Gewagter Spagat für die Bayern

Von Thomas Gaber/Oliver Wittenburg
Bayern München, Werder Bremen, Bastian Schweinsteiger, Franck Ribery

Mit dem Saisonstart ist beim FC Bayern München nach dem 0:0 gegen Werder Bremen am 3. Spieltag der Bundesliga niemand zufrieden. Der Sportdirektor mahnt die Dringlichkeit von Siegen an, die Mannschaft bittet um Geduld. Bremen hat Superman zwischen den Pfosten und paart den typischen Werder-Style mit Disziplin - auch ohne drei Leistungsträger.

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Vor 69.000 Zuschauern in der ausverkauften Allianz Arena am 65. Geburtstag von Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer hatten beide Mannschaften gute Möglichkeiten, das Spiel für sich zu entscheiden. Doch Thomas Müller, Franck Ribery und Toni Kroos und auf der anderen Seite Marko Arnautovic, Sebastian Prödl und Tim Borowski vergaben ihre Chancen.

Der FC Bayern konnte seit 2005 kein Heimspiel mehr gegen Bremen gewinnen.

Nachbetrachtung:

In der letzten Saison gab der FC Bayern am 3. Spieltag in Mainz ein bemitleidenswertes Bild ab, gleichbedeutend mit der ersten Krise der damals noch jungen van-Gaal-Ära. Ein Jahr später haben die Bayern zwei Punkte mehr auf dem Konto, zufrieden ist mit dem Start in München aber niemand.

Das 0:0 gegen Bremen war ein torloses Remis der besseren Sorte, kann den Ansprüchen des Meisters aber nicht genügen. Philipp Lahm sprach selbstkritisch die Gründe an: zu viele eigene leichte Fehler, mangelnde Fitness und fehlender Rhythmus. Die Nationalspieler spüren die Nachwehen der WM. Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger schleppen sich durch die "immer noch andauernde Saisonvorbereitung" (Miroslav Klose).

In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, warum Louis van Gaal erneut auf Toni Kroos in der Startelf verzichtete. Der 20-Jährige war wie schon gegen Kaiserslautern nach seiner Einwechslung das belebende Element im kreativarmen Bayern-Mittelfeld.

Sportdirektor Christian Nerlinger wird angesichts des Fünf-Punkte-Rückstands auf Tabellenführer Hoffenheim nicht nervös, mahnte aber die Dringlichkeit von Siegen an, am besten schon kommenden Mittwoch in der Champions League gegen den AS Rom. Die Bayern brauchen schnelle Erfolgserlebnisse, müssen aber auch die Geduld aufbringen, ihre Leichtigkeit aus der letzten Saison zurückzugewinnen - ein gewagter Spagat.

BLOg Die mySPOX-Analyse aus Bayern-Sicht

Werder Bremen ist nach dem fiesen K.o. in Hoffenheim zum Saisonstart in der Spur. Auch ohne einige Leistungsträger (Naldo, Mertesacker, Pizarro) ist Bremen in der Lage, mit den besten Mannschaften in Deutschland mitzuhalten.

In München fanden den Hanseaten die richtige Mischung zwischen dem typsichen offensiven Werder-Style und einer klugen, konsequenten Defensivarbeit. Die Wundertüte Bremen erledigte gegen die Bayern Grundlegendes akkurat: Disziplin und Konzentration über 90 Minuten. Gegen Tottenham Hotspur darf es aber ein bisschen mehr Entschlossenheit im Abschluss sein.

Reaktionen:

Louis van Gaal (Trainer FC Bayern): "Ich bin nicht zufrieden. Wir haben die besseren Chancen kreiert, aber es haben immer ein paar Zentimeter gefehlt."

Philipp Lahm (FC Bayern): "Wir haben viele relativ einfache Fehler gemacht. Wir haben jetzt viele englische Wochen. Das ist wichtig für uns. Nur in Spielen können wir uns die Fitness holen und den Rhythmus finden. Aber es war sicherlich nicht alles schlecht gegen Bremen."

Thomas Schaaf (Trainer Werder Bremen): "Es war ein gutes Spiel von beiden Mannschaften mit vielen guten Chancen. Wir haben immer unsere Möglichkeiten gesucht, aber nicht immer ruhig zu Ende gespielt. Mit dem Debüt von Wesley und Silvestre bin ich sehr zufrieden."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Die Bayern mit der gleichen Startelf, die am 2. Spieltag 0:2 in Kaiserslautern verlor, aber mit einer taktischen Änderung: Müller spielt rechts, Olic im Angriff, Klose leicht versetzt dahinter.

Werder-Coach Schaaf bringt zwei Neuverpflichtungen. Silvestre spielt linker Verteidiger, Wesley im zentralen Mittelfeld neben Kapitän Frings. Anstelle der verletzten Mertesacker und Naldo spielen Pasanen und Prödl in der Innenverteidigung, der Österreicher Arnautovic ersetzt den ebenfalls verletzten Pizarro als einzige Spitze.

