Von Daniel Börlein
Der FC Bayern kassierte in Hannover die zweite Saisonniederlage
© Getty

Der FC Bayern München kassiert bei Hannover 96 nach acht Spielen mal wieder eine Niederlage. Darf sich die Konkurrenz über den ersten Bayern-Durchhänger der Saison freuen? Was war los mit Jerome Boateng? Und wie ist der Rekordmeister zu schlagen?

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Reaktionen:

Jupp Heynckes (Trainer FC Bayern München) über das Spiel: "Das war ein sehr intensiv geführtes Spiel von beiden Seiten. Es lief sehr vieles gegen uns. Wir haben einen Elfmeter verursacht, dann haben wir einen Platzverweis bekommen. Wenn wir das 1:1 erzielt hätten, hätten wir das Spiel auch gewinnen können. Ich muss meiner Mannschaft ein großes Kompliment zollen. In diesem aufgeheizten Stadion haben wir sehr cool und diszipliniert gespielt und hätten das Unentschieden verdient gehabt. "

...über den Platzverweis gegen Jerome Boateng: "Er war unberechtigt. Es müssen beide Geld bekommen und nicht einer Rot und der andere Gelb. Es wurde mit zweierlei Maß gemessen. Der Schiedsrichter hat sich, weil er es nicht sehen konnte, vom vierten Offiziellen beeinflussen lassen, der mit uns schon vorher im Clinch war, weil ich ihn höflich gebeten hatte, dass er doch bitte drei Meter zurückgehen sollte. Das hat er nicht gemacht und gesagt, dass er das Spiel verfolgen müsse. Da sagte ich, was er denn meine, wofür wir hier sind. Es war eine Revancheaktion. Er war heute der Protagonist."

Jerome Boateng (FC Bayern München) über seine Rote Karte: "Das war auf keinen Fall eine Rote Karte. Niemals. Christian Schulz stößt zuerst. Warum sollte ich ihn ohne Grund zurückschubsen? Es war eine Reaktion auf seinen Stoß gegen mich und Toni Kroos."

Christian Schulz (Hannover 96) über die Rudelbildung in der 28. Minute: "Es war eine Unsitte der Bayern-Spieler. Sergio Pinto lag draußen, hat einen Schlag abbekommen, und dann beugen sich zwei Spieler von denen, Toni Kroos und Jerome Boateng, über ihn drüber und beschimpfen ihn. Deswegen bin ich ein bisschen dazwischen, um unseren Spieler zu schützen. Und dann gab es eine kleine Rangelei. Der Stoß kam von Boateng. Ich habe ihn nicht provoziert, sondern nur ein bisschen weggeschoben, weil die Ärzte an Sergio ran wollten."

Mirko Slomka (Trainer Hannover 96) über die Rote Karte gegen Jerome Boateng: "Ich habe zum Schiedsrichter und zum vierten Offiziellen gesagt, nichts machen und einfach weiterspielen lassen. Es war so undurchsichtig, da kann man gar nichts entscheiden. Ich hätte gesagt, weiterspielen und fertig."

Jan Schlaudraff (Hannover 96): "Es ist immer schwer gegen die Bayern, das hat man auch heute gesehen. Wir haben eine kämpferisch überragende Leistung gezeigt, haben alles in die Waagschale geworfen und sind sehr froh, dass es für drei Punkte gereicht hat. Man hat gesehen, dass die Bayern, auch wenn sie hier verloren haben, im Moment das Nonplusultra sind. Wie sie spielen, auch in Unterzahl haben sie enorm Druck gemacht. Das ist schon eine herausragende Mannschaft. Ich glaube, für uns war es am Ende ein bisschen glücklich, aber nicht unverdient."

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Nachbetrachtung:

Wackelt Bayern jetzt? Niederlage in Hannover, zuvor "nur" remis in Neapel - zwei Pflichtspiele hintereinander ohne Sieg haben die Bayern in dieser Saison noch nicht erlebt. Wer nun allerdings die erste Mini-Krise beim Rekordmeister vermutet, der liegt falsch. "Ich muss meiner Mannschaft ein Kompliment zollen", sagte Jupp Heynckes. "Heute bin ich mit meiner Mannschaft mehr zufrieden als bei manchem 5:0-Spiel."

