St. Pauli ist die Nummer eins in Hamburg

Von Florian Bogner / Thomas Gaber
Der Hamburger SV verlor erstmals seit dem 3. September 1977 ein Derby gegen den FC St. Pauli
© Getty

Der FC St. Pauli hat im Nachholspiel des 21. Spieltags Historisches geschafft: Die Elf von Holger Stanislawski holte mit dem 1:0 (0:0)-Erfolg beim Hamburger SV den ersten Derbysieg seit dem allerersten Aufeinandertreffen im Oberhaus im September 1977 und baute den Vorsprung auf den Relegationsplatz auf fünf Punkte aus.

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Vor 57.000 Zuschauern erzielte Gerald Asamoah das Tor des Tages (59.) und entschied damit den direkten Vergleich der Hamburger Vereine für den Außenseiter (Hinspiel: 1:1).

Mit elf Punkten ist St. Pauli nun beste Rückrundenmannschaft der Liga. Der HSV verpasste durch die dritte Heimniederlage den Sprung auf Platz sechs. Paulis Innenverteidiger Carlos Zambrano sah seine fünfte Gelbe Karte und fehlt damit am Samstag in Dortmund.

Reaktionen:

Bastian Reinhardt (HSV-Sportdirektor): "Das ist der bitterste Moment, seit ich beim HSV bin. Wir hatten genügend Chancen, das Spiel zu gewinnen. Wenn ich mit ansehen muss, wie St. Pauli in unserem Stadion feiert, könnte ich kotzen."

Frank Rost (Hamburger SV): "Fußball ist Ergebnissport, gerade im Profi-Fußball wird gnadenlos abgerechnet. Alle, die schönen Fußball sehen wollen, egal ob bei Siegen oder Niederlagen, sind Heuchler. Für ein gutes Spiel hat noch keiner einen Punkt bekommen. Die B-Note zählt im Fußball nicht. Wir müssen uns den Dingen stellen. Jetzt heißt es: Arsch hoch und weiter."

Heiko Westermann (Hamburger SV): "Es ist schwer, eine Erklärung zu finden. Wir waren die klar bessere Mannschaft. Das 0:1 hat uns geschockt. Normalerweise darf man nicht den Kopf verlieren, aber das haben wir getan. Die Enttäuschung ist riesig. Wir werden uns jetzt einiges anhören müssen."

Gerald Asamoah (FC St. Pauli): "Wir wussten, dass wir eine Chance haben zu gewinnen. Wir haben gezeigt, was wir können. Ich bin froh, wenn ich die Fans zufriedenstellen kann. Ich hoffe, dass wir nun auch das Spiel in Lüdenscheid gewinnen können."

Benedikt Pliquett (FC St. Pauli): "Das heute kann mir keiner nehmen. Das Gefühl ist toller als beim Aufstieg letztes Jahr. Ich bin in Hamburg geboren, wurde hier beim HSV vom Hof gejagt und gewinne jetzt hier in meinem ersten Bundesliga-Spiel mit dem Verein, der mich immer unterstützt hat - super! Ich liebe diesen Verein, ich liebe ihn wirklich."

Matthias Lehmann (FC St. Pauli): "Heute ist Nationalfeiertag für St. Pauli. Wir haben uns und die Fans nach 33 Jahren ordentlich belohnt. Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen."

Holger Stanislawski (Trainer FC St. Pauli): "Das ist für einen kleinen Stadtteilklub etwas Besonderes. Wir haben die drei Punkte glücklich geholt, aber im Derby interessiert das niemanden. Die Jungs werden bestimmt ein, zwei Bierchen trinken."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Der HSV mit derselben Elf, die vier Tage zuvor mit 1:0 in Wolfsburg gewann. Heißt: Elia, Guerrero, Trochowski und Pitroipa sitzen erneut nur auf der Bank. Übrigens: Veh bot zuletzt im November zweimal hintereinander die gleiche Elf auf.

Bei St. Pauli sorgt Stanislawski für eine Überraschung: Pliquett darf im Tor sein Bundesliga-Debüt feiern, Kessler wird auf die Bank versetzt. Der Coach begründet die Entscheidung mit guten Trainingsleistungen des 26-Jährigen, der seit 2004 im Verein ist. Sonst keine Änderungen im Vergleich zum 3:1-Sieg über Gladbach.

14.: Aogo flankt von links. Ben-Hatira geht dem Ball am Elferpunkt schön entgegen, köpft aber weit rechts am Tor vorbei.

16.: Freistoß Ze Roberto. Westermann kommt am linken Fünfereck an den Ball. Pliquett springt mutig entgegen und klärt.

