Fünf für Uli - Watsch'n für Jupp

Von Für SPOX in der Allianz Arena: Florian Bogner
Bayern-Fans auf der Gegengerade machten deutlich: Wir stehen hinter Präsident Uli Hoeneß
© Getty

Das vermeintliche Spitzenspiel des 30. Spieltags zwischen dem FC Bayern München und Bayer Leverkusen gerät zum perfekten Nachmittag für Uli Hoeneß und einen Offenbarungseid für die Werkself. FCB-Interimscoach Andries Jonker kam mit dem 5:1-Sieg sicherlich nicht schlecht weg - kann sich über den Erfolg aber aus familiären Gründen nicht richtig freuen. Jupp Heynckes blies Trübsal.

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Uli Hoeneß war an diesem Nachmittag wohl einer der bestgelaunten Menschen auf diesem Planeten. Zumindest sah er so aus.

In der vergangenen Woche hatte er Louis van Gaal entlassen und durch diesen Schnitt eine "Explosion" im Team erhofft - und die Mannschaft, nun endgültig aller Alibis beraubt, tat, wie ihr geheißen. Ihr blieb schlicht nichts mehr anderes übrig.

Hoeneß konnte deswegen nach dem überzeugenden 5:1 (4:0) über Bayer Leverkusen wie ein Honigkuchenpferd durch die Katakomben der Arena stolzieren und jedem einen schönen Abend wünschen - ohne einen weiteren Kommentar abgeben zu müssen.

Das übernahm dafür Karl-Heinz Rummenigge. Die Mannschaft habe sich "unglaublich reingehauen", meinte der Vorstandsboss zufrieden, ohne erneut in Richtung van Gaal nachkarten zu wollen. Und Rummenigge hatte Recht: Die elf Mann, die in roten Trikots über den Rasen liefen, wollten diesmal. Und die anderen eben nicht so.

Jonkers Sorgen um seine Mutter

Dass man dem Interimscoach Andries Jonker nach diesem Aha-Erlebnis durchaus ein Kompliment machen kann, steht außer Frage. Es lief ganz gut für ihn. Trotz nur 41 Prozent Ballbesitz saßen die Bayern-Angriffe alle. Drei Torschüsse von Mario Gomez reichten dem Rekordmeister in der ersten Halbzeit zu vier Toren. Wie dieser Erfolg zustande kam, war Jonker auch herzlich egal.

"Meine Aufgabe ist nicht, Spieler auszubilden oder eine Philosophie zu haben. Wir müssen Punkte holen und Platz drei erreichen", sagte der Niederländer, der nach dem Spiel sofort zu seiner Mutter in die Niederlande flog, die am vergangenen Donnerstag offenbar einen Herzstillstand erlitten hatte.

Letztlich hatte der 48-Jährige in einer Woche auch nur Feintuning vornehmen und nicht das Rad neu erfinden können. Dazu gehörten: Diagonalbälle sind nicht verboten, Angriffe dürfen auch mal nach weniger als 15 Pässen vorgetragen werden und wenn man vor dem Tor ist - ruhig mal abschließen.

Keine explizierten Fußball-Weisheiten, aber das reichte schon, um desolate Leverkusener zu zerstören. "Es gab einige neue Impulse unter der Woche", meinte Philipp Lahm begeistert. Und Jonker konstatierte zufrieden: "Sie haben die Botschaft verstanden und gemacht, was sie machen müssen."

Bayern-Mittelfeld mit "großem Herzen"

Frei nach dem Motto "Das Spiel wird im Mittelfeld entschieden" (Jonker) gingen die Münchner in diesem Bereich besonders engagiert zu Werke. "Mit großem Herzen und viel Einsatz" habe man in diesem Mannschaftsteil gespielt, meinte der Trainer.

Und wie sie alle liefen. Anatolij Tymoschtschuk durfte endlich mal wieder im defensiven Mittelfeld ran und degradierte dort Michael Ballack zum Zuschauer. Thomas Müller war als Robben-Ersatz gegen den indisponierten Gonzalo Castro ein dankbarer Abnehmer aller Diagonalbälle.

Miroslav Klose bewies hingegen als hängende Spitze, dass er durchaus auch im Bayern-Trikot gut spielen kann. Oder wie er es augenzwinkernd formulierte: "Man hat gesehen, dass die Mannschaft auch gewinnen kann, wenn ich spiele. Das war ein schönes Gefühl."