5.: Marin tritt einen Freistoß von rechts. Prödl kommt aus sieben Metern frei (!) zum Kopfball und setzt das Ding unten links an den Pfosten. Der Ball prallt von dort gegen Butts rechte Ferse, von dort an die Latte und von dieser in Butts Arme.

8.: Riesenchance für Müller, der Silvestre entwischt und den Ball an Wiese vorbeizulegen versucht. Der Werder-Keeper ist aber schnell genug unten und pariert.

32.: Super Parade von Butt: Ansatzlos zieht Marin aus fast 25 Metern ab. Der Ball droht halbhoch im linken Eck des Bayern-Kastens einzuschlagen, doch Butt kommt angesegelt und kratzt ihn mit den Fingernägeln noch raus.

53.: Kroos hat die Führung auf dem Fuß. Ribery flankt von links - mit links - zur Mitte. Kroos ist im Rücken von Pasanen frei und nimmt den aus 13 Metern als Dropkick direkt. Knapp am rechten Winkel vorbei.

63.: Chancen jetzt auf beiden Seiten. Erst tanzt Marin mit van Buyten, findet aber keinen Abnehmer für seine Hereingabe von der Grundlinie. Dann scheitert Ribery nach feinem Dribbling an Wiese. UND DANN vernascht Arnautovic erst van Buyten und dann Badstuber, eher er mit seinem Schuss am starken Butt scheitert.

70.: Beinahe macht Borowski die Bude. Marin wurschtelt sich gegen van Bommel und Lahm kurios durch und flankt von der Grundlinie zur Mitte. Dort rutscht Borowski in die Kugel und schiebt den Ball um etwa 18 Zentimeter unten links vorbei.

Fazit: Gerechtes Unentschieden zwischen zwei vergeblich anrennenden Bayern und clever konternden Bremern mit zwei richtig guten Torhütern.

Der Star des Spiels: Tim Wiese. Die Allianz Arena wird immer mehr zur uneinnehmbaren Festung des Werder-Keepers. Wiese macht in München regelmäßig Sahnespiele. Ob Müller, Ribery oder Kroos - Deutschlands Nummer zwei hatte stets die bessere Antwort. Note 1 für Wiese. Sein Gegenüber Butt machte ebenfalls ein richtig gutes Spiel.

Die Gurke des Spiels: Miroslav Klose. Van Gaal betonte mehrfach, dass die zentrale Position hinter der Spitze maßgeschneidert für Klose sei. Der Trainer tut seinem Stürmer damit keinem Gefallen. Klose hatte sehr wenige Ballkontakte und praktisch null Offensivaktionen. Klose musste in der Pause für Kroos weichen, der deutlich mehr zur Geltung kam. Zu seiner Ehrenrettung ist festzuhalten, dass Klose in der Defensive einige Bälle erkämpfte.

Die Pfeife des Spiels: Knut Kircher. Die Spieler machten es dem Referee relativ einfach. Kircher musste kaum eine heikle Situation überstehen und war ein souveräner Leiter eines fairen Spiels. Kircher kam ohne Gelbe Karte aus.

Analyse: Acht Spieler der Bayern-Startelf waren in der EM-Quali im Einsatz. Die fehlende körperliche und vor allem geistige Frische war den Münchnern vor allem in der ersten Halbzeit anzumerken. Schaafs eher defensive Ausrichtung mit einem Fünfer-Mittelfeld im 4-1-4-1 war Gift für lange Zeit uninspirierte Gastgeber. Vernünftige Aktionen in der Offensive gingen allenfalls von Ribery aus.

Schweinsteiger, Müller und Klose in seiner neuen Rolle hinter Olic gelang so gut wie nichts. Frings, Bargfrede und Wesley machten das Zentrum dicht, die offensiveren Außen Marin und Hunt arbeiteten gut nach hinten.

Werder nutzte seinerseits immer wieder das Vakuum im Bayern-Mittelfeld zwischen den Innenverteidigern und der Doppel-Sechs. Das Zentrum vor der Abwehr hatten die Bayern schon in den ersten Spielen gegen Wolfsburg und Kaiserslautern nicht im Griff.

Mit Kroos kam nach der Pause deutlich mehr Schwung in die Angriffe der Münchner. Der überragende Wiese verhinderte mehrmals einen Rückstand. In einer jederzeit offenen und kurzweiligen Partie hatten auch die Bremer bis zum Schluss ihre Möglichkeiten. Der starke Marin konnte sich ein ums andere Mal mit seinen Dribblings in Szene setzen und seine Mitspieler mit Pässen bedienen. Die Neuzugänge Wesley und Silvestre kamen etwas schwer ins Spiel, machten aber insgesamt ein ordentliches Debüt im Werder-Trikot.

Bayern - Bremen: Daten zum Spiel