40.: Aogo kommt mal links hinter die Abwehr und flankt aus vollem Lauf. Van Nistelrooy köpft freistehend aufs Tor, drückt den Ball aber genau auf Pliquett.

42.: Blackout von Zambrano, der Ben-Hatira den Ball genau auf den Fuß legt. Der will es aus 16 Metern zu genau machen, schlenzt den Ball über den rechten Winkel.

49.: Petric auf den eingewechselten Elia, der spielt Ze Roberto links im Strafraum frei. Freie Bahn aufs Tor - Außennetz.

56.: Ecke HSV von rechts. Pliquett bleibt zunächst weg, pariert dann aber klasse mit dem Fuß gegen Mathijsen.

59., 0:1, Asamoah: Dritter Eckball der Gäste, Kruse von rechts. Boll verlängert am Fünfer, Asamoah drückt den Ball mit dem Kopf über die Linie - sein viertes Tor in den letzten sechs Spielen.

77.: Kruse flankt von links. Joker Ebbers überspringt Westermann und köpft scharf aufs kurze Eck. Rost pariert mit Mühe.

Fazit: Der HSV büßt für mangelnde Chancenverwertung und fehlende Opferbereitschaft nach dem 0:1. Ein defensiv sehr diszipliniertes St. Pauli feiert die inoffizielle Stadtmeisterschaft.

Der Star des Spiels: Gerald Asamoah. Hatte zwar nicht viele Ballkontakte, kämpfte aber um jeden Ball und hielt im richtigen Moment den Kopf hin. Beeindruckend: Asamoah war damit in den letzten sechs Spielen an acht Treffern direkt beteiligt (vier Tore, vier Assists). Lustig: Wett-Partner und Ex-Mitspieler Westermann darf nun Asamoahs Auto waschen.

Der Flop des Spiels: Eljero Elia. Forderte zuletzt mehr Einsatzzeit, blieb aber erneut deutlich unter seinen Möglichkeiten. Als Joker hatte Elia kaum Ballkontakte, hielt seine Position nicht richtig, harmonierte überhaupt nicht mit dem in der ersten Halbzeit noch emsigen Aogo und verlor die Mehrzahl seiner Zweikämpfe. War so in der zweiten Halbzeit Sinnbild der Hamburger Harmlosigkeit.

Der Schiedsrichter: Günter Perl. War von Beginn an um Sachlichkeit bemüht und ließ so gar keine Hektik aufkommen. Griff durch, wenn es nötig war. Zambrano hätte für seine Ringereinlage gegen Petric allerdings Gelb bekommen können (27.). Bei Demels langem Bein gegen Bartels (45.) verzichtete der Unparteiische wohl zu Recht auf einen Elfmeterpfiff.

Analyse: Intensive erste Halbzeit ohne Glanz. Der HSV begann druckvoll über die Außen, schlug in den ersten 13 Minuten acht Flanken. St. Pauli kam kaum über die Mittellinie, stand hinten aber sicher und klärte Hamburgs einfallslose Standards konsequent. Nach 20 Minuten kamen die Gäste besser ins Spiel, behaupteten den Ball energischer (vor allem Asamoah) und verlagerten des Spielgeschehen mehr ins Mittelfeld.

Der HSV war darüber durchaus dankbar, weil sich nun mehr Räume ergaben. Die Außenverteidiger suchten oft den Weg nach vorne, kamen aber nur selten hinter die Abwehr. So blieb das Angriffsspiel der Hausherren inkonsequent, Chancen wurden leichtfertig vergeben. Auf der anderen Seite spielte St. Pauli zu ängstlich und zu ungenau und kam so im letzten Drittel des Platzes gar nicht mehr an den Ball. Rost blieb beschäftigungslos.

Mit der Einwechslung von Elia versuchte Veh, mehr Druck auf den unsicheren Thorandt aufzubauen. Allerdings griffen die Hausherren nun vermehrt über rechts an - auch, weil Elia die Außenposition nicht hielt. So baute der HSV nach der Pause weiter ab. Dass St. Pauli mit der ersten Chance in Führung ging, stellte den Spielverlauf zwar auf den Kopf, war aber letztlich logische Folge der HSV-Nachlässigkeiten.

Wer nach dem Rückstand einen HSV-Sturmlauf erwartete, wurde bitter enttäuscht. St. Pauli verteidigte weiterhin kompakt, die Angriffe der Hausherren erstickten schon im Keim. Selbst als der HSV gegen Ende die Brechstange rausholte, kam Pliquett nicht mehr in Bedrängnis.

Hamburg - St. Pauli: Daten zum Spiel

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