Und weil sich Mario Gomez zudem dran erinnerte, dass seine Hauptaufgabe darin besteht, Tore zu schießen, kam eben am Ende ein 5:1-Erfolg heraus. Trotzdem kein Grund, abzuheben. "Wir haben ein gutes Spiel gemacht, aber mehr als drei Punkte gibt es dafür nicht", sagte der dreifache Torschütze nüchtern.

Natürlich sei damit noch "nicht wieder alles toll", mahnte auch Bastian Schweinsteiger. "Die Saison ist noch nicht vorbei." Das nächste Spiel in Frankfurt werde nicht einfach, "die brauchen jeden Punkt gegen den Abstieg".

Reinartz: "Vielleicht ein bisschen zu euphorisch"

Sieben Punkte braucht auch Leverkusen noch nach Rechnung von Rudi Völler, um am Ende wieder seinem eingetragenen Markennamen "Vizekusen" gerecht zu werden. "Klar war das heute eine katastrophale erste Halbzeit, aber da müssen wir jetzt durch und den zweiten Platz sichern", meinte dieser. Dennoch wird dieses 1:5 und das damit verbundene Ende aller Meisterträume nicht leicht aus den Köpfen zu kriegen sein.

Innenverteidiger Stefan Reinartz, der wie eine Handvoll seiner Kollegen im ersten Durchgang kein Bein auf die Erde brachte, musste jedenfalls lange im Gedächtnis kramen, bis ihm einfiel, ob ihm so eine Halbzeit schon mal passiert sei: "Mit den Amateuren lag ich mal zur Pause 0:4 hinten, gegen Union Berlin. Da habe ich mich ein bisschen dran erinnert gefühlt." Im Februar 2007 war das gewesen und Reinartz damals frisch volljährig.

Seine selbstkritische Fehleranalyse: "Wir wollten die Dinge zu oft spielerisch lösen und so die Welt einreißen, anstatt sich darauf zu konzentrieren, die Null zu halten. Vielleicht war das ein bisschen zu euphorisch."

Das sah auch der scheidende Trainer so. "In der ersten Halbzeit haben wir alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Wir hatten überhaupt kein kollektives Defensivverhalten", schimpfte Jupp Heynckes energisch. Und auf die Feststellung eines Journalisten, dass das Ergebnis für ihn als künftigen Bayern-Trainer ja nicht ganz so schlecht sei, meinte der 65-Jährige finster: "Da kennen Sie mich sehr schlecht."

Shakespeare in der Südkurve

Dass es mit Heynckes seinen Freund "erwischt" hatte, war dann wohl auch das einzige, was Uli Hoeneß den Nachmittag ein bisschen trüben könnte. Ansonsten waren die Fan-Proteste der letzten Wochen größtenteils Geschichte - auch, weil der FC Bayern als Reaktion einige Maßnahmen durchzog.

So durften die Ultras nicht mehr mit Megaphon einheizen, das Vorsängerpodest wurde entfernt. Außerdem hatte der Verein angekündigt, gegen nicht genehmigte Plakate und Spruchbänder vorzugehen.

Allerdings bewiesen die dafür eingeteilten Ordner offenbar wenig Literaturkenntnisse.

Die Fans jedenfalls durften mit einem "Mia san mia? Lies King Lear!" auf sich aufmerksam machen - was angesichts der von Eitelkeit geblendeten Despoten-Figur von William Shakespeare, die am Ende ein tragisches Ende findet, eine weitere derbe Spitze gegen Hoeneß war.

"Mia san Uli"-Aktion groß aufgezogen

Ansonsten fanden sich inmitten der Südkurve aber nur ein mauliges "Was ist falsch, wenn Leute mitreden, für die der Verein Teil ihres Lebens ist?" und ein fast schon versöhnliches "Wir wollen nix bestimmen, nur Grenzen bewahren".

Der Rest des Stadions hingegen war auf Pro-Hoeneß-Linie getrimmt - und durfte freilich reichlich plakatives Brimborium veranstalten. So zog die Gegengerade vor Anpfiff zwei große "Mia san Uli"-Planen hoch, in der Mitte stand der Name der Aktion: "Gegengerade für Hoeneß".

Und als dann weite Teile der Arena eine Viertelstunde zu Spielschluss ein "Uli Hoeneß, Du bist der beste Mann!" anstimmten, war der Nachmittag des Präsidenten endgültig versüßt. Der "Bild" steckte Hoeneß dann noch, dass er über Manuel Neuers Entscheidung bescheid wisse. Ob er damit zufrieden sei? "Schaun mer mal."

Wie gesagt: ein nahezu perfekter Nachmittag.

Bayern - Leverkusen: Daten zum Spiel

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