Mainz 05: Erfolg mit System

Von Stefan Rommel
So jubelt ein Spitzenreiter: Der FSV Mainz 05 führt derzeit die Bundesliga-Tabelle an
© Getty

Der FSV Mainz 05 ist Tabellenführer der Bundesliga. Dass das kein Zufall ist, hat nicht zuletzt der völlig verdiente Auswärtssieg bei Werder Bremen gezeigt. Hauptverantwortlich dafür: Ein unheimlich homogenes Kollektiv und Trainer Thomas Tuchel, der sich und seinen Prinzipien treu bleibt.

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Es gibt so viele nette Fußballweisheiten. Früher, als alles noch besser war, hatten die sich ihre Daseinsberechtigung erworben anhand harter Fakten. Oder vielleicht doch nur, weil es der Volksmund so wollte.

Heute aber erdreisten sich doch tatsächlich einige Fußballtrainer, diese Weisheiten unbeachtet links liegen zu lassen. So schöne Reminiszenzen wie "never change a winning team" oder "wir schauen nur auf unser eigenes Spiel".

Sehr gute Voraussetzungen

Der FSV Mainz 05 hatte vergangenen Sonntag ein sehr emotionales Derby gegen den 1. FC Kaiserslautern gewonnen.

Sein Trainer Thomas Tuchel sollte also seine sicherlich sehr aufgewühlten Gefühle schildern und der Mainzer Trainer antwortete: "Für mich beginnt jetzt schon wieder die Vorbereitung auf das Bremen-Spiel."

Mainz kann sich in der - in diesem Fall - sehr glücklichen Lage schätzen, unter der Woche nicht im Europapokal im Einsatz zu sein. Es gibt kaum Verletzte zu beklagen, Tuchels Spieler haben eine optimale Vorbereitung hinter sich, ganz ohne Probleme mit nachrückenden WM-Fahrern.

Das alles sind sehr gute Voraussetzungen, die der kommende Gegner Werder Bremen nicht hatte. Aber das alleine reicht nicht, um bei einem Champions-League-Teilnehmer so zu bestehen, wie es die Mainzer am 4. Spieltag gezeigt haben.

Knackpunkt: Bremens defensives Mittelfeld

Mit einem nahezu perfekten Auswärtsspiel entzauberte Tuchels Mannschaft die Bremer. Jene Bremer, die den Mainzern in ihren letzten Spielen so viele Anhaltspunkte geliefert hatten, wie man gegen diese Mannschaft bestehen kann.

In Hoffenheim, in Genua und eine Halbzeit lang gegen Tottenham wurden einige Schwächen Werders deutlich. Im zentralen defensiven Mittelfeld etwa.

Dort setzte Mainz aggressiv den Hebel an, Tim Borowski und Torsten Frings hatten mit dem Spielgerät am Fuß keine Ruhe, immer war die Ausgangsstelle der Bremer Angriffe unter großem Druck.

Fritz und Silvestre mit Spielaufbau überfordert

Die Folge waren schnelle Pässe auf die Außenverteidiger, weil die offensive Bremer Mittelfeldreihe zugestellt war. Am Ende hatte Clemens Fritz unglaubliche 100 Ballkontakte, Mikael Silvestre 95.

Normal sind für einen Außenverteidiger rund 70 Ballkontakte. Wirklich viel anfangen konnten beide aber auf ihrem neuen Betätigungsfeld im Spielaufbau nicht.

Frings (74) und auch der zentrale offensiven Mittelfeldspieler Aaron Hunt (64) waren so für ihre Verhältnisse aus dem Spiel. Dem Bremer 4-2-3-1 setzte Tuchel das Tannenbaumsystem 4-3-2-1 entgegen. Vereinfacht gesagt hatte jeder der offensiven Bremer Mittelfeldspieler also einen direkten Gegenspieler.

Doppeln durch großen Laufaufwand

In der Umsetzung sah es aber so aus, dass Mainz seine deutliche läuferische Überlegenheit so zum Einsatz brachte, dass die Gegenspieler immer schnell gedoppelt werden konnten.

Da die Viererkette dazu hoch stand, wurde der Raum rund um die Mittellinie zu einem begrenzten Gut und es ergaben sich kaum sinnvolle Lauf- und Passwege für die gewohnte Bremer Offensivrotation.

"Wir wollten offensiv verteidigen und Werder nicht ins Spiel kommen lassen, das ist uns sehr gut gelungen. Wir waren während des gesamten Spiels sehr aufmerksam und wach", sah sich Tuchel nach dem Spiel von seiner Mannschaft darin bestätigt, was er vorher als Zielsetzung ausgegeben hatte: Mainz wolle sich nicht aus seinem Positionsspiel ziehen lassen.

Insgesamt vier Änderungen

Der Mainzer Trainerstab hatte sich eine perfekte, auf den Gegner zugeschnittene Taktik zurecht gelegt und dieser mit den entsprechenden Spielern Leben eingehaucht. Es gehört durchaus ein gewisser Mut dazu, eine erfolgreiche Mannschaft auf drei Positionen aus freien Stücken umzubasteln.

Die einzige notgedrungene Umstellung ergab sich aus Christian Fuchs' Erkrankung. Und selbst daraus machte Tuchel noch eine Tugend und zog den aggressiveren Radoslav Zabavnik von rechts auf die linken Seite gegen Bremens offensivfreudigsten Außenverteidiger Fritz.

Tuchels Mannschaft zeigte in einer der Königsdisziplinen des modernen Fußballs, der Balleroberung, eine fantastische Vorstellung. Ohne große Stars, aber mit einem ausgeklügelten Plan.

"Wir müssen ein System finden, mit dem wir nicht nur den Gegner in den Griff bekommen und ausschalten können, sondern eins das uns selbst noch ermöglicht, ihm offensiv wehzutun", hatte Tuchel vor dem Spiel gefordert.

Perfekte Balance zwischen Defensive und Offensive

Auch kleine Mannschaften können mit vergleichbarem Personal sehr geschickt und hartnäckig verteidigen, allerdings bleibt dann fast immer das Offensivspiel auf der Strecke.

Mainz ist da schon eine Stufe weiter, der FSV bekommt die Balance zwischen konzentrierter Abwehrarbeit und einer gut funktionierenden Offensive derzeit perfekt hin.

Vier Siege hat Mainz damit schon eingefahren, drei davon gegen Mannschaften mit dem Selbstverständnis, nächste Saison in der Champions League teilnehmen zu wollen. Der Lohn ist die erste Bundesliga-Tabellenführung der langen Klubgeschichte.

"Wenn man vier Spiele gewinnt, ist das verdient", sagt Tuchel. Auf Mainz wartet jetzt am Dienstag der unbequeme 1. FC Köln, bevor es dann Samstag zur ultimativen Aufgabe kommt: In der Allianz Arena gegen den FC Bayern München.

Bremen - Mainz: Daten zum Spiel