Trotz der Niederlage hatten die Münchner keineswegs enttäuscht. Zwar ließ die Heynckes-Elf vor allem in Halbzeit eins die Dominanz vergangener Partien vermissen, spielerisch überzeugte man allerdings allemal. Und hätte man zumindest eine der vielen Chancen genutzt, wäre am Ende auch ein verdienter Punktgewinn gestanden. So bleibt den Bayern nur die Erkenntnis, dass die Mannschaft sich auch nach dem 0:2 und mit einem Mann weniger nicht aufgab, bis zuletzt an den Ausgleich glaubte und auch darum kämpfte.

Allerdings: Trotz guter Leistung stehen die Bayern nach Hannover mit leeren Händen da. Und obwohl man zuvor acht Spiele ungeschlagen und ohne Gegentor geblieben war, liegen die Münchner nach zehn Spieltagen nur drei Punkte vor Verfolger Borussia Dortmund, der nach durchwachsenem Saisonstart immer besser in Fahrt zu kommen scheint.

Was war das, Jerome Boateng? Nach einem heftigen Schubser gegen Christian Schulz, sah der Bayern-Abwehrspieler nach knapp einer halben Stunde die Rote Karte. Eine harte, aber vertretbare Entscheidung. "Das war auf keinen Fall eine Rote Karte. Niemals", sagte Boateng, der nach seiner Meinung nur auf einen Schubser von Schulz reagiert hatte. Dass Boateng die Situation anders bewertete als Schiedsrichter Manuel Gräfe, ist legitim. Dennoch wird der Nationalspieler vorerst mal zuschauen müssen.

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Im Kampf um einen Platz in der Innenverteidigung, dort wo Boateng nach eigenem Bekunden am liebsten agiert, ein herber Rückschlag. Weil Daniel van Buyten krankheitsbedingt fehlte, hatte Boateng in Hannover mal wieder innen eine Chance erhalten - und sie ungenutzt verstreichen lassen. Überzeugt van Buyten in Boatengs Abwesenheit ähnlich wie zuletzt, gibt's für Heynckes erstmal keinen Grund, Boateng wieder in der Zentrale zu bringen. Zumal der 23-Jährige auch auf rechts spielen kann und dort Rafinha keineswegs glänzt.

Wer waren die Besten? Hannover überzeugte gegen den Rekordmeister als Kollektiv, in dem jeder aufopferungsvoll für den Sieg fightete. Heraus stachen Keeper Ron-Robert Zieler, der einige Mal glänzend reagierte und Mittelfeldmann Lars Stindl, der ein enormes Laufpensum herunter spulte, Philipp Lahm richtig forderte und wertvolle Defensivarbeit gegen Frank Ribery leistete.

Bei den Bayern war Toni Kroos auffälligster Akteur, wie zuletzt schon häufiger. Der Nationalspieler entwickelt sich mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt im Bayern-Spiel. In Hannover hatte Kroos starke 97 Ballkontakte, verteilte die Bälle klug oder suchte selbst den Abschluss. In der hektischen Schlussphase war ihm der Wille anzumerken, unbedingt noch den Ausgleich erzielen zu wollen. Die Folge: am Ende hatte Kroos eine starke Zweikampfbilanz von 70 Prozent.

Wie ist der FC Bayern zu schlagen? Am ersten Spieltag hatte Borussia Mönchengladbach die Bayern bezwungen, seitdem hatte die Heynckes-Elf nicht mehr verloren und schien zuletzt fast unschlagbar. 96 bewies nun allerdings, dass man gegen die Münchner sehr wohl noch gewinnen kann. Von Beginn an trat das Team von Mirko Slomka forsch auf, suchte immer wieder den schnellen Ball in die Spitze und ging in den Zweikämpfen aggressiv zur Sache.

Zudem gelang es den Niedersachsen, Franck Ribery zu großen Teilen aus dem Spiel zu nehmen. Im Mittelfeld schaffte man es, den einfachen Ball auf den Franzosen zu unterbinden. Bekam Ribery die Kugel dann doch, wurde er sofort von Gegenspieler Steven Cherundolo attackiert und zusätzlich von 96-Rechtsaußen Stindl unter Druck gesetzt. So gelang es Ribery nur selten, Tempo aufzunehmen und für Gefahr zu sorgen. Der 28-Jährige blieb ohne Torschuss